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Rüstige Rentner?

Die Speicherpreise sinken und sinken und spätestens nachdem der amerikanische Anbieter Tesla seine Powerwall endlich nach langen Ankündigungen auf den europäischen Markt geworfen hat, wird die Lernkurve wohl noch steiler. Sie wird jetzt weiter angetrieben vom österreichischen Anbieter Powerball, der schon Preise für unter 1.000 Euro pro Kilowattstunde Speicherkapazität – inklusive sämtlicher Soft- und Hardware sowie der Installation – ankündigt. Ob die Österreicher dieses Versprechen auch einlösen können und der Speicher das hält, was er verspricht, sei dahingestellt. Klar ist aber, dass die Kosten für das Aufheben von Strom weiter sinken.

Um dem noch mehr Dynamik zu verleihen, keimt an verschiedensten Stellen die Idee, ausgediente Lithiumakkus aus Elektroautos als Hausspeicher weiter zu verwenden. Das würde nicht nur einen enormen ökologischen Beitrag leisten. Denn bisher existiert keine Recyclingtechnologie für die Lithium-Ionen-Batterien. Sie werden einfach verbrannt. Von Rückgewinnung der Materialien ist bislang überhaupt nicht die Rede.

Druck auf die Preise

Die sogenannten Second-Life-Batterien könnten aber auch die Preise der Heimspeicher weiter drücken. Die grundlegende Idee ist, ausgediente Akkupacks aus Elektroautos auseinanderzunehmen und sie zu neuen Speichern für stationäre Anwendungen zusammenzusetzen. Dadurch würden größere Mengen an Batterien zusätzlich auf den Markt geworfen, die billiger als neue Heim- oder auch Großspeicher sind.

Das Londoner Investmenthaus Alexa Capital hat es im Auftrag des Bundesverbandes Erneuerbare Energie mal ausgerechnet. Wird konsequent den noch brauchbaren Speichern aus den Elektroautos ein Rentnerdasein als stationärer Speicher ermöglicht, kommt insgesamt ein Speichervolumen von 25 Gigawattstunden pro Jahr zusammen. Das ist immerhin die Energiemenge, die die Hälfte aller deutschen Pumpspeicherkraftwerke aufnehmen und bei Bedarf wieder ins Netz einspeisen kann. Nach Berechnungen der Londoner Investmentspezialisten sind die Preise für Lithium-Ionen-Akkus innerhalb eines Jahres von 500 auf 300 Euro pro Kilowattstunde Speicherkapazität zurückgegangen. Bis 2020 werden sich die Preise für Speicher mit neuen Akkus noch einmal auf 150 Euro pro Kilowattstunde halbieren. Ein ausrangierter Akku kostet aber schon heute nur 150 Euro pro Kilowattstunde. Die Second-Life-Speicher würden in den kommenden Jahren weiter Preisdruck auf dem Batteriemarkt ausüben.

Doch bis dahin stehen noch einige Probleme im Wege. Denn die Voraussetzungen für einen Markt für Second-Life-Speicher sind überhaupt nicht gegeben. Schließlich kommt die Elektromobilität nur schleppend voran, und auch die Kaufprämie, die die Bundesregierung eingeführt hat, bringt den Markt nicht in Schwung. In den ersten drei Monaten nach Förderbeginn haben weniger als 1.000 Neubesitzer von Elektroautos eine Kaufprämie beantragt. Hier kann man zusätzlich davon ausgehen, dass es vor allem Besitzer sind, die ihre Elektroautos schon zu Beginn dieses Jahres gekauft haben. Denn die Förderung gilt rückwirkend bis zum Anfang 2016. Um einen signifikanten Anteil an Second-Life-Batterien auf den Markt zu bekommen, müssten die Elektrofahrzeuge mehr Käufer finden. Danach sieht es aber derzeit nicht aus.

Schnelles Laden stresst die Batterie

Immerhin sehen die Analysten von Bloomberg New Energy Finance einen Altbatterieberg mit einer Gesamtspeicherkapazität von 29 Gigawattstunden bis 2025 auftürmen – wohlgemerkt weltweit. Ein Drittel davon könnte noch so fit sein, dass sich die Anwendung als Second-Life-Speicher lohnen würde. Die restlichen müssten direkt entsorgt werden, weil sie zu ausgelaugt und selbst den weniger rabiaten Anforderungen in stationären Speichern nicht mehr gewachsen sind. „Denn in Elektrofahrzeugen werden die Batterien extrem gestresst, noch mehr, wenn der Autobesitzer sie des Öfteren an Schnellladestationen lädt. Danach werden sie auch in unterschiedlichsten Fahrsituationen wie zum Beispiel Überholmanövern extrem beansprucht“, erklärt Ehsan Rahimzei, Projektmanager für Technik und Innovation beim VDE.

Er beschäftigt sich dort vor allem mit der Begleit- und Wirkungsforschung des Schaufensters Elektromobilität. „In stationären Großanwendungen, wie in einem Speicher zur Bereitstellung von Primärregelleistung, hingegen werden viel gleichmäßigere kurzzeitige Lade- und Entladezyklen gefahren und die Batterie hat da ein stressfreieres Leben.“ Deshalb ist auch die Beanspruchung als Traktionsbatterie im ersten Leben ein entscheidender Faktor für die spätere Nachnutzung. Denn je schonender sie im Fahrzeug behandelt wird, desto länger hält sie später in stationären Speichern.

Wirtschaftlich realisierbar

Unter Rahimzeis Leitung hat der VDE zusammen mit Wissenschaftlern der Forschungsstelle für Energiewirtschaft und der Technischen Universität München eine Studie erstellt, die sich mit den wirtschaftlichen und technischen Realisierungsmöglichkeiten von Second-Life-Speichern beschäftigt. Die Autoren dieser Studie sehen grundsätzlich ein wirtschaftliches Realisierungspotenzial für Second-Life-Speicher, wenn der Markt für Elektromobilität und Batteriespeicher wie vorgesehen wächst.

Sie haben ausgerechnet, dass derzeit ein neues Hausspeichersystem im Schnitt noch über 1.000 Euro pro Kilowattstunde Speicherkapazität kostet. Wenn bereits gebrauchte Batteriepacks eingesetzt werden, verringert sich dieser Preis auf gut 800 Euro pro Kilowattstunde. Eingerechnet sind dabei zwei Wechsel der Batteriezellen, die aus Sicherheitsgründen ausgetauscht werden. In der Studie haben die Autoren mit einer Restkapazität von 40 Prozent gerechnet, wobei Batteriezellen ihr zweites Leben als stationärer Speicher bei einer Restkapazität von 80 Prozent beginnen. Entscheidend ist dabei die für konkrete Batteriezellen durch Tests gestützte Grenze der linearen Alterung einer Batterie.

Wird sie darüber hinaus weiter mit entsprechender Belastung betrieben, kommt es zur nichtlinearen Alterung. Die Batterie verliert innerhalb kürzester Zeit an Kapazität und kann gegebenenfalls sogar sicherheitskritisch werden.

In diesem Fall heizt sich die vorgeschädigte Batterie beim Laden und Entladen übermäßig auf und kann schlimmstenfalls in Brand geraten. Der Fachmann spricht von Thermal Runaway. Bisher weiß niemand konkret, bis zu welchem Punkt die Batteriezellen noch für ein zweites Leben taugen, und wann die nichtlineare Alterung einsetzt.

Sicherheit nicht vernachlässigen

Deshalb sind solche Konzepte für die Anbieter nur schwer darstellbar, da sie die Produkthaftung übernehmen müssen. „Eine Unterschrift für die Garantie der Lebensdauer einer Batterie kann man mit Blick auf das unternehmerische Risiko noch leisten. Denn einige Rückläufer sind da immer im Preis mit einkalkuliert. Doch darf man die Sicherheit nicht vernachlässigen. Dieses Thema ist viel relevanter“, erklärt Andreas Gutsch, Geschäftsführer des Technologiezentrums von Solarwatt in Frechen. Er leitet dort die Speicherentwicklung des Dresdner Systemanbieters und erklärt, wo die technischen Risiken stecken, die eintreten können, aber nicht müssen.

Ein Stapel von Atomen

Das Problem ist die Alterung von Lithium-Ionen-Akkus, die auch die Autoren der VDE-Studie eingehend beschreiben. Sie haben in ihren Untersuchungen herausgefunden, dass der Übergang vom linearen zum nichtlinearen Alterungsprozess bei starker Belastung wie dem Einsatz im Elektroauto zum Teil schon bei einer Restkapazität von 70 bis 80 Prozent einsetzt. „Dann kommt es in der Regel zu einem rapiden Abfall der Restkapazität“, erklärt Rahimzei. „Ab diesem Zeitpunkt kann die Batterie nicht mehr weiter genutzt werden. Idealerweise findet der Wechsel in die Second-Life-Anwendung demnach schon vor dem Erreichen dieses Kapazitätswertes statt. Die Herausforderung ist, dass es bisher keine Möglichkeit gibt, diesen Zeitpunkt zu definieren. Da gibt es noch einigen Forschungsbedarf.“

Dass Batterien mit zunehmendem Alter immer weniger leisten, hat verschiedene Ursachen. Für den Übergang von der linearen zur nichtlinearen Alterung ist aber vor allem das sogenannte Lithium-Plating verantwortlich. Dabei wird beim Laden des Akkus metallisches Lithium gebildet, das sich an der Anode anlagert. „Die Lithiumatome haben aber eine unangenehme Eigenschaft: Sie wirken wie ein Magnet für weitere Lithiumatome“, erklärt Andreas Gutsch. „Auf diese Weise lagern sich die Lithiumatome nicht flächig auf der Anode ab, sondern als Dendriten.“ Dadurch wächst quasi ein Türmchen aus Lithiumatomen, das irgendwann den Separator durchstößt, mit der Kathode in Berührung kommt und so einen internen Kurzschluss auslöst.

Risiko eines internen Kurzschlusses

Andreas Gutsch stellt zwei Szenarien vor, die sich aus dieser Situation ergeben können. Das erste Szenario ist, dass es nur ein Türmchen ist, das durch den Separator wächst. Das wird bei einem internen Kurzschluss einfach weggebrannt. Da es aber so klein ist, merkt niemand etwas davon. Die Batterie kann problemlos weiter genutzt werden.

Wenn die Dichte der Dendriten aber zu groß wird, brennt zwar auch der erste Dendrit weg, der die Kathode berührt. Aber dann übernimmt das Türmchen aus Lithiumatomen, das daneben steht, die Funktion des zerstörten Dendriten mit und die Batterie ist auf dem besten Weg zu einem Thermal Runaway. „Wenn dieser Zustand eintritt, dann hält nichts mehr die Zelle auf. Sie brennt einfach weg, egal wie viel Redundanz in das Speichersystem eingebaut wird“, warnt Andreas Gutsch. „Denn von außen kann ich nicht feststellen, wann sich ein solcher Thermal Runaway ankündigt. Denn hier geht es um einen internen Kurzschluss. Dann ist nur noch die Frage, ob das Gehäuse die thermische Belastung aushält.“

Ein Zertifikat vom TÜV

So kann der Einsatz von Batterien mit einer Restkapazität von weniger als 80 Prozent heikel werden, muss es aber nicht. Denn bisher weiß niemand, wann die Lithium-Ionen-Akkus gefährlich werden und welche Akkus für ein zweites Leben qualifiziert werden können. Das hängt von unterschiedlichen Voraussetzungen ab. Neben der Behandlung im Elektroauto und den Temperaturen, bei denen sie geladen und betrieben wurden, ist auch der interne Aufbau der einzelnen Batteriezelle von Bedeutung.

So könnte ein keramischer Separator besser sein als einer aus Plastik. „Denn diese haben eine unregelmäßigere Porenstruktur, sodass die Dendriten, wenn sie durch die Poren eines keramischen Separators wachsen, immer wieder gebogen werden. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie durch die mechanische Beanspruchung der Batterie beim Laden und Entladen abreißen“, erklärt Andreas Gutsch. „Der Separator aus Kunststoff hat aber gerade Poren, durch die so ein Türmchen aus Lithiumatomen ungehindert hindurchwachsen und sich bis zur Kathode aufstapeln kann.“

Trotz der Risiken beschäftigen sich einige Autohersteller wie Daimler und BMW bereits mit dem Ansatz, die ausgedienten Akkus in stationären Speichersystemen weiterzubetreiben. Tesla hingegen lehnt es konsequent ab, überhaupt an diese Möglichkeit zu denken. Als Einziger hat bisher der Schweriner Energieversorger Wemag einen solchen Second- Life-Speicher realisiert und vertrieben. Die Schweriner hatten für ihren stationären Second-Life-Akku sogar ein Zertifikat vom TÜV.

Gebrauchte Fahrradakkus verbaut

Im Jahr 2014 haben sie gebrauchte Akkus aus Elektrofahrrädern zu stationären Heimspeichern zusammengebaut. Die Akkus kamen aus der Schweiz, wo sie Bike Tec aus seinen Mietfahrrädern ausgemustert hatte. „Die Akkus bleiben nur zwei Jahre in unserem Verleihprogramm, dann tauschen wir sie aufgrund unseres Qualitätsmanagements aus“, erklärt Thomas Hummel von Bike Tec. „Nach der Einsatzdauer haben die Batterien aber immer noch genügend Restkapazität, um die von einem Heimspeicher abverlangten Anforderungen problemlos zu bewältigen.“ Inzwischen hat die Wemag die Produktion des Speichers aber aus verschiedenen Gründen wieder eingestellt.

www.solarwatt.de