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Mieterstrom: Gut geschnurrt, Frau Zypries!

Die Sozialdemokraten sind Meister der Ankündigung. So kündigte der frühere Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) schon 2012 an, die erneuerbaren Energien energisch zu fördern und nach vorn treiben zu wollen. Damals sprach Gabriel auf einer Demonstration am Brandenburger Tor in Berlin – gegen die Kastration des EEG durch die Freidemokraten. Damals war Philipp Rösler (FDP) der zuständige Minister für Wirtschaft. Gabriel dümpelte in der Opposition und ging auf Stimmenfang. Wie diese Sache ausging, wissen wir: Selber Bundeswirtschaftsminister, dachte Gabriel nur an die Kohle. Nun ist er Außenminister der Bundesrepublik, eigentlich ein großes Glück für unsere Branche.

Sozis auf Stimmenfang

Frau Zypries macht es genauso: Auch sie ist auf Stimmenfang, denn die nächsten Wahlen stehen vor der Tür. Mal unter uns: Glaubt in unserer Branche irgendjemand, dass die Mieterstromverordnung wirklich kommt? Und vor allem: Dass sie hilfreich sein wird? Denn im Grunde genommen ist die Sache sehr einfach und hätte längst erledigt sein können: Die EEG-Umlage gehört abgeschafft, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Die Ermächtigung des Bundestages für das zuständige Ministerium liegt bereits vor. Im neuen EEG werden der oder die Bundeswirtschaftsminister und ihre Beamten ausdrücklich aufgefordert, solche Spielräume für solare Mieterstrommodelle zu nutzen. Dass sich Frau Zypries nun auf einen wie auch immer lautenden Beschluss aus der Koalition bezieht, beweist ihren Unwillen oder ihre Unfähigkeit. Längst hätte sie den Auftrag des Bundestages umsetzen können – und müssen.

Fehlender politischer Wille

Ohne die krude Ankündigung „Mieterstrom kommt“ wäre Frau Zypries vorm BEE und tausend Gästen mit leeren Händen aufgetreten. Das kommt gar nicht gut an, erst recht nicht im Wahlkampf, da gilt es jede Bühne zu nutzen. Mal unter uns: Statt sich beim BEE hinters Mikro zu stellen und Phrasen zu dreschen, hätten zwei Stunden gereicht, um eine vernünftige Mieterstromnovelle zu zimmern. Das geht nämlich sehr einfach. Vorausgesetzt, man will den Sonnenstrom tatsächlich in die Städte bringen, will die Stromkosten für Millionen Mieter senken.

Brigitte Zypries ist eine artige Parteisoldatin, Spitzenkader, Funktionärin. Sie wird sich immer der Parteilinie unterordnen, das hat sie in der Vergangenheit stets bewiesen. Das wird auch bis zur Wahl 2017 so sein. SPD-Chef Martin Schulz hat in Brüssel nichts unversucht gelassen, um die erneuerbaren Energien zu torpedieren, nun spielt er innenpolitisch die soziale Karte.

Der Machtpoker des Martin Schulz

Auch das ist reine Ankündigungspolitik. Ihm geht es nur um den Machterhalt für die Sozialdemokraten, zumindest als Juniorpartner in einer weiteren Groko, besser noch als Bundeskanzler. Wirkliche Reformimpulse sind von ihm nicht zu erwarten. In der europäischen Politik hat er keinerlei Hang zur Veränderung gezeigt, im Gegenteil: Die intransparente Politik von Leuten seines Schlages hat die Europäische Union tief gespalten. Schulz ist ein Parteibürokrat, wie Sigmar Gabriel und Brigitte Zypries – die beste Werbung, die sich eine AfD wünschen kann.

Wahrscheinlich können wir froh sein, wenn keine Mieterstromverordnung aus dem Bundeswirtschaftsministerium kommt. Man achte auf die Wortwahl: Frau Zypries sprach weder von einem neuen Gesetz noch von einer Verordnung aus dem Ministerium, sondern lediglich von Eckpunkten, auf die man sich geeinigt habe. Offenbar will sie neue bürokratische Hürden errichten, vielleicht noch ein Gesetz mit hundert Seiten und mehr, das kein Mensch versteht, nicht einmal die Beamten selber. Noch mehr Futter für Bürokraten, Anwälte, Clearingstellen und Gerichte. Handfeste Förderprogramme wie in Nordrhein-Westfalen bringen das drängende Thema viel besser voran, als ein weiterer Papiertiger aus dem Groko. Gut gebrüllt, Frau Zypries. Sie haben alles richtig gemacht. Ihr Parteichef darf zufrieden sein. Vermutlich wird man Sie im Herbst mit einem neuen Amt belohnen. Von dem Sie auch keine Ahnung haben.

Dennoch kommt der Mieterstrom

„Mieterstrom kommt“ – dennoch. Weil die Preise für Photovoltaik weiter fallen und weil sich die Menschen in diesem Lande nicht mehr bevormunden lassen. Weil sich die dezentrale Energieversorgung und die Digitalisierung verbinden, Stichwort: smarte Zähler und Blockchain. Weil sich die Energiewende nicht aufhalten lässt, weil sie nicht mehr davon abhängt, ob Brigitte Zypries oder Sigmar Gabriel oder Martin Schulz dagegen sind oder dafür.

Irgendwie kann oder will es die politische Riege nicht verstehen: In ihrer letzten Konsequenz ist die Energiewende eine gigantische Unabhängigkeitsbewegung. Die Menschen wollen sich unabhängig machen: von monopolisierten Konzernen, von phrasendreschenden Politikern, von den Bürokraten und vom Staat. Obendrein ist die Energiewende ohne Alternative. Da gehen nicht nur alte Großkraftwerke, Stromtrassen und Energiekonzerne über den Jordan. Auch für Politikerinnen und Politiker des alten Schlages läuft die Zeit ab. Der Wandel ist grundsätzlicher Natur. Freilich, auch Frau Zypries ist lernfähig, vielleicht lernfähiger als ihr Vorgänger im Amt. Warten wir es ab. Doch viel wichtiger ist: Bringen wir gemeinsam den Mieterstrom voran, egal, was die Bürokraten wann oder wo auf den Tisch legen.