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Mobil flashen

Ein Solarpark, irgendwo in Mitteleuropa. In einer Wartungshalle steht ein Kleintransporter mit geöffneter Heckklappe, von der ein Vorhang als Lichtschutz herunterhängt. Die geöffnete Schiebetür auf der Seite des Transporters gibt den Blick auf ein Bedienpult frei. Zwei Männer schieben den Vorhang am Heck beiseite, heben ein Solarmodul von einem Gestell herunter und setzen ein neues darauf. Nachdem sie den Vorhang wieder geschlossen haben, messen sie die Leistung des Moduls. Das Ritual wiederholt sich noch unzählige Male.

Den Solarpark, dessen Name nicht fallen darf, gibt es nur aus einem Grund: wegen der Rendite. Und weil diese nicht stimmt, ist Franz Baumgartner hier. Der Professor der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) ist mit dem Swiss Mobile Flasher Bus vorgefahren. Mit dieser mobilen Messeinheit überprüft er die Leistung der Module.Denn schon wenige Monate nach Inbetriebnahme des Solarparks kam beim Investor der Verdacht auf, dass nicht alle Module ihre zugesagte Leistung erreichen. Baumgartner hilft nun dabei, diese Frage zu klären, ohne dass der Investor dafür die Module in ein Messlabor transportieren muss.

„Mit der Idee eines Messbusses für Solarmodule bin ich schon drei Jahre schwanger gegangen, bevor wir sie zusammen mit dem Energieversorger EKZ umsetzen konnten“, erzählt Baumgartner. Das war 2009. Die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich hatten damals eine Solaranlage aufgebaut, um das Langzeitverhalten von fünf verschiedenen Zelltechnologien zu untersuchen – von kristallinem Silizium bis zu Dünnschicht. Die EKZ wollen mit dieser Testanlage die relative Leistung der verschiedenen Technologien – im Sinne von: gelieferte Kilowattstunde Strom pro installierte Kilowattstunde Peak – bewerten sowie den Rückgang der nominalen Leistung im Laufe der Jahre ermitteln. Mindestens einmal jährlich fährt dafür der von Baumgartner entwickelte Flasherbus vor, um alle hundert Module der Testanlage zu messen. Der Bus gehört den EKZ.

Allerdings sind Leistungsmessungen mit großen Unsicherheiten behaftet. Baumgartner musste deshalb minutiös die Einflüsse abschätzen, die die Genauigkeit der Leistungsmessung im Bus bestimmen.

Zur Sicherheit Stichproben

Flasher-Messungen sind an sich nichts Neues. Verschiedene Institutionen wie der TÜV Rheinland oder das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg verfügen über akkreditierte Prüflabore, in denen sich Solarmodule sehr präzise unter kontrollierten Bedingungen vermessen lassen. Auch dieModulhersteller führen zur Qualitätssicherung Flasher-Messungen in ihrer Produktion durch. Die akkreditierten Prüflabore garantieren eine Genauigkeit von plus/minus zwei Prozent. Damit müssen sie kontrollieren, ob die Hersteller ihren Verpflichtungen nachkommen. Die Hersteller verpflichten sich in den Datenblättern ihrer Module oft zu einer Leistungstoleranz von plus/minus drei Prozent.

Dabei kann es um ziemlich viel Geld gehen. „Wenn Sie bei einem Hausdach mit fünf Kilowatt Peak installierter Leistung eine Toleranz von plus/minus drei Prozent haben, reden wir über einen finanziellen Unterschied von 500 Euro, bei einem Fünf-Megawatt-Park dagegen von einer halben Million Euro“, rechnet Baumgartner vor. Daher hat ein Investor großes Interesse daran, die Leistung seiner Module genau zu kennen. Es ist gängige Praxis, dass Investoren die Leistungsdaten von gelieferten Modulen stichprobenartig bei einem Prüflabor kontrollieren lassen, bevor ein neuer Solarpark in Betrieb geht.

„Mit zertifizierten Prüflaboren wollen wir gar nicht konkurrieren“, stellt Jörg Haller, Leiter des mobilen Solarlabors bei den EKZ, klar. „Wir nutzen den Flasherbus für unsere eigene Forschung und für die Qualitätsprüfung von Anlagen, die wir bei Kunden installieren.“ Darüber hinaus vermietet das Zürcher Energieversorgungsunternehmen seinen Messbus aber auch als Dienstleistung. Haller schätzt, dass es im vergangenen Jahr zehn bis 15 solcher Einsätze gab. Die Preise dafür fallen sehr unterschiedlich aus: Bei manchen Aufträgen reiche ein Ingenieur für die Messungen, wenn es Helfer vorOrt gebe. In anderen Fällen müssten zwei Mitarbeiter mit dem Bus über große Distanzen anreisen. „Auf jeden Fall ist es möglich, 100 bis 200 Module an einem Tag zu vermessen“, sagt Haller. Der Kunde bekommt anschließend ein Messprotokoll ausgehändigt, aus dem alle Kenndaten des Moduls hervorgehen sowie die zum Zeitpunkt der Messung herrschende Temperatur des Moduls und der Umgebung.

Tücken im Mobil-Labor

Der Bus ist mit einem Sun-Sim-Flasher des Herstellers Pasan ausgerüstet. „Unsere Messungen haben wir anhand von vier polykristallinen Modulen kalibriert“, erzählt Baumgartner. Diese Module hatte das Fraunhofer ISE zuvor im Labor mit der dort erreichbaren Genauigkeit von plus/minus zwei Prozent vermessen. Bei der Messung im Flasherbus kalibrieren Baumgartner und seine Kollegen dann die Daten des zu untersuchenden Moduls mit denen des Referenzmoduls. Da die Messungen im Feld bei Umgebungstemperaturen stattfinden und nicht bei 25 Grad Celsius, wie es die Norm der IEC (International Electrotechnical Commission) für Labormessungen vorschreibt, muss Baumgartner den Temperaturunterschied berücksichtigen. Dazu messen er und seine Kollegen die Temperatur des jeweiligen Moduls an der Rückseite mit einem Widerstandsthermometer, um die Messergebnisse entsprechend korrigieren zu können. „Die Korrektur erfolgt mit Hilfe des Temperaturkoeffizienten, den der Hersteller für sein Modul angibt, und der Verfahren gemäß der IEC-Norm 60891.“Prinzipiell ließen sich die Module natürlich auch auf Standardtesttemperatur bringen, aber vor allem der Zeitaufwand, bis das zu messende Modul entsprechend temperiert ist, wäre dafür erheblich. Aus diesem Grund haben Baumgartner und seine Kollegen darauf verzichtet.

Zusammen mit Kollegen hat der Wissenschaftler seine ausführliche Fehleranalyse in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung dargelegt (siehe Tabelle). Die Messungenauigkeit der Referenzmodule von plus/minus zwei Prozent schlägt danach am stärksten zu Buche. Das ist aber prinzipbedingt – und daher nicht zu ändern. Klein und gut beherrschbar sind Messunsicherheiten, die durch eine ungenaue Ausrichtung des Test- oder Referenzmoduls zum Flasher auftreten: Der mechanische Aufbau des Teststands sorgt für eine hohe Reproduzierbarkeit der Messgeometrie. Auch die Toleranzen, die aufgrund der Elektronik und der Datenakquise auftreten, sind gering. Nicht ohne Stolz verweist Baumgartner darauf, dass der Flasherbus auch die unterschiedliche spektrale Charakteristik von Test- und Referenzmodul berücksichtigt und die Messungen entsprechend korrigiert. Die optische Inhomogenität des Flashers fällt ebenfalls recht gering aus. „Technologisch verwenden wir bei der Lampe aber das Beste, was es auf dem Markt gibt – in Sachen Farbtreue zum Sonnenlicht und Gleichmäßigkeit der Einstrahlung in der Modulebene“, sagt Baumgartner. Bleibt noch die Temperatur, wenn sie von den Standardtestbedingungen abweicht: „Im Bereich zwischen 15 und 35 Grad Celsius ist die Unsicherheit aufgrund der Temperatur kleiner als die Toleranz, die durch die optischen Inhomogenitäten auftritt“, sagt Baumgartner.

Überraschend genau

Gemeinsam mit seinen Kollegen hat er aus diesen Messunsicherheiten die Genauigkeit des Systems errechnet. „Dabei haben wir uns an Standards der ISO gehalten“, sagt Baumgartner. „Wir haben unser mobiles Verfahren inzwischen ausführlich charakterisiert und die erreichbare Genauigkeit untersucht“, so der Wissenschaftler. „Sie liegt – konservativ gerechnet – bei plus/minus drei Prozent.“ Wobei die Wissenschaftler in diese Fehlerabschätzung auch noch einen nennenswerten Anteil mit einbezogen haben, unter dem sie alle nicht erfassten Unsicherheiten subsumieren. „Wir wollen da auf der sicheren Seite sein“, soBaumgartner. Mit dieser Unsicherheit ließen sich mit Hilfe der Messtechnik des Busses die Angaben von Modulherstellern überprüfen.

Ob die Abschätzungen auf der sicheren Seite sind, darüber kann man diskutieren. Christian Reise, Forschungsleiter der Gruppe Netzgekoppelte Energiesysteme am Fraunhofer ISE, kennt den Flasherbus und die Fehlerabschätzung. Auch er ist überrascht: „Wir gehen eher von gut vier Prozent für solche mobilen Messungen aus.“ Egal ob drei oder vier Prozent, ein Flasherbus habe bei bestimmten Fragestellungen Vorteile: „Er kann fast das ganze Jahr über messen und mit ihm lassen sich Minderleistungen vor Ort schnell eingrenzen.“ Von den Stärken des mobilen Labors profitierte auch der Investor der eingangs erwähnten Solarparks. Vertraglich waren er und der Zwischenhändler übereingekommen, dass nur plus-sortierte Ware geliefert wird: Alle Module mussten eine Nennleistung größer als die angegebene Typenleistung haben. Baumgartner konnte schließlich nachweisen, dass manche Module selbst unter Berücksichtigung der Drei-Prozent-Unsicherheit teils deutlich vom zugesagten Spezifikationskorridor abwichen.

Abschätzung der Messunsicherheit bei der Messung mit dem Flasher
QuelleErklärungArt der Verteilung der vom Mittelwert abweichenden MesswerteStandardabweichung (Gaussverteilung), Grenze (rechteckig)Umrechnung auf eine Standard-abweichung
ReferenzmodulGenauigkeit der Leistungsangabe des zur Referenzierung benutzten ModulsGaussverteilung1,00%1,00%
TemperaturMessunsicherheit der Messtechnik und der Temperaturkoeffizienten, die zur Umrechnung auf Standardtestbedingungen dienen.rechteckig0,50%0,29%
Optische Inhomogenität des LichtesMessunsicherheit, weil die Intensität nicht an allen Stellen auf dem Modul gleich ist.rechteckig0,89%0,51%
Fehlausrichtung ModulDieser Fehler tritt auf, wenn das Modul mehr als 1,5 Grad im Vergleich zum Flasher gekippt ist.rechteckig0,60%0,35%
Fehlausrichtung ReferenzmodulUnsicherheit durch kleine Unterschiede des Abstandes des Referenzmoduls und des zu vermessenden Moduls zur Blitzlamperechteckig0,12%0,07%
Elektrische ReproduzierbarkeitBei Wiederholungsmessungen treten Abweichungen auf. Sie sind ein Maß für Messunsicherheit der elektrischen Messtechnik.Gaussverteilung0,18%0,18%
Spektrale FehlanpassungDie unterschiedliche Farbempfindlichkeit des zu vermessenden Moduls und des Referenzmoduls wird zwar rechnerisch berücksichtigt. Diese Unsicherheit bleibt.Gaussverteilung0,50%0,50%
Unbekannte UnsicherheitenAbschätzung durch Vergleichsexperimenterechteckig1,20%0,69%
Gesamtunsicherheit (95 % Konfidenzintervall)3%

Michael Vogel

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