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Reiche Ernte vom Gipfel

Die Stromproduktion von Photovoltaikanlagen kann von den Sommer- in die Wintermonate verlagert werden – ohne dabei die jährliche Gesamtproduktion zu verringern. Das zeigt unsere aktuelle Studie The bright side of PV production in snow-covered mountains. Ausschlaggebend für diese Untersuchung an der Technischen Hochschule in Lausanne, kurz EPFL, war die Entscheidung der Schweiz, aus der Kernenergie auszusteigen und bis 2050 die gesamte Stromproduktion des Landes erneuerbar zu betreiben.

In diesem zukünftigen Portfolio wird Solarenergie einen großen Anteil ausmachen. Allerdings führt die typische Installationsweise von Photovoltaikanlagen in Südausrichtung mit einem ertragsmaximierenden Anstellwinkel zu einem Produktionsprofil, welches nicht gut mit der Nachfrage übereinstimmt: In den mittleren Breiten ist der Elektrizitätsverbrauch im Winter wesentlich höher als im Sommer, während Solaranlagen den umgekehrten Trend zeigen: hohe Produktion im Sommer, geringe im Winter. Dies würde zu einem Engpass im Winter führen und entweder große Mengen saisonaler Speicherkapazitäten oder Elektrizitätsimporte aus dem Ausland erfordern. Um beides zu vermeiden, haben wir mithilfe von Satellitendaten und geometrischen Berechnungen untersucht, ob es möglich ist, das Produktionsprofil von Solaranlagen durch ihre geografische Lage und Paneelausrichtung direkt zu beeinflussen.

Ertrag aus Satellitendaten modellieren

Der Siviri (Spinning Enhanced Visible and Infrared Imager) auf den geostationären Meteosat-8-Satelliten misst alle 15 Minuten die Reflexion, die von der Atmosphäre und der Erdoberfläche zurückgeworfen wird. Darauf basierend wird stündlich die Globaleinstrahlung (SIS) mit einer räumlichen Auflösung von 1,25 Gradminuten berechnet. In der Schweiz entspricht das etwa 2,3 Kilometern in Ost-West- beziehungsweise 1,6 Kilometern in Nord-Süd-Richtung.

Die Messung ist speziell für Bergregionen konzipiert und kann gut zwischen Schnee und Wolken differenzieren, was sonst häufig ein Problem ist und im Winter zu einer Unterschätzung der Sonneneinstrahlung führt. Neben der Globalstrahlung werden außerdem noch Direktstrahlung (SISDIR) und Albedo (ALB) oder deutsch Oberflächenreflexion aus den Satellitendaten berechnet. Direkte und diffuse Strahlung müssen separat in die Ebene des Solarpaneels transponiert werden, um die Energie zu berechnen, die der Solaranlage zur Verfügung steht. Abbildung 1 veranschaulicht die einzelnen Schritte dieser Berechnung.

Drei Gründe für mehr Winterstrom

Die Ergebnisse dieser Abschätzungen zeigen, dass die Winterproduktion erheblich gesteigert werden kann, wenn Anlagen in höheren Lagen installiert werden, anstatt – wie bisher üblich – auf Hausdächern im Flachland. Dies hat drei Gründe.

  1. Mehr Strahlung: Je höher man sich hinauswagt, desto weniger Atmosphäre liegt über den Solaranlagen und desto geringer ist die Absorption. Besonders groß ist der Kontrast zwischen Berg und Tal im Winter durch die unterschiedlichen Bewölkungslagen (Abbildung 3). Während das Flachland oft unter einer Wolken- oder Nebelschicht liegt und minimale Einstrahlung erhält, liegen die Berge in strahlendem Sonnenschein.
  2. Mehr Reflexion: Im Vergleich zu Stein, Beton und Vegetation reflektiert Schnee einen erheblich größeren Anteil der Sonnenstrahlung und dementsprechend mehr wird also vom Boden auf die Paneele geworfen.
  3. Steilere Anstellwinkel: Wenn die Solaranlagen steil oder sogar senkrecht montiert werden, trifft die Wintersonne unter einem günstigeren Winkel auf die Paneeloberfläche. Außerdem erhöht sich der Beitrag der reflektierten Strahlung zusätzlich.

Um die Ergebnisse quantitativ etwas anschaulicher darzustellen, haben wir die Stromproduktion in Bergregionen und städtischen Gebieten in Form zweier Modellszenarien gegenübergestellt. Für das Stadtszenario werden fiktive Anlagen in Regionen hoher Bevölkerungsdichte installiert; sie landen also hauptsächlich in den Ballungszentren der nördlichen, tiefergelegenen Schweiz.

Stadt- und Bergszenarien im Vergleich

Für das Bergszenario wurden Orte mit maximaler Winterproduktion gewählt, wobei eine Obergrenze von 2.500 Metern gesetzt wurde, um unrealistische Installationsorte auszuschließen. In jedem Szenario wird so viel Moduloberfläche installiert, dass sich die jährliche Produktion auf zwölf Terawattstunden summiert.

Das entspräche rund der Hälfte der aktuellen Kernenergieproduktion. Um gleichzeitig noch die Konsequenzen einer möglichen Klimaerwärmung zu berücksichtigen, haben wir auch ein Bergszenario ohne Schnee berechnet, indem wir die Oberflächenreflexion konstant auf 20 Prozent gesetzt haben (für Schnee liegt diese normalerweise zwischen 50 und 90 Prozent).

Abbildung 3a zeigt, wie viel Oberfläche für die Produktion oben genannter zwölf Terawattstunden in den verschiedenen Szenarien notwendig wäre und wie diese Oberfläche (Ordinate) als Funktion des Anstellwinkels (Abszisse) variiert. Es ist klar sichtbar, dass die Produktivität in den Bergen höher ist, da für alle Anstellwinkel mindestens zehn Quadratkilometer weniger Oberfläche benötigt werden.

Bei rund 50 Quadratkilometern installierter Paneele entspricht das einer Effizienzsteigerung um etwa 20 Prozent. Für eine steile Ausrichtung kommt noch ein zusätzlicher Gewinn von bis zu 13 Prozent durch den Einfluss der reflektierenden Schneeoberfläche hinzu, welcher durch die Differenz zwischen grüner und blauer Linie repräsentiert wird. Die Winterproduktivität (Abbildung 3b) zeigt eine ähnliche Form der Neigungsabhängigkeit für Stadtgebiete (rote Linie) und schneefreie Berggebiete (grüne Linie), jedoch werden in den Bergen zwischen 6,2 und 9,2 Watt pro Quadratmeter mehr produziert – was einer Produktionssteigerung um die 50 Prozent entspricht.

Module müssen steiler am Berg stehen

Die schneebedingte Erhöhung der Winterproduktion (Differenz zwischen grüner und blauer Kurve) ist zunächst gering, steigt aber bei steilen Neigungswinkeln auf bis zu 5,1 Watt pro Quadratmeter.

Ferner zeigen beide Abbildungen, dass für eine optimale Produktivität die Photovoltaikanlagen in den Bergen steiler eingestellt sein müssen als im Stadt- oder im schneefreien Bergszenario. Während diese beiden Szenarien einen Rückgang der Winterproduktivität für Winkel steiler als 52 Grad zeigen, verbessert sich das Schneeszenario weiter auf bis zu 65 Grad.

Um auch den saisonalen Verlauf der Produktion für diese drei Szenarien zu betrachten, zeigen wir in Abbildung 4 die Produktionsprofile für spezifische Anstellwinkel. Und zwar vergleichen wir den konventionellen Winkel von 40 Grad für das Stadtszenario (rote Linie) mit dem extremen Winkel von 90 Grad für die Bergszenarien (grüne und blaue Linie).

Hier sieht man nun deutlich, wie die Spitzenproduktion von den Sommermonaten in den Winter verschoben werden kann, wenn man steile Solaranlagen in den Bergen installiert, anstatt sie auf Hausdächern in den Niederungen anzubringen.

Wie würde sich eine solche Verlagerung der Solarproduktion auf eine vollständige Ökostromproduktion, wie sie ab 2050 für die Schweiz vorgesehen ist, auswirken? Der letzte Schritt dieser Studie berechnet den zeitlichen Verlauf der Differenz zwischen Produktion und Nachfrage. Hierzu werden historische Zeitreihen für Nachfrage und Wasserkraftproduktion sowie modellierte Windkraft, Geothermie und Solarenergie gegeneinander aufgerechnet (Abbildung 5).

Erzeugung und Bedarf abstimmen

Wie erwartet, zeigt die Abbildung eine negative Differenz zwischen Nachfrage und Produktion im Winter (also ein Produktionsdefizit) sowie eine positive Differenz (Überproduktion) im Sommer. Dies ist der Fall sowohl für Solarstrominstallationen auf urbanen Hausdächern (rot) als auch in Berggebieten (blau) und ist hauptsächlich durch das saisonale Verhalten der Wasserkraft bedingt. Bemerkenswert ist aber, dass sowohl das Winterdefizit als auch die Überproduktion im Sommer auf etwa die Hälfte reduziert werden können, wenn die Solaranlagen in den Bergen platziert werden.

Das Ziel unserer Studie ist es, die räumliche und zeitliche Variabilität der Strahlungseinträge in die Solarstromproduktion abzuschätzen, um deren relative Unterschiede und die Bedeutung der Standortwahl zu veranschaulichen. Sie erhebt nicht den Anspruch, die Stromerzeugung eines spezifischen Paneltyps oder den Netzanschluss an einem bestimmten Ort genau zu simulieren.

Allerdings wurden alle Vereinfachungen der Berechnungen so gewählt, dass sie entweder unabhängig von der geografischen Region sind oder nur Unsicherheiten zugunsten des Stadtszenarios zulassen. Die Analyse ist daher in vielerlei Hinsicht konservativ.

Mehr Akzeptanz durch Information

Es wurden außerdem Vergleiche zwischen modellierter Stromproduktion und existierenden Solarstromanlagen durchgeführt, die eine gute Übereinstimmung der jährlichen Produktionsprofile zeigen. Zukünftige Verbesserungen berücksichtigen unter anderem folgende Faktoren:

  • vorwärtsstreuende Eigenschaften der Schneeoberfläche, welche die Einstrahlung vom Boden auf die Anlagen weiter erhöhen würden,
  • Temperatureffekte, welche die Effizienz der Umwandlung in Elektrizität im Winter und in hohen Lagen verbessern würden,
  • Neigungsverstellungen, um neben der Winterproduktion auch die Sommerproduktion zu optimieren. Für Dachinstallationen ist das in der Schweiz nicht erlaubt und oft auch nicht sinnvoll, in den Bergen wäre dies allerdings möglich,
  • Selbstreinungseffekte sowie das Abrutschen von eventueller Schneebedeckung; für beides sind steilere Paneele von Vorteil,
  • Schattenwurf durch die umgebende Topografie, die zwar bereits berücksichtigt wird, in ihrer Genauigkeit allerdings durch die räumliche Auflösung der Satellitenprodukte begrenzt ist.

Neben den technischen Aspekten könnten noch weitere Unsicherheiten den Erfolg von Photovoltaikanlagen in Berggebieten beeinflussen:

  • Die zukünftige Erwärmung wird wahrscheinlich die Dauer der stark reflektierenden Schneedecke in mittleren und schließlich auch in hohen Lagen verkürzen. Das schneefreie Bergszenario repräsentiert die Obergrenze dieser Entwicklung, zeigt aber, dass auch ohne Schnee der Vorteil der Berglage durch Wolken- oder Nebeleffekte erhalten bleibt.
  • Hoch gelegene Standorte sind generell weniger zugänglich als unsere Dächer und haben möglicherweise keinen direkten Netzanschluss. Doch die Alpenländer verfügen über ein weitläufiges Netz von Zufahrtsstraßen ins Hochgebirge. Skigebiete, Wasserkraftanlagen und Staudämme bietet eine gute infrastrukturelle Basis.
  • Die soziale Akzeptanz von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien variiert stark. Gerade deshalb besteht ein hoher Bedarf an unvoreingenommenen, faktenbasierten Informationen für die breite Öffentlichkeit. Wir hoffen, mit unserer Studie auf das erhebliche Potenzial der Berggebiete aufmerksam zu machen, wo Solarenergie effizient und in einem vorteilhaften saisonalen Rhythmus gewonnen werden kann.

Alle Grafiken: Kahl A, Dujardin J, Lehning M (2019) The bright side of PV production in snow-covered mountains. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) 116 (4) 1162-1167; DOI: 10.1073/pnas.1720808116. Mit freundlicher Genehmigung der Autorin.

www.epfl.ch

Annelen Kahl

ging mit einem Diplom in Physik von der Uni Göttingen ans California Institute of Technology. Sie hat einen Master in Materialwissenschaften und einen Ph. D. in Umweltwissenschaften. An der Uni in Santa Barbara spezialisierte sie sich auf Schneehydrologie und Fernerkundung per Satellit. Seit 2015 forscht sie am EPFL in Lausanne. Seit 2018 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Schweizer Schnee- und Lawinenforschungsinstitut (SLF).

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