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Jeder hat die Wahl

Denn übersehen wird oft auch, dass die kontraproduktiven Entscheidungen und Vorschläge aus der Regierungskoalition für die alteingesessenen Industrien in Deutschland mit erheblichen Konsequenzen verbunden sind. Denn nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Solarindustrie steht auf dem Spiel. Es geht um die Konkurrenzfähigkeit der Energiewirtschaft schlechthin, wobei ich die großen Energieversorger ausdrücklich einbeziehe. Man gaukelt den Konzernen und den Bürgern vor, dass es mit großzügiger Unterstützung aus Berlin möglich sein könnte, die Energieversorgung in Deutschland beispielsweise aus großen Offshore-Windparks zu speisen.

Die ökonomischen Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache: Die Verluste aus diesem Geschäft gehen für RWE, Eon oder Vattenfall in die Milliarden, trotz der Übernahmen enormer Risiken durch die Gesellschaft. Da wird ein Geschäftsmodell – und ein Politikmodell – verfolgt, das keine Zukunft hat. Wer heute noch an großen Kraftwerken mit Brennstäben, Kohle oder Offshore-Windkraft festhält, wird ökonomisch verschwinden. Die Zeit der Dinosaurier ist vorbei.
Es geht aber auch um die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft insgesamt. Deutschland ist arm an Rohstoffen, immer mehr Kapital wird für den Ankauf von Brennstoffen (Kohle, Erdöl, Uran) aufgewendet und gebunden. Das spüren die Unternehmen, das spüren die öffentlichen Haushalte der Gemeinden, Städte, Bundesländer und des Bundes. Nur die erneuerbaren Energien bieten einen Ausweg aus dieser Misere. Ihr preisdämpfender Effekt macht sich bereits heute an der Strombörse bemerkbar. Wer sich das nicht klar macht, schadet der deutschen Wirtschaft.
Auch ich bin Bürger dieses Landes, und ich erwarte, dass die politisch Verantwortlichen endlich zu ihrer ursächlichen Aufgabe zurückkehren: Sie müssen die Gesellschaft am Leben erhalten und ihre Spielräume erweitern. Sauberer und preiswerter Strom ist eine Daseinsbedingung für das demokratische Gemeinwesen. Denn die Geschichte der Menschheit und ihres politischen Systems ist die Geschichte der Verfügbarmachung von Energiequellen: Land, Lebensmittel, Rohstoffe, Wärme und Elektrizität. Es kann nicht darum gehen, die Atomindustrie zu retten, denn sie ist bereits tot. Das will doch kein Mensch mehr.

Ich erwarte, dass wir endlich darüber reden, welche Energieversorgung und welcher Mix künftig am besten für Deutschland ist. Nicht für die Energiekonzerne, die Banken oder einzelne Branchen der Industrie. Eine politische Kaste, die sich dieser Aufgabe nicht stellt, ist überflüssig.

Weder Kanzlerin Merkel (CDU), noch ihr „Schwarzer Peter“ Altmaier noch SPD-Frontmann Peer Steinbrück scheinen sich der Tragweite ihrer Entscheidungen und Vorschläge bewusst zu sein. Im Gegenteil: Unverblümt erledigen sie die Lobbyarbeit für die großen Energiekonzerne. Altmaiers „Strompreisbremse“ ist ein Euphemismus, weil sie die preistreibenden Strukturen der Energiemonopole unangetastet lässt. Und Peer Steinbrück diskreditiert Menschen, die Solarstrom in ihrem Haus oder in ihrer Firma selbst nutzen, als „Sozialschmarotzer“. Ich halte das für eine unerhörte politische Entgleisung. Ich empfehle Victor Klemperers „LTI – Die Sprache des Dritten Reiches“, dort sind die etymologischen Wurzeln solcher Floskeln sehr gut analysiert.
Ich schlage vor, über die erneuerbaren Energien künftig sachlich zu diskutieren. Lassen Sie uns über die Chancen sprechen. Deutschland hat so viele kluge, kreative Köpfe, die sich diesem Thema widmen. Und es werden immer mehr. Wir sollten vor allem ermöglichen, die erneuerbaren Energien zu nutzen. Von mir aus auch ohne Einspeisevergütung. Wichtig sind die Priorität bei der Netzeinspeisung und der Umbau der Stromnetze zu einem freien, demokratischen Handelsplatz, nach dem Vorbild der Liberalisierung in der Telekommunikation. Das wäre ein marktwirtschaftlicher Zugang. Allerdings fürchte ich, das wird weder mit Frau Merkel  noch mit Herrn Steinbrück möglich sein. Erst recht nicht mit den Freidemokraten, die das alte System der Energieversorgung unverhohlen protegieren. Als ob man es festhalten könnte.

Die größten Länder Asiens, die USA, Brasilien und Südafrika entwickeln die Energieversorgung aus Wind und Sonne stetig weiter, überholen sogar Deutschland. Weil sie die Chancen erkennen. Die Lawine rollt, und die Frage ist nur, ob die widerstrebenden politischen Kräfte warten wollen, bis sie darunter begraben werden. Immer mehr Kommunen und Städte, immer mehr Unternehmen und Organisationen wollen sich selbst aus Sonnenstrom und Sonnenwärme, sogar mit Kleinwindrädern versorgen. Das ist nicht mehr zu stoppen.

Das Neue setzt sich nur im Widerstand gegen das Alte durch, und da scheint mir gerade in unserer Zeit sehr viel in Bewegung zu sein. Alle ökonomischen Zahlen weisen daraufhin, dass die dezentrale Energieversorgung vielleicht zu verzögern, aber nicht mehr zu verhindern ist. Dennoch: Wir dürfen nicht nachlassen. Denn angesichts der Klimakatastrophe und der zunehmenden Armut auf der Erde brauchen wir die Energiewende möglichst schnell. Es geht ums Ganze. Dafür lohnt es sich doch, Flagge zu zeigen. Jeder hat die Wahl, auf welcher Seite er steht.