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CIS überholt Poly

D as vergangene Jahr war schwierig für die Solarbranche: Es brachte manche Negativmeldung in die Schlagzeilen. Schüco und Schott stiegen aus der Fertigung von Solarmodulen aus, Bosch häufte Rekordverluste mit seiner Solarsparte an. First Solar, der Branchenprimus, schloss sein modernes Werk in Frankfurt (Oder). Rund 1.300 Leute verloren ihren Job.

Der Katzenjammer ist ein handfester „Erfolg“ der schwarz-gelben Regierungspolitik, die ausgerechnet für die großen Solarkraftwerke den Geldhahn zudrehte. „Auch 2013 wird extrem schwierig. Die abgesenkte Einspeisevergütung für Kraftwerke unter zehn Megawatt macht es uns nicht leichter, bei größeren Kraftwerken gibt es überhaupt keine Vergütung mehr“, sagt Stephan Hansen, einst Vertriebschef bei First Solar und nun Vizepräsident bei Nanosolar in Luckenwalde. „Zusätzlich werden die großen Freiflächenanlagen erschwert, weil das EEG die erlaubten Flächen und die Entfernung des Stromverbrauchers vom Generator limitiert. Auf diese Weise werden der Eigenverbrauch oder das Direktmarketing noch schwieriger.“

Sonnenstrom aus Tinte

Fieberhaft senken die Hersteller ihre Kosten, um gegenüber der kristallinen Konkurrenz wieder Marktanteile zu gewinnen. Zwar haben Dünnschichtmodule (noch) geringere Wirkungsgrade als die kristallinen Siliziummodule. Aber ihre Leistung ist auch bei hohen Temperaturen relativ stabil. Während kristalline Zellen bei heißer Sonne bis zu einem Viertel der Generatorleistung einbüßen, sinkt die Leistung der Dünnschichtmodule kaum ab. Auch sind sie deutlich robuster gegen Verschattung oder ungünstige Sonnenstände. So kann es passieren, dass ein Dünnschichtmodul pro Kilowatt Generatorleistung mehr Stromertrag einfährt als ein kristallines Modul.

Viel einfacher ist die Abscheidung der lichtaktiven Halbleiter, die in nur wenigen Mikrometer dünnen Schichten auf das Glas aufgetragen werden. Nanosolar zum Beispiel nutzt eine Tinte aus Kupfer, Indium, Gallium und Diselenid, der spezielle Nanopartikel beigemischt sind. Diese Paste wird auf Aluminiumrollen aufgedruckt. „Es folgen die Dotierung des Halbleiters und ein thermischer Prozess zur Trocknung“, erläutert Stephan Hansen. „Die Zellen werden mit einem Metal-Wrap-Through-Verfahren auf der Rückseite kontaktiert. Anschließend werden sie aus dem flexiblen Aluband geschnitten.“ Nanosolar stellt die Zellen in den USA her, das Werk in Übersee hat eine jährliche Kapazität von rund 100 Megawatt. Die Module werden in Luckenwalde bei Berlin gefertigt. „Wir erreichen sehr geringe Produktionskosten, weil wir kaum Beschichtungstechnik brauchen“, urteilt Hansen. „Die Zellen werden mit Ultraschallschweißrobotern verstringt und zu Modulen komplettiert.“ Die Glas-Glas-Module leisten zwischen 210 und 220 Watt, ihr Wirkungsgrad erreicht derzeit elf Prozent. „Wir werden aber bald eine neue Modulgeneration in die Linie bringen“, stellt Hansen in Aussicht. „Im Labor haben wir bereits 17 Prozent Wirkungsgrad erreicht.“

Bisher flog Nanosolar unter dem Radar der Konkurrenz, spätestens im November wurde die Branche jedoch hellhörig. Denn in Alfarrasi in der spanischen Region Valencia baute Nanosolar ein erstes Kraftwerk mit 10,63 Megawatt auf. Das Kraftwerk produziert im Jahr 16.500 Megawattstunden Strom, das liegt über dem Ertrag eines vergleichbaren Solarkraftwerks aus polykristallinen Zellen. Mehr als 50.000 Module wurden auf einem 26,3 Hektar großen ehemaligen Acker installiert.

Mit Qualität und Design

Ein anderes Beispiel ist Avancis in Torgau. Ungeachtet der Krise in der Solarbranche hat das Unternehmen eine zweite Fabrik mit 80 Megawatt aufgebaut und verfügt in Torgau nun über 100 Megawatt Fertigungskapazität. „Unsere Module leisten zwischen 120 und 135 Watt auf rund einem Quadratmeter Modulfläche. Sie erlauben eine homogene Optik, weil sie schwarz und rahmenlos sind“, erläutert Franz Karg, Technikvorstand von Avancis in Torgau. „Auch die Ränder sind mit einem schwarzen Siebdruck versehen, um die Temperaturhomogenität und Ästhetik zu verbessern. Unsere leistungsstarken Module sind sehr tolerant gegenüber Verschattung und Schwachlicht, sodass die spezifischen Erträge pro Watt Nennleistung sehr hoch sind. Das spielt vor allem bei größeren Anlagen eine Rolle.“

Avancis ist eine 100-prozentige Tochter des Glasherstellers Saint-Gobain. Saint-Gobain ist der weltweit größte Hersteller von Flachglas und Rigips. Avancis kann sich beim Verkauf seiner Solarmodule auf das dichte Vertriebsnetz von Saint-Gobain stützen. Seit zwei Jahren gibt es eine Vertriebspartnerschaft mit dem Mischkonzern Hyundai Heavy Industries, der in Korea ein baugleiches Modulwerk wie in Torgau aus dem Boden gestampft hat.

Krise fordert Opfer

Allerdings geht die Überproduktionskrise in der Solarbranche auch an Avancis nicht spurlos vorüber. „Wir werden die Kapazität des Werkes in Torgau reduzieren, indem wir Kurzarbeit einführen“, bestätigt Karg. „Damit reagieren wir auf die niedrigen Modulpreise, die derzeit keine kostendeckende Produktion erlauben. Aufgrund der generellen Marktlage setzen alle Hersteller ihre Module unter Kosten ab. Wir wollen aber keine unnötigen Verluste anhäufen.“ Deshalb steht auch die Schwesterfabrik in Korea derzeit still. Beide Fabriken können jedoch jederzeit wieder hochgefahren werden.

Der Vorteil der Dünnschichtproduzenten besteht nicht nur darin, dass sie zu geringeren Kosten fertigen als die Hersteller von kristallinen Solarmodulen. Sie brauchen keine Siliziumtiegel, die aufwendig vorgeheizt werden müssen, kaum giftige Prozessgase oder Lötautomaten, in denen das Lot kocht. Deshalb können sie die quasi vollautomatischen Fabriken leichter drosseln und nur so viele Module bauen, wie gerade benötigt werden. Denn gebaut werden die Photovoltaikanlagen mit CIS-Modulen weiterhin. Nicht immer ist es der Wirkungsgrad eines Solarmoduls und sein Preis, die den Käufer interessieren. „Je größer eine Anlage ist, desto wichtiger ist es den Investoren, welche Erträge und Performance Ratio sie erreicht. Da spielt der Wirkungsgrad nicht mehr die wichtigste Rolle“, erläutert Franz Karg. „CIS-Module laufen relativ kühl, denn durch die Backrails werden sie gut hinterlüftet. Die Rails wirken wie Kühlbleche.“ Sogar in Südspanien lag die Betriebstemperatur von solchen Modulen nicht über 70 Grad Celsius. Dadurch sind auch die thermischen Spannungen innerhalb des Moduls deutlich geringer, es gibt weniger Glasbruch. Franz Karg ergänzt: „Unsere CIS-Module sind sehr stabil in ihrer Leistung. Auch weisen sie keine potenzialinduzierte Degradation (PID) auf, wie beispielsweise einige Konkurrenzprodukte. Das sind entscheidende Argumente, die im Markt immer wichtiger werden.“

Avancis setzt die meisten Module in Europa ab. „Mit unseren Modulen sind wir auch im deutschen Markt unterwegs. Wir versuchen, unsere Kunden durch ausgezeichnete Qualität und hohe Ansprüche an die Ästhetik zu überzeugen“, meint Karg. „Wir bieten ein einheitlich schwarzes Modul, das sich sehr gut in die Dächer einpassen lässt. Ästhetische Argumente wiegen vor allem in Ländern wie Dänemark oder Italien schwerer, wo die Anforderungen an das Design höher sind. Im deutschen Markt steigt jedoch auch hier das Qualitätsbewusstsein und der Designanspruch.“

Durchgriff bis zum Glas

Avancis ist einer der wenigen Dünnschichthersteller, der vertikal voll integriert ist. Die Firma bezieht die Substratgläser und das Deckglas vom Mutterkonzern Saint-Gobain, hat somit vollen Durchgriff auf die Qualitätsspezifikationen der Gläser. „Deshalb kommt Glasbruch bei uns praktisch nicht vor, weder in der Fertigung noch im Betrieb der Solaranlagen“, urteilt Franz Karg. „Wir haben keine Verspannungen im Glas, die Gläser sind im Schichtverbund weich gelagert, sie brechen also auch im Betrieb nicht.“

Im Ausland hat Avancis einige große Freiflächenanlagen aufgebaut, davon zum Beispiel acht Megawatt in einem Solarpark in Indien oder Megawattanlagen in Italien. In Deutschland dominiert das Dachgeschäft, wobei Anlagen mit wenigen Kilowatt bis über 200 Kilowatt installiert werden. Darunter sind auch einige architektonisch sehr anspruchsvolle Lösungen.

Nun will Avancis die erste Fabrik in Torgau, die vor vier Jahren mit 20 Megawatt gestartet war, für die Industrieforschung umrüsten. „Zwar steht uns für die Weiterentwicklung unserer Technologie in München eine Pilotlinie zur Verfügung. Diese erlaubt aber nur Substrate bis zu 30 mal 30 Zentimetern Kantenlänge“, berichtet Franz Karg. „Wir bekommen nun mit dem Technology Center in Torgau die Möglichkeit, neue Ideen auf der gesamten Modulgröße zu erforschen und zu entwickeln.“

Ein Gigawatt im Jahr

Avancis erwirtschaftet mehr als die Hälfte seines Umsatzes außerhalb von Deutschland. Der Vertrieb läuft beispielsweise über Raab Karcher, eine Marke von Saint-Gobain. Anders als Nanosolar bedient Avancis vornehmlich private und kommerzielle Solarkunden im Aufdachsegment. Im Geschäft der Großkraftwerke konnte Avancis hierzulande bislang kaum Fuß fassen, was vor allem der geringen Fertigungskapazität geschuldet ist.

Wirklich große Werke für wirklich große Solarparks haben weltweit nämlich nur zwei Hersteller: First Solar in den USA und Solar Frontier, ein japanischer Anbieter von CIGS-Modulen. Seit die Regierung in Tokio im Juli 2012 die Solarförderung drastisch erhöhte, kann sich Solar Frontier über einen blühenden Heimatmarkt freuen. „Wir sind in einer komfortablen Situation“, bestätigt Ichiro Sugiyama, der das Produktmanagement verantwortet. „Wir können uns auf eine starke Auftragsliste stützen.“

Auf den Inseln der aufgehenden Sonne schießen die großen Solarparks derzeit wie Pilze aus dem Boden, weil alle Industrieunternehmen mindestens 15 Prozent ihres Stromverbrauchs aus Solaranlagen beziehen müssen. Im Januar meldeten die Ingenieure im Atsugi-Forschungslabor von Solar Frontier einen Wirkungsgrad von 19,7 Prozent, mehr als die monokristalline Konkurrenz. Es wird einige Zeit dauern, bis sie auch in der Massenfertigung möglich sind. Wann die neuen Module auf den Weltmarkt schwemmen, wollte Ichiro-San beim Tee in einem Berliner Hotel nicht verraten. Derzeit schaffen die Module aus der Fabrik 14,6 Prozent Wirkungsgrad. Das entspricht der Effizienz von polykristallinen Modulen.

Solar Frontiers modernes Werk im südjapanischen Miyazaki stößt im Jahr zehnmal mehr Solarmodule aus als Avancis in Torgau oder Nanosolar in den USA. Es ist die erste echte Gigawattfabrik der Welt. Vor wenigen Monaten brachten Solar Frontier und der bayerische Kraftwerksprojektierer Belectric im brandenburgischen Bochow ein großes Solarkraftwerk ans Netz. Fast 205.000 CIS-Paneele wurden installiert, insgesamt 28,8 Megawatt. Belectric und Solar Frontier haben das Joint Venture PV CIStems gegründet, um die neuen CIGS-Module weltweit in Solarparks zu verbauen.

Gewerbliche Dächer im Blick

Auch in den USA ist Solar Frontier sehr erfolgreich: Für den Projektierer Enxco liefern die Japaner insgesamt 150 Megawatt CIS-Module. Enxco plant und baut das Solarprojekt Catalina im Kern County in Kalifornien. In Deutschland konzentrieren sich die Japaner vor allem auf gewerbliche Dächer mit ungünstigen Lichtverhältnissen, auf denen die CIS-Module ihre Vorteile gegenüber kristallinen Paneelen voll ausspielen können.

Die Dünnschichtmodule aus Kupfer-Indium-Verbindungshalbleitern scheinen zumindest in Deutschland im Rennen zu bleiben. Denn aus der Konsolidierung könnten gerade die Produzenten von CIS-Modulen gestärkt hervorgehen. Im Zuge der Insolvenz hatte Q-Cells seine CIGS-Tochter Solibro verkauft. Solibro war das Filetstück, seine CIGS-Module sehr begehrt. Dort stieg die chinesische Hanergy Holding ein. Der Verkaufsvertrag wurde Mitte 2012 im Hauptquartier von Hanergy in Peking unterschrieben. Die Fertigung der Dünnschichtmodule in Thalheim soll nun auf 100 Megawatt erhöht werden, sämtliche Mitarbeiter wurden übernommen. Auch das Management blieb in Amt und Würden.

Silizium am stärksten unter Druck

Keine Frage: Der Preisverfall bei den kristallinen Siliziummodulen hat auch die Dünnschichtbranche unter Druck gesetzt. Denn Solarmodule aus polykristallinem Silizium werden derzeit förmlich verschleudert. Um ihre Produkte verkaufen zu können, müssen auch die Dünnschichtanbieter dieses Rennen mitmachen. Am ärgsten erwischte es die Module aus hauchfeinen Siliziumschichten, deren Wirkungsgrade von acht oder neun Prozent das untere Ende der Fahnenstange markierten. Schüco schloss seine deutschen Werke, auch Schott Solar machte Linien dicht. Die wenigen Aufträge übernimmt derzeit Masdar PV in Ichtershausen bei Erfurt.

Der arabische Hersteller kombiniert unstrukturierte (amorphe) Siliziumschichten mit mikrokristallinen Beschichtungen. Auf diese Weise entstehen sogenannte mikromorphe Module, deren Wirkungsgrad bei elf Prozent liegt. Masdar PV hatte vor wenigen Monaten in der Nähe von Gotha einen Solarpark mit 11,7 Megawatt Leistung errichtet. Auf einem ehemaligen Militärgelände wurden über 17.300 mikromorphe und amorphe Siliziumdünnschichtmodule installiert, von denen jedes 5,7 Quadratmeter groß ist.

Der Berliner Modulhersteller Inventux konnte die Insolvenz erfolgreich abschließen: Die Firma wurde von südamerikanischen Investoren übernommen. Inventux betreibt ein Modulwerk im Berliner Stadtteil Marzahn und deckt die gesamte Palette von Anlagen ab: Freiland, Flachdach und Schrägdach. Nach der Neuausrichtung konnte Inventux einen dicken Auftrag in Chile an Land ziehen: Das Unternehmen liefert drei Megawatt für einen Solarpark im sonnenreichen Norden des Landes. Inventux und sein chilenischer Partner hatten das Solarfeld in der Wüste entwickelt. „Besonders das exzellente Temperaturverhalten unserer Module bei extremer Einstrahlung und hoher Temperatur sowie der einfache und doch innovative Modulaufbau ohne störenden Aluminiumrahmen führen zu sehr guten und verlässlichen Erträgen“, sagt Christian Plesser, Geschäftsführer von Inventux Solar Technologies. Für die kommenden Monate sind weitere Projekte in Chile und weiteren Ländern Südamerikas in Planung.

Neues Forschungsprojekt

Solarerträge weltweit messen

Ein mehrjähriges Forschungsprojekt untersucht den Energieertrag von Dünnschichtsolarmodulen in verschiedenen Klimaregionen weltweit. Die Forschungen von TÜV Rheinland gemeinsam mit der Universität Oldenburg und dem Forschungszentrum Jülich sollen die Frage beantworten, inwieweit sich klimatische Faktoren auf den Ertrag der Module auswirken. Dazu bauen die Wissenschaftler fünf Testfelder auf, vergleichen die Erträge und entwickeln Modelle zur Ertragsprognose.

Die Testanlagen entstehen beim TÜV in Köln, im italienischen Ancona (Mittelmeerklima), in der Wüste von Arizona, im tropischen Chennai (Indien) sowie im japanischen Yokohama, das in subtropischem Klima liegt. Analysiert werden die Besonderheiten der verschiedenen Dünnschichttechnologien im Hinblick auf Klimaeffekte, saisonale Effekte, Schwachlichtverhalten, Temperaturverhalten sowie Spektralverhalten. Auch die Stärken und Schwächen gegenüber kristallinen Modultechnologien werden analysiert. Das Projekt läuft bis Herbst 2016.

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