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Energiegenossenschaften gewinnen an Bedeutung

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Energiegenossenschaften weiter angestiegen. Als größte Hürde beim Engagement für die Energiewende sehen deren Mitglieder die ungünstigen politischen Rahmenbedingungen, vor allem bei der Direktvermarktung des Stroms.

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Energiegenossenschaften in Deutschland auf 656 weiter gestiegen. Inzwischen haben deren 136.000 Mitglieder fast 1,2 Milliarden Euro in Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien investiert. Das ist das zentrale Ergebnis einer aktuellen Umfrage, die der Deutsche Genossenschafts- und Raifeissenverband (DGRV) zwischen Januar und März dieses durchgeführt hat. Von allen Energiegenossenschaften in Deutschland haben sich 213 an der Befragung beteiligt.

Mit wenig Geld dabei

„Die Zahlen belegen die große Bedeutung der Energiegenossenschaften bei der dezentralen Energiewende“, betont Eckhardt Ott, Vorstandsvorsitzender des DGRV. „Die Energiegenossenschaften sind eine Möglichkeit auch für Leute mit kleinem Geldbeutel, sich an der Energiewende zu beteiligen.“ Immerhin beträgt die Mindesteinlage pro Mitglied bei 24 Prozent der neu gegründeten Genossenschaften zwischen zehn und 100 Euro. Die Durchschnittliche Mindestbeteiligung beträgt 692 Euro. Bei mehr als zwei Dritteln der neu gegründeten Energiegenossenschaften ist bereits eine Beteiligung mit weniger als 500 Euro möglich. „Wenn auch unbetuchte Menschen ihr Geld in Energiegenossenschaften investieren, ist das außerdem ein Zeichen für das hohe Maß an Akzeptanz der Energiewende“, ergänzt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes für Solarwirtschaft (BSW Solar), während der Vorstellung der Umfrageergebnisse in Berlin.

Interesse lässt nicht nach

Allein bei den Mitgliedsverbänden des DGRV wurden 150 neue Energiegenossenschaften gegründet. Das sind weniger als im Jahr 2011 als der Verband noch 167 neue Energiegenossenschaften registrierte. Das bedeutet aber nicht, dass das Interesse nachlässt, Denn die Gesamtzahl der Mitglieder aller Genossenschaften ist 2012 um 67 Prozent angestiegen. „Inzwischen gibt es so viele Energiegenossenschaften, dass es für die Menschen, die sich beteiligen wollen, nicht mehr die Notwendigkeit gibt, eine neue Energiegenossenschaft zu gründen, sondern sich in eine bestehende Genossenschaft einzubringen“, erklärt Ott. Das zeigt auch der Vergleich der Verteilung der Mitglieder bei der Gründung der Genossenschaften und zum Zeitpunkt der Befragung. Denn mit 70 Prozent Anteil haben die Genossenschaften bei ihrer Gründung weniger als 50 Mitglieder. Nur neun Prozent starten mit mehr als 100 Mitgliedern. Dieses Bild ändert sich im Laufe der Zeit. Denn zum Befragungszeitpunkt haben 63 Prozent der Energiegenossenschaften mehr als 100 Mitglieder. Der Anteil der kleinen Energiegenossenschaften mit weniger als 50 Mitgliedern sinkt auf 13 Prozent.

Hauptsächlich Privatpersonen engagiert

Die genossenschaftliche Organisation ist vor allem für Privatpersonen attraktiv. Deren Anteil an der Gesamtheit der Mitglieder beträgt 92 Prozent. Mit jeweils drei Prozent des Mitgliederanteils sind Landwirte sowie Unternehmen und Banken nur wenig interessiert an den Energiegenossenschaften. Kommunen, öffentliche Einrichtungen und Kirchen machen einen Anteil von gerade zwei Prozent aller Mitglieder aus. Das geringe Interesse dieser Akteure liegt wahrscheinlich an der vergleichsweise geringen Dividenden, die die Energiegenossenschaften auszahlen. „Im Vordergrund der Beteiligung an einer Energiegenossenschaft steht nicht ausschließlich die Renditeerwartung, sondern die Motivation ist eine Mischung aus Rendite und der Möglichkeit, die Energiewende selbst mitzugestalten“, weiß Eckhardt Ott. „Außerdem beträgt das Durchschnittsalter der Energiegenossenschaften in Deutschland etwa 2,5 Jahre. Viele der noch jungen Genossenschaften haben entschieden, erst einmal in die Investitionsphase zu gehen und die Renditeausschüttung auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.“ Immerhin haben im vergangenen Jahr 60 Prozent der Genossenschaften gar keine Dividende an ihre Mitglieder ausbezahlt. Die Dividende bei den restlichen 40 Prozent lag zwischen 0,8 und sieben Prozent. Im Durchschnitt haben diese Genossenschaften etwa vier Prozent Dividende an ihre Mitglieder ausgeschüttet. Eines haben allen Energiegenossenschaften gemeinsam: Sie reinvestieren hohe Summen aus den Gewinnen in neue Anlagen. Dabei beträgt der Eigenkapitalanteil durchschnittlich immerhin 52 Prozent. Mehr als die Hälfte der neu gegründeten Energiegenossenschaften startet sogar ganz ohne Fremdkapital, was sich aber im Laufe der Zeit relativiert. Nach kurzer Zeit finanzieren nur noch ein Viertel der Genossenschaften ihre neuen Anlagen komplett selbst. Mehr als die Hälfte des Fremdkapitals stammt aber wiederum von Genossenschaftsbanken. Ein Drittel der Mittel für den Bau von neuen Anlagen beziehen die Energiegenossenschaften aus staatlichen Fördermitteln.

Schwerpunkt hat sich verlagert

Inzwischen hat sich der Schwerpunkt dieser Investitionen allerdings geändert. Während die Energiegenossenschaften bis zum vergangenen Jahr hauptsächlich ihr Geld in den Bau von  Photovoltaikanlagen gesteckt haben, geben inzwischen 41 Prozent der befragten Genossenschaften an, stärker in Windanlagen investieren zu wollen. Allerdings liegt das Hauptaugenmerk immer noch auf Solarstrom. Denn mehr als die Hälfte der Genossenschaftsgelder sollen in Photovoltaikanlagen fließen.

Zusammenarbeit mit den Stadtwerken

Hohe Hürden sehen die Energiegenossenschaften vor allem in den politischen Rahmenbedingungen. Denn inzwischen erzeugen ihre Anlagen mehr Strom als die Mitglieder selbst verbrauchen. „Jedes zehnte Mitglied einer Energiegenossenschaft beliefert Dritte. Er wird also vom Stromerzeuger zum Stromversorger“, rechnet Carsten Körnig vor. Immerhin verkaufen schon zehn Prozent der Energiegenossenschaften ihren Strom schon selbst. Weitere 52 Prozent planen die regionale Direktvermarktung. „Die Energiegenossenschaften demokratisieren damit nicht nur die Stromerzeugung, sondern auch die Stromvermarktung“, sagt Körnig. Allerdings müsse die Politik die Rahmenbedingungen für die Direktvermarktung verbessern, kritisiert Eckhardt Ott. Denn es sind vor allem die gesetzlichen Hürden, die nach Ansicht der Energiegenossenschaften einem direkten Verkauf des produzierten Stroms im Wege stehen. Deshalb haben sich schon 28 Prozent der Energiegenossenschaften mit den örtlichen Stadtwerken zusammengetan. Für weitere 42 Prozent ist das zumindest eine attraktive Option. (Sven Ullrich)