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Die Hand am Zähler

Von den meisten unbemerkt, hat sich in Deutschland eine kleine Revolution ereignet: Seit 2013 dürfen die Stromkunden im Niederspannungsnetz unabhängige Dritte damit beauftragen, Stromzähler einzubauen und abzulesen. Damit wurde ein jahrzehntealtes Monopol der Netzbetreiber aufgebrochen. Neue Zähler lassen sich zu Kosten einbauen, die nicht selten unter den Zählerkosten der Netzbetreiber liegen. Auch der Netzbetreiber darf nunmehr Dritte beauftragen, die Zähler einzubauen, auszuwerten und abzurechnen.

Soll heißen: Der Solarkunde darf seinen Installateur beauftragen, den Einbau kostengünstiger Zähler zu prüfen, zu planen und zu erledigen. Er muss den Netzbetreiber davon in Kenntnis setzen, benötigt jedoch nicht dessen Erlaubnis. Vor allem bei landwirtschaftlichen Betrieben oder im Gewerbe kann sich der Zählertausch lohnen, vor allem, wenn mehrere Messstellen registriert sind.

Kaskadierendes Messkonzept

Diese Chance ermöglicht den Installateuren ein neues Geschäftsfeld. Zudem gewinnen die Zähler und Messkonzepte an Bedeutung, wenn es um die Erschließung zusätzlicher Dächer für die Photovoltaik geht. „Ein Beispiel sind die Gebäude, bei denen die Kunden bereits volleinspeisende Anlagen auf dem Süddach haben“, sagt David Muggli von der Priogo AG in Zülpich. „Diese Anlagen wurden zwischen 2009 und 2013 errichtet. Weil sie so gute Erfahrungen gemacht haben, sind diese Kunden gern bereit, weitere Generatoren zum Eigenverbrauch zu installieren, etwa nach Osten, Westen oder gar zur Nordseite.“ Priogo ist auf anspruchsvolle Solaranlagen spezialisiert, David Muggli ist der Chef.

In seinem Team gibt es einen Experten für Messkonzepte. Er hat eine Zählerverschaltung entwickelt, die als sogenannte kaskadierende Messung von der EEG-Clearingstelle geprüft und bestätigt wurde. Damit lassen sich einspeisende Anlagen mit Eigenverbrauchsanlagen verknüpfen, ohne dass am Einspeisepunkt mehr Energie ins Netz fließt als vorher. „Die jüngere Anlage für den Eigenverbrauch wird vorrangig genutzt“, erläutert David Muggli das Prinzip. „Zwei Zweirichtungszähler werden kaskadierend hintereinander geschaltet, damit am Anschlusspunkt nicht mehr Strom ankommt als vorher.“ Die Anlage zum Eigenverbrauch muss sehr gut auf den Bedarf im Gebäude (Lastgang) abgestimmt sein. „Das ist zum Beispiel bei Gebäuden mit hohem Kühlbedarf möglich“, sagt Muggli. „Das klappt auch ohne zusätzlichen Stromspeicher.“

Zwei Zähler mit zwei Richtungen

Auch muss die Anlage nicht abgeregelt werden, wenn die Netzspannung oder die Netzfrequenz zu hoch sind. „Bislang haben die Energieversorger nur einen Zweirichtungszähler erlaubt“, präzisiert Sebastian Pönsgen, bei Priogo für die IT und das operative Geschäft zuständig. „Ein zweiter war nicht möglich.“ Er hat die kaskadierende Messung, auch als Messkonzept 6 bekannt, vorbereitet und bei der Clearingstelle eingereicht. Die Gutachter in Berlin nahmen sie in ihren Hinweis vom 22. November 2013 auf (Punkt 3.6), damit sind solche kaskadierenden Messungen nun bundesweit anerkannt. „Den zweiten Zählerplatz braucht man für die Messung der Teilströme für das Netz und Eigenverbrauch“, erklärt Pönsgen. „Die Clearingstelle ist unserem Vorschlag gefolgt. Zusätzlich wurde die RLM-Messung erlaubt.“

Unter RLM versteht man die resultierende Lastgangmessung. Dieser spezielle Zähler funkt alle 15 Minuten die Verbrauchsmeldung an den Energieversorger. Im Zählerschrank verfügt die RLM über einen eigenen Zähler, der die Daten per GSM zum Netzbetreiber schickt. Pflicht ist die RLM nur bei Photovoltaikanlagen mit mehr als 100 Kilowatt Nennleistung. Auch wird RLM eingesetzt, um Spitzenlasten bei kleineren Betrieben oder Krankenhäusern zu ermitteln. Für kleinere Solargeneratoren üblich sind bisher der normale Zähler und die Abrechnung über ein sogenanntes Standardlastprofil (SLP).

Zusätzlicher Generator möglich

Werden beispielsweise ein BHKW und eine Photovoltaikanlage gemeinsam betrieben, ist die kaskadierende Zählung unumgänglich. „Mit dem Messkonzept 6 kann man beliebig komplex bauen“, sagt Sebastian Pönsgen. „Die kaskadierende Schaltung braucht man immer, wenn ein zweiter Generator angeschlossen ist. Da kann man bestehende Dächer viel besser zusätzlich belegen.“

Kommt noch ein Stromspeicher hinzu, empfiehlt sein Chef eine AC-geführte Batterie. „Man kann einen zweiten oder gar dritten Generator wie ein BHKW oder ein Windrad besser einbinden“, sagt David Muggli.

AC-geführt und unabhängig

DC-geführte Batterien kann man nur direkt aus dem Generatorkreis der Photovoltaikanlage speisen. Der Laderegler setzt die Solarspannung auf 48 oder 96 Volt um. Der Wechselrichter ist der Batterie nachgeschaltet.

Oder man zapft den Zwischenkreis im Wechselrichter an, wie es Fronius bei der neuen Hochvoltbatterie (300 Volt) macht. Rotierende Generatoren wie kleine Gasturbinen oder Windräder geben Wechselstrom ab, auch wenn der drehzahlabhängige Wechselstrom aus dem Windgenerator zunächst in Gleichstromimpulse zerhackt wird. Danach setzt ihn der Umrichter in netzkonformen Wechselstrom um. AC-geführte Batterien nehmen keine Rücksicht auf den Wechselrichter, sie laufen davon unabhängig.

Bauen ohne KfW

David Muggli will möglichst viele Installateure ermutigen, die Möglichkeiten der erneuerbaren Generatoren im Auftrag ihrer Kunden auszureizen. „Wir veranstalten regelmäßig Themenabende, um den Leuten zu zeigen, was alles möglich ist“, berichtet er. „Wir erklären Solarstrom und BHKW, Solarstrom und Wärmepumpe, Solarstrom und Speicher. Das kommt sehr gut an. An einem Abend habe ich acht Stromspeicher verkauft. Gänzlich ohne Förderung durch die KfW.“

https://www.clearingstelle-eeg-kwkg.de/