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Pachten statt kaufen

Der Großhändler Baywa r.e. hat ein Pachtmodell für Photovoltaikanlagen entwickelt. Es eröffnet Installateuren und Stadtwerken neue Wege zum Kunden. Wie das Beispiel Stuttgart zeigt.

Das Prinzip ist ebenso einfach wie vorteilhaft für alle Beteiligten: Regionale Energieversorger wie die Stadtwerke Stuttgart bieten den Hausbesitzern und Bauherren an, einen Solargenerator auf dem Dach zu installieren. Betreiber im Sinne des EEG ist der Eigner der Immobilie. Die Anlage selbst bleibt im Eigentum des Energieversorgers. Er ist während der 25-jährigen Laufzeit des Pachtvertrags verantwortlich für die Funktionsfähigkeit der technischen Komponenten, vom Montagegestellt über die Solarmodule, ihre Verkabelung, die Wechselrichter und die Systemsteuerung.

Damit erhält der Immobilienbesitzer ein Komplettpaket aus Beratung, Installation und nachgelagertem Service. Den selbst produzierten Solarstrom kann er sofort für die Deckung seines Eigenbedarfs nutzen. Dabei ist ihm überlassen, ob er seinen Eigenverbrauch steigert – beispielsweise durch den Einsatz einer Batterie oder einer Wärmepumpe mit Warmwasserspeicher. Der nicht selbst verbrauchte Solarstrom wird ins öffentliche Netz eingespeist.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Energieversorger gewinnt Kunden und investiert in realwirtschaftliche Güter in Form von Photovoltaikanlagen, die ihm monatliche Pachterträge bringen. Der Nutzer der Anlage tut etwas für die Umwelt, indem er Solarstrom selbst produziert. Er tut etwas für das Stromnetz, das er senkt die Stromentnahme und produziert eigenen Strom. Und er tut etwas für sein Energiebudget, denn er spart durch die geringeren Kosten für den Sonnenstrom. Für ins Netz eingespeisten Strom erhält er die Einspeisevergütung – derzeit in Höhe von etwas mehr als zwölf Cent pro Kilowattstunde.

Je mehr Eigenverbrauch, desto günstiger

Dass das Modell umso günstiger ist, je mehr Solarstrom selbst genutzt wird, zeigt eine einfache Rechnung: Der durchschnittliche Strompreis für private Kleinverbraucher liegt derzeit bundesweit zwischen 28 und 29 Cent pro Kilowattstunde. Für eingespeisten Solarstrom aus einer typischen Aufdachanlage bis zehn Kilowatt Leistung gibt es – siehe oben – rund zwölf Cent. Wer also seinen Strom selbst verbraucht, spart pro Kilowattstunde zwischen 16 und 17 Cent. Denn Anlagen bis zehn Kilowatt sind von der EEG-Umlage, der bundesweit gültigen Strafsteuer für Sonnenstrom, befreit.

Auch den anderen Beteiligten bringt das Pachtmodell Vorteile: Baywa r.e. verkauft die komplette Anlagentechnik an die Stadtwerke und Installateure, die sich in diesem Vertriebsmodell treffen. Zusätzlich regt das Unternehmen die Nachfrage nach Wärmepumpen und Batteriespeichern an – Produkte, die ebenfalls zum Portfolio des Großhändlers gehören. Und die Installationsbetriebe, die bei Baywa r.e. kaufen, bekommen zusätzliche Aufträge für den Aufbau der Anlagen.

Soweit die Idee, mit der Tobias Schwarz bei den Stadtwerken Stuttgart vorstellig wurde. Der Energieversorger der baden-württembergischen Landeshauptstadt war erst im Herbst 2011 gegründet worden. Derzeit ist das Unternehmen damit beschäftigt, sich einen eigenen Kundenstamm aufzubauen.

Sonnendächer in Stuttgart

Das Stuttgarter Stadtwerk hat die Aufgabe, vorrangig Ökostrom zu erzeugen und zu vertreiben. Als Lieferanten hatten die Stadtwerke im Februar dieses Jahres die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) gewonnen. Die sogenannten Stromrebellen aus dem Schwarzwald halten an der gemeinsamen Vertriebsgesellschaft 40 Prozent, die übrigen 60 Prozent halten die Stadtwerke Stuttgart.
Erklärtes Ziel des jungen Kommunalversorgers ist es, den elektrischen Strom für alle 303.000 Haushalte in Stuttgart vollständig aus erneuerbaren Energiequellen zu liefern. Die privaten Stromkunden in Stuttgart brauchen im Jahr rund 850 Gigawattstunden pro Jahr. Um dieses Ziel zu erreichen, beziehen die Stuttgarter nicht nur umweltfreundliche Energie von der EWS. Sie bauen auch eigene Generatoren zur grünen Stromerzeugung, vor allem Windrotoren und Solarkraftwerke. Aktuell verfügt das Unternehmen über Erzeugungskapazitäten von mehr als 60 Megawatt.

Gut gestartet

Die Rahmenbedingungen für die Idee der Baywa r.e. waren zweifach günstig: Zum einen waren die Stadtwerke bereits in Kontakt mit der Baywa, weil sie deren Windpark im nordrhein-westfälischen Everswinkel kaufen wollten. Everswinkel liegt rund 20 Kilometer östlich von Münster. Mittlerweile ist dieser Verkauf über die Bühne gegangen.

Zum anderen heuerte just zu dieser Zeit Stefan Ronzani als neuer Mitarbeiter in Stuttgart an – ein Experte aus der Solarbranche. Zuvor war er Projektierer bei einem größeren Installationsbetrieb in Baden-Württemberg.

Gemeinsam feilten die Partner am Pachtmodell, wurden das Vertriebskonzept und Ideen zum Marketing entwickelt. Dazu gehören Flyer, eine eigene Website, Veranstaltungen für die Medien und Auftritte bei Stadtteilfesten. Seit Herbst 2014 bieten die Stadtwerke in Kooperation mit Baywa r.e. das Pachtmodell an. Erste Zielgruppe: Besitzer von kleinen Wohngebäuden für eine oder zwei Familien. Übliche Anlagengröße: unter zehn Kilowatt.

In der Regel werden um die fünf Kilowatt Leistung pro Haus installiert. „Mehr als 75 Prozent aller Dachflächen in der Stadt sind sehr gut oder gut für die Nutzung von Photovoltaik geeignet“, urteilt Stefan Ronzani. „Der Ökostrom kommt in der Stuttgarter Bevölkerung gut an. Wir stoßen mit unserem Modell bei den Stadtteilfesten auf großes Interesse.“ Kein Wunder, schließlich ist Stuttgart die erste Landeshauptstadt in Deutschland mit einem grünen Oberbürgermeister. (Herbert Grab)

Den vollständigen Report lesen Sie im Augustheft der Fachzeitschrift photovoltaik, das am 6. August 2015 erscheint.