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“Lücken in den Normen schließen“

Unser Augustheft hatten wir der Sicherheit von Lithium-Ionen-Speichern gewidmet. Das ist Thema ist brandaktuell, wie die Meldungen der Feuerwehren beweisen. Laufen auch bei Ihnen Anfragen und Anregungen ein?

Thomas Timke: Gehen wir von unserer Checkliste aus, mit der das Karlsruher Institut für Technologie vor der Intersolar an die Öffentlichkeit gegangen ist. Sie hat für Aufregung gesorgt, etliche Rückfragen und Vorschläge sind bei uns zu diesem Thema eingegangen. Häufig war unklar, dass hinter den meisten Punkten der Checkliste elektrochemische Anforderungen stehen. Auch wenn sich die Liste elektrotechnisch liest. Doch im rein elektrotechnischen Bereich, wie zum Beispiel bei der Isolation oder elektromagnetischen Verträglichkeit, sind die bestehenden Vorgaben überwiegend klar

Können Sie dafür Beispiele nennen?

Lücken in der Normierung bestehen beispielsweise, wenn eine Lithium-Ionen-Zelle außerhalb ihres Betriebsfensters betrieben wurde. Dann verändert sie sich elektrochemisch, wird bei weiterem Betrieb unsicherer und kann versagen. Das betrifft die Punkte 2, 3, 4 und 6 der Checkliste, bei denen es um die Überwachung beziehungsweise Einhaltung der zellspezifischen Betriebsfenster sowie um die Abschaltung nach Zellschädigung geht. Auch ist das Gefährdungspotenzial im Versagensfall so hoch, dass die sichere Abschaltung mindestens die Kriterien der Einfehlersicherheit erfüllen müssten, bezogen auf die Abschaltelemente und deren Ansteuerung. Das gilt für die Punkte 1, 2, 3, 5 und 7 der Liste. Diese Punkte sind für ein eigensicheres Batteriesystem wichtig. Man kann sie unter Umständen in einem Gesamtsystem mit einem Umrichter auch teilweise anders lösen.

Die redundante Abschaltung muss sowohl für DC- als auch für AC-geführte Batteriesysteme möglich sein. Gibt es an dieser Stelle einen Unterschied?

Dazu hat sich eine gewisse Debatte entwickelt, bei der es hauptsächlich um eine mögliche Überladung der Batterie durch defekte Leistungshalbleiter bei DC-DC-Stellern, speziell Tiefsetzstellern, geht. Bei der redundanten Abschaltung geht es generell um eine sichere Abtrennung, die dem Gefährdungspotenzial falsch betriebener Lithium-Ionen-Zellen angemessen ist.

Was verstehen Sie darunter?

Die Abschaltung sollte bei Systemen mit mehreren Kilowattstunden Kapazität nicht auf einem einzigen Relais oder dessen Ansteuerung beruhen, schon gar nicht auf einem einzigen Halbleiterschalter.

Warum müssen auch AC-Systeme redundant schalten?

Die redundante Abschaltung von DC-geführten Batterien ist meines Erachtens unstrittig. Doch auch bei AC-gekoppelten Systemen ist die Redundanz unverzichtbar, weil die IGBTs der Wechselrichter die Batterie oder einzelne ihrer Zellen durchaus überladen können, ohne dass sie gleich durchbrennen.

Warum ist das gerade im häuslichen Umfeld wichtig?

Die Batterie wird dort aufgestellt, wo Platz ist, wo die Aufstellbedingungen des Herstellers eingehalten werden und die Verkabelung mit dem Hausnetz möglich ist – im Keller oder Hauswirtschaftsraum. Kommt es zum Batteriebrand, ist das Haus gefährdet, mit den Menschen, die sich darin aufhalten.

Immerhin nutzen viele Anbieter die Liste, um ihre Systeme zu überprüfen. Auch wenn es sich nicht um einen offiziellen Standard handelt ...

Das stimmt. Die Checkliste war der Versuch, auf die Lücken sichtbar und aufmerksam zu machen. Uns ging es darum, minimale Anforderungen zu formulieren. Es ist auffällig, dass sich einige Firmen selbst eine Punktzahl attestieren, die bei genauerer Betrachtung nicht unbedingt haltbar ist. Ebenso ist es heikel, wenn auf einigen Webseiten behauptet wird, dass Lithium-Eisenphosphat-Batterien nicht thermisch durchgehen können, also nicht durch den Thermal-Runaway-Effekt, durch Brand, Ausgasen oder andere Fehler gefährdet seien. So eine Fehlinformation können Sie sogar bei Wikipedia lesen.

Wie argumentieren Sie?

Lithium-Eisenphosphat-Zellen sind nicht automatisch sicher und gehören definitiv zu den Lithium-Ionen-Zellen. Bei bestimmten Fehlern sind sie robuster als Zellen gleicher Bauart mit höherer Energiedichte. Aber auch sie enthalten brennbare Bestandteile wie Elektrolyt und Grafit. Die Qualität des Materials und die Verarbeitung müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Man kann unsere Checkliste nicht mal eben so anwenden, ohne die Details des Produkts zu kennen. Sie ist kein Freibrief, sondern ein Denkanstoß, mit dem Thema professionell umzugehen.

Mittlerweile befassen sich auch die Verbände mit der Sicherheit der Lithium-Ionen-Speicher. Wie ist der Stand in der Arbeitsgruppe?

Verschiedene Verbände wollen sich auf einen Schutzzielkatalog einigen. Er soll Lücken in der Normung schließen und neue Anforderungen enthalten. Die erforderlichen Maßnahmen, um die Schutzziele zu erreichen, werden jedoch nicht vorgegeben. Denn es gibt verschiedene technische Lösungen, sie zu erreichen. Der Katalog ergänzt die existierende Normung und die Informationen, die bei der Entwicklung und dem Betrieb von Lithium-Ionen-Batterien in der Photovoltaik berücksichtigt werden sollten

Wer arbeitet neben den Verbänden daran mit?

Unter anderem mehrere Hersteller von Zellen und Batterien, Prüflabore und wir vom KIT. Der Schutzzielkatalog bezieht sich auf Heimspeicher für die Photovoltaik, die aus Lithium-Ionen-Zellen bestehen. Er soll auch auf Englisch erscheinen, für ausländische Anbieter und Lieferanten.

Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.

Thomas Timke

ist Experte für elektrische Energiespeicher und Batterienormung. Von 2007 bis 2010 war er bei der Firma Li-Tec im Business Development und Projektmanagement tätig. Bis April 2013 war er Berater und Projektmanager bei SK aus Korea. Beide Unternehmen sind Hersteller von hochwertigen Lithium-Ionen-Zellen für Automobile und stationäre Anwendungen. Seit Mai 2013 ist er im Forschungsbereich Competence E am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) insbesondere für Transport- und Betriebssicherheit elektrischer Stromspeicher zuständig. thomas.timke@partner.kit.edu

Foto: HS

Ads-Tec

Höchste Anforderungen an gesamte Speicherfamilie

Das schwäbische Unternehmen Ads-Tec setzt bei seinen Lithium-Ionen-Batteriespeichern ein redundantes, mehrstufiges Sicherheitskonzept von der Zelle bis hin zum gesamten Speichersystem ein. „Die Sicherheit unserer Batteriespeicher steht an erster Stelle bei allen unseren Entwicklungen“, sagt Ali Natour. Er leitet die Systementwicklung für Software und für die Elektronik bei Ads-Tec.

Der Entwicklungsprozess ist streng angelehnt an die Sicherheitsnormen IEC 61508 und ISO 26262. „Trotz der derzeit am Markt noch nicht vorhandenen offiziell gültigen Normen für stationäre Batteriespeicher ist die funktionale und elektrische Sicherheit unserer Batteriesysteme durch akkreditierte Prüflabore (VDE) entsprechend zukünftigen Normen geprüft und zertifiziert“, erläutert Natour. Darüber hinaus orientieren sich die Ingenieure an derzeit in der Entwurfsphase befindlichen Normen zur Batteriesicherheit, wie beispielsweise den VDE-Anwendungsregeln VDE-AR-2510-50 und VDE-AR-2510-2.

Ads-Tec engagiert sich in den relevanten Normungsgremien – im Bundesverband Energiespeicher e.V. (BVES) sowie in der Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (DKE). „Nicht zuletzt aufgrund des ständigen Austauschs in der Entwicklung mit den Zellherstellern erfüllt unser Sicherheitskonzept bereits heute weit mehr Anforderungen und Ziele in Bezug auf die Batteriesicherheit, als in den Normen und Anwendungsregeln verlangt werden“, meint Natour.

Die Energiespeicher erfüllen auch die Merkmale der Checkliste für Lithium-Ionen-Heimspeicher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).

Der Anbieter aus Nürtingen bei Stuttgart setzt ausschließlich hochwertige Zellen von Herstellern ein, die schon auf Zellebene relevante Sicherheitsstandards und Zertifikate vorweisen können, wie sie etwa in der Automobilindustrie gefordert sind. Die Zellen erhalten erst dann eine endgültige Freigabe, in die Batteriemodule integriert zu werden, nachdem diese in eigenen Prüflaboren umfangreich getestet und geprüft wurden.

Das Batteriemanagementsystem (BMS) der einzelnen Batteriemodule hat Ads-Tec selbst entwickelt. Es stellt auf mehreren technischen Überwachungsebenen unabhängig voneinander fest, ob für die Batteriezellen sicherheitskritische Bedingungen vorliegen. Das BMS stellt zu jeder Zeit sicher, dass die Zellen im zulässigen Parameterbereich laufen.

Die Speicher für Heim und Kleingewerbe werden als Solarstromspeicher mit Speicherkapazitäten von acht Kilowattstunden bis 25 Kilowattstunden in großen Einfamilienhäusern, kleinen Betrieben oder öffentlichen Einrichtungen eingesetzt. Darüber hinaus können sie zur Abdeckung von Spitzen oder zur Begrenzung der Anschlussleistung direkt an das private Netz angeschlossen werden. Für industrielle Anwendungen sind die Energiespeicher bis zu mehreren Megawattstunden skalierbar und als Batteriecontainer im Format von 20 oder 40 Fuß erhältlich. Alle Batteriespeicher beinhalten ein Energiemanagementsystem, mit dem die Ladeprozesse und Betriebszustände gesteuert werden.

https://www.ads-tec.de/

Technische Universität München

Live-Schaltung ins Innere der Batterie

Lithium-Ionen-Batterien haben die Fähigkeit, viel Energie zu speichern, sind aber vergleichsweise kompakt und leicht. Wenn sich beim Laden der Batterie allerdings metallisches Lithium bildet und ablagert, kann sich die Lebensdauer des Akkus verringern – oder sogar ein Kurzschluss auftreten.

Wissenschaftlern der Technischen Universität München (TUM) ist es gelungen, mithilfe von Neutronenstrahlen einen Blick in die Batterie zu werfen, ohne sie zu zerstören. Ihnen gelang es, den Mechanismus des sogenannten Lithium-Platings aufzuklären.

Die Energiespeicherung in einem Lithium-Ionen-Akku funktioniert, vereinfacht gesagt, nach folgendem Prinzip: Sowohl der Pluspol (die Kathode) als auch der Minuspol (die Anode) haben die Fähigkeit, Lithiumionen zu binden. Während des Ladens zwingt das elektrische Feld die Ionen, von der Kathode zur Anode zu wandern. Beim Entladen dagegen strömen die Lithiumionen wieder zurück zur Kathode, wobei Energie frei wird.

Die Kathode in den Lithium-Ionen-Akkus besteht aus einem Lithium-Metalloxid. Das Standardmaterial für den Minuspol der Batterie ist Grafit (Kohlenstoff), der eine Schichtstruktur aufweist. In diese Schichten lagern sich die Lithium-Ionen während des Ladens ein.

Nun kann es vorkommen, dass die Lithium-Ionen – statt sich wie erwünscht in die Anode einzulagern – metallisches Lithium bilden. Dieses Lithium lagert sich an die Anode an und steht damit zum Teil nicht mehr für den zuvor beschriebenen Prozess zur Verfügung. Das bedeutet, die Leistungsfähigkeit der Batterie ist vermindert. In extremen Fällen kann es sogar zu einem Kurzschluss kommen. Metallisches Lithium ist schnell entflammbar.

Bisher war es nicht möglich, den Mechanismus des Lithium-Platings genau zu beobachten. Wird die Batterie geöffnet, kann immer nur eine Momentaufnahme des Zustands beobachtet werden. Allerdings ändert sich die Menge des metallischen Lithiums laufend. Mithilfe von Neutronenstrahlen konnten die Münchener Wissenschaftler nun die Prozesse in der Batterie live beobachten, ohne diese aufzuschneiden. Erste Ergebnisse ihrer Messungen sind:

  •  Je schneller der Ladevorgang, desto mehr metallisches Lithium wird gebildet. Bis zu 19 Prozent der normalerweise am Lade- und Entladeprozess beteiligten Lithiumionen liegen dabei als metallisches Lithium vor. Die Messung wurde bei minus 20 Grad Celsius durchgeführt.
  •  In einer Pause von 20 Stunden nach einem schnellen Ladevorgang reagiert ein Teil des metallischen Lithiums wieder mit dem Grafit, Lithiumionen lagern sich in die Grafitschicht ein. Es handelt sich sozusagen um einen nachträglichen, langsamen Ladeprozess. Allerdings ist nur ein Teil des Lithium-Platings reversibel.
  •  Tiefe Temperaturen begünstigen die Bildung von metallischem Lithium.

Die Wissenschaftler planen weitere Experimente, die den Mechanismus des Lithium-Platings noch detaillierter aufklären sollen. Diese Ergebnisse könnten dabei helfen, herauszufinden, wie das Phänomen sich so gut wie möglich vermeiden lässt. Hierzu gehört auch die Antwort auf die Frage, wie schnell geladen werden kann, bevor Lithium-Plating einsetzt.

http://www.exzelltum.de

Themendossier

Mehr Praxis: Stromspeicher

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