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Stromkonzerne vernachlässigen erhebliche Marktpotenziale

Live vom PV-Symposium: Die Eigenversorgung und Batteriespeicher werden die deutsche Energiewirtschaft auf den Kopf stellen. Holger Krawinkel vom Regionalversorger MVV Energie skizziert der Photovoltaikbranche eine strategische Partnerschaft.

„Photovoltaik wird zum Konsumgut und so selbstverständlich wie der private PKW“, sagte Holger Krawinkel, der beim Mannheimer Energieversorger MVV seit knapp zwei Jahren für Kundenbedürfnisse und Innovation zuständig ist. Zuvor war er bei der Verbraucherzentrale Bundesverband Deutschland als oberster Verbraucherschützer in Energiefragen tätig.

Eine Umwälzung wie seinerzeit das Auto

Krawinkel ist nicht nur der Meinung, dass die Photovoltaik viel stärker ausgebaut werden sollte als zurzeit. Er ist auch davon überzeugt, dass sich dieser Ausbau in den nächsten Jahren stark beschleunigen wird. Die Energiewende wird für die Stromkonzerne so einschneidend sein, wie die Massenproduktion von Autos für die Bedeutung der Eisenbahn. „Das muss die Stromkunden nicht mehr kosten“, ist er überzeugt.

Elektrischer Strom erobert auch Wärmeversorgung und Mobilität

Und: „100 Prozent erneuerbare Energien bedeuten auch 100 Prozent Elektrifizierung“, wirft er in die Diskussion. Denn zur Energiewende gehören auch die Wärmeversorgung und Elektroautos.  Krawinkel sieht mehr denn je die Privathaushalte als Treiber und die Energieversorger vor einem Paradigmenwechsel: „Die neuen Geschäftsmodelle liegen nicht vor, sondern hinterm Zähler – beim Kunden. Die Kunden wollen mehr Unabhängigkeit, Eigenversorgungssicherheit und ihre Elektroautos am liebsten zuhause laden.“ Dieses Marktpotenzial werde zur Zeit von den Anbietern aber bei weitem nicht abgeschöpft.

Krawinkel sieht das Unternehmen MVV Energie für diese Chancen gut gerüstet: „Wir wollen mit den Kunden die Technologie auf den Weg bringen. Dafür müssen wir mehr mit ihnen kommunizieren und eine neue Solarstrategie umsetzen.“

Scharfe Kritik an der Politik

Die Politik hingegen sei noch weitgehend unvorbereitet und deshalb seien von dort auch keine Impulse zu erwarten. Dennoch warnte Krawinkel davor, den Einfluss der Politik zu ignorieren: „Trotz aller Marktwirtschaft sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen sehr wichtig“, meinte er. „Vor allem müssen wir disruptive Änderungen verhindern“. Unausgegorene politische Schnellschüsse haben dem deutschen Photovoltaikmarkt in den letzten Jahren erheblich zugesetzt.

Jede Herdplatte bei der BNA anmelden?

Aber auch der überbordenden Bürokratie erteilte Krawinkel eine Absage: „Einige Regeln sind heute so, als müsste man beim Kauf einer neuen Küche jede einzelne Herdplatte bei der Bundesnetzagentur anmelden“.

Krawinkel will raus aus dem EEG. Er propagiert den Verzicht auf finanzielle Förderung und fordert dafür eine deutliche Anhebung der Bagatellgrenzen und technische Vereinfachungen für Mieterstrom. Zudem: „Wenn die Importbeschränkungen durch Mindestpreise wegfielen, wäre Mieterstrom sofort wirtschaftlich wegen der billigeren Solarmodule“, sagte er. „Die meisten Wohnungsbaugesellschaften wollen das auch.“

Sogar Einbaupflichten kann Krawinkel sich vorstellen: „Im Rahmen von energieneutralen Gebäuden wird die Eigenversorgung zum Standard. Wenn die Kosten dafür moderat sind, ist das gut durchzusetzen.“ (Thomas Seltmann)