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London verschärft den Ton im Atomstreit

Die britische Regierung will sich seine Kernkraftpläne nicht zerstören lassen. Offen droht London mit Vergeltung, sollte Wien seine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Subventionen für Hinkley Point nicht zurückziehen.

Der Ton im Streit um die Subventionen für das Atomkraftwerk Hinkley Point im südwestenglischen Summerset hat sich verschärft. Laut einer Mitteilung der österreichischen Botschaft in London warnt London davor, dass die bilateralen Beziehungen zwischen Großbritannien und Österreich Schaden nehmen werden, wenn Wien die Klage gegen Hinkley Point nicht zurückzieht. So will die konservative Regierung unter David Cameron auf Österreich Druck ausüben, dass die Alpenrepublik bei der  EU-internen Lastenverteilung einen größeren Anteil tragen muss, wenn Wien die Kernenergie nicht als nachhaltige Stromquelle anerkennt. Außerdem will London gegen die Herkunftskenzeichnung von Strom in Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof klagen, da dies aus britischer Sicht gegen die Binnenmarktregeln verstoße. Als dritte Maßnahme prüft die britische Regierung, ob die Klage Österreichs überhaupt mit dem Euratom-Vertrag vereinbar ist.

Noch vor der Wahl klären

Grund für den verschärften Ton, den London jetzt anschlägt, sind die Wahlen im Vereinigten Königreich in diesem Jahr. Cameron will das Projekt Hinkley Point noch vorher in trockene Tücher bringen. Ob dies gelingt, bleibt davon abhängig, ob die Verhandlungen zwischen der EDF als Hauptanteilseigner und den beiden chinesischen Investoren China Nuclear und China National Nuclear vorankommen. Bisher ziehen sich diese in die Länge. Dann sind die Wahlen in Großbritannien aber schon gelaufen.

Politischen Lager rücken zusammen

In Österreich stoßen die Drohungen aus London auf völliges Unverständnis. In der Alpenrepublik rücken deshalb auch die politischen Lager zusammen. Aus allen Richtungen kommt die Unterstützung für den sozialdemokratischen Bundeskanzler Werner Faymann So kritisiert selbst der Sprecher der rechtskonservativen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) Werner Neubauer, dass der in Hinkley Point geplante Reaktortyp wird bereits in Finnland und Frankreich mit enormen Kostensteigerungen gebaut wird, weil sich die Bauzeit in die Länge zieht. „Die britische Regierung will den Strompreis in unrealistischer Höhe von 120 Euro pro Megawattstunde auf 35 Jahre wertgesichert garantieren“, schimpft Neubauer. „Diese Wettbewerbsverzerrung zulasten erneuerbarer Energieträger ist entschieden abzulehnen, weshalb ich als Anti-Atom-Sprecher der FPÖ eine Klage gegen die Vorgehensweise der EU-Kommission befürworte. Es ist verständlich, dass angesichts der guten Chancen, die sich durch die Nichtigkeitsklage für Österreich ergeben, die weltweite Atomlobby mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr setzen will. Dies dürfte auch den Briten bewusst sein, denn angesichts deren unfassbarer Drohungen, liegen im Königreich offenbar die Nerven blank“, sagt Neubauer. „Das ist kein Wunder“, ergänzt der Umweltminister von Oberösterreich Rudi Anschober. „Wenn Österreich jetzt konsequent bleibt und die Nichtigkeitsklage vorantreibt, wird der Europäische Gerichtshof 2017 in unserem Sinn entscheiden. Dann kann Hinkley Point zum Einstieg in den gesamteuropäischen Atomausstieg werden. Denn ohne der dann verbotenen Subvention lässt sich europaweit kein AKW-Neubau mehr verwirklichen!“ Denn werden die Beihilfen für Hinkley Point nichtig und der Betreiber muss den Strom am Markt ohne Garantien verkaufen.

Ohne Subventionen ist Atomkraft nicht möglich

Dies wird sich nicht wirtschaftlich darstellen lassen. So geht Eurosolar davon aus, dass durch die Vereinbarung zwischen den Betreibern von Hinkley Point und der britischen Regierung der Strom aus dem Kernkraftwerk nach 35 Jahren von den derzeitigen 11 Cent auf 35 Cent pro Kilowattstunde steigen wird. Zudem hat London eine öffentliche Bürgschaft für 21 Milliarden Euro zum Bau des Kraftwerks gegeben. Nach derzeitigen Annahmen betragen die Baukosten 31,2 Milliarden Euro für die 3,26 Gigawatt Leistung. „Das sind 9.500 Euro pro Kilowatt, wobei eine Kostensteigerung um mindestens das Doppelte den bisherigen Erfahrung bei AKW-Neubauten entspricht“, rechnet Eurosolar vor. „Der Kaufpreis für den AKW-Neubau im finnischen Olkiluoto war schlüsselfertig auf drei Milliarden Euro angesetzt. Durch 15 Jahre Verzögerungen sind bisher fast neun Milliarden Euro verbaut worden und es soll noch jahrelang weitergebaut werden.“ Die Photovoltaik- und Windkraftanlagen kosten inzwischen nur noch etwa 1.000 Euro pro Kilowatt. „Selbst ein Kombisystem aus Sonne-Wind-Biomasse mit 100prozetiger Verfügbarkeit wäre also zehn Mal preiswerter als das geplante AKW“, rechnen die Experten von Eurosolar vor. „Durch diese Beihilfengewährung werden die erneuerbaren Energien als klima- und verbraucherfreundliche Alternative massiv benachteiligt und ausgebremst.“

Eine energiepolitische Katastrophe

In ähnlicher Weise kritisiert auch die Bundessprecherin der österreichischen Grünen Eva Glawischnig die Haltung der britischen Regierung. „Der britische Weg bedeutet eine energiepolitische Katastrophe“, sagt sie. „Atomenergie und erneuerbare Energien stehen zueinander im Widerspruch. Umso wichtiger ist es, dass Österreich jetzt Flagge zeigt. Wir wollen keine Atomenergie und wir wollen auch keine Förderungen dafür.“ Sie verweist auf die gemeinsamen Ziele der Europäischen Union was die erneuerbaren Energien betrifft. „Österreichs Antim-Atompolitik steht mit diesen Zahlen im Einklang“, betont Glawischnig. (su)