Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Neue Freiheit bis 750 Kilowatt

Seit Jahresbeginn erhalten Photovoltaikanlagen grundsätzlich nur noch eine Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, wenn sie erfolgreich an Ausschreibungen teilnehmen. Ausgenommen sind Photovoltaikanlagen mit einer installierten Leistung bis 750 Kilowatt.

Deren Betreiber erhalten eine feste Vergütung nach bekanntem Muster. Doch die Sache scheint nur auf den ersten Blick einfach, wenn man nur Paragraf 22 Absatz 3 des neuen EEG betrachtet.

Risiko von benachbarten Dritten

Ärger droht insbesondere aus Paragraf 24 des EEG. Nach dessen Absatz 1 sind mehrere gebäudeintegrierte Photovoltaikanlagen als eine Anlage anzusehen, wenn sie sich „auf demselben Grundstück, demselben Gebäude, demselben Betriebsgelände oder sonst in unmittelbarer räumlicher Nähe befinden“ und innerhalb von zwölf aufeinanderfolgenden Kalendermonaten in Betrieb genommen werden. Gebäudeintegriert meint hier am Gebäude befindliche Anlagen, also auch Aufdachanlagen.

Dabei spielt es keine Rolle, wer die anderen Anlagen errichtet. Es besteht also das Risiko, mit Anlagen unbekannter Dritter zusammengerechnet zu werden und dadurch ungewollt in die Ausschreibungspflicht zu rutschen. Fehlendes Wissen schützt davor nicht.

Paragraf 24 Absatz 2 EEG rechnet demgegenüber Freiflächenanlagen zusammen, wenn sie innerhalb derselben Gemeinde, die für den Erlass eines Bebauungsplanes zuständig ist oder gewesen wäre, errichtet worden sind und innerhalb von 24 aufeinanderfolgenden Kalendermonaten in einem Abstand von bis zu zwei Kilometern Luftlinie in Betrieb genommen worden sind. Gemessen wird vom äußeren Rand der jeweiligen Anlage. Mit den äußeren Rändern sind die jeweils einander zugewandten äußeren Ränder der jeweiligen Anlagen gemeint (Hennig/von Bredow, in: Frenz/Müggenborg, EEG, 4. Auflage, Paragraf 32 Randnummer 39).

Eine Bannmeile für die Freifläche

Bei Freiflächenanlagen ist der räumliche Bereich also deutlich größer, innerhalb dessen eine ungewollte Zusammenrechnung der geplanten Anlage mit anderen Anlagen erfolgen kann.

Jedes Solarmodul gilt dabei als eigene Anlage, was das neue EEG nach einer in der Rechtspraxis vielfach kritisierten abweichenden Entscheidung des Bundesgerichtshofes klarstellt. Gebäudeintegrierte Anlagen werden nur mit anderen gebäudeintegrierten Anlagen zusammengerechnet, Freiflächenanlagen nur mit anderen Freiflächenanlagen. Die Verklammerungsregelungen für gebäudeintegrierte Anlagen und für Freiflächenanlagen können für die Planer zum großen Problem werden und dürften künftig vielerorts ein Wettrennen um die Ausschreibungsfreiheit auslösen.

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst

Wer zuerst die Inbetriebnahme schafft, gewinnt. Wer zu langsam ist, muss in die Ausschreibung – ein Problem für Planer, die mit der gesetzlichen Vergütung kalkulieren.

In der Ausschreibung zum 1. Februar 2017 lag der durchschnittliche Zuschlagswert der erfolgreichen Gebote nach Angabe der Bundesnetzagentur bei 6,58 Cent pro Kilowattstunde und damit mehr als zwei Cent unter der gesetzlichen Vergütung für Freiflächenanlagen sowie mehr als vier Cent unter der gesetzlichen Vergütung für gebäudeintegrierte Anlagen.

Für Planer von gebäudeintegrierten Anlagen dürfte die Ausschreibung noch deutlich weniger erfolgversprechend sein. Jedenfalls bei der Ausschreibung zum 1. Februar 2017 wurde kein Gebot für eine Dachanlage abgegeben.

Keine Reservierung möglich

Denkbar ist auch, dass ein Planer nur mit einem Teil seiner Anlage in die Ausschreibung muss. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für den Beginn der Frist ist der jeweils zuletzt in Betrieb gesetzte Generator.

Durch eine bloße Anmeldung von Einspeiseleistungen kann nicht erreicht werden, dass die entsprechende Leistung reserviert wird. Maßgeblich ist immer die gesetzeskonforme Inbetriebnahme. So fragwürdig dieses Modell ist, weil es zu vielen vergeblichen Planungen und zu einem Rennen um die begehrten ausschreibungsfreien Kapazitäten führen dürfte, so klar hat sich der Gesetzgeber zu diesem Prinzip bekannt (Begründung zum Gesetzesentwurf vom 2. Juni 2016, Seite 190).

Über den Bestand informieren

Wichtig für den Planer ist zunächst die Beschaffung belastbarer Informationen über bereits vorhandene Anlagen in der Nähe des gewünschten Standorts, insbesondere wo und wann genau die jeweiligen Solarmodule in Betrieb genommen wurden.

Bei gebäudeintegrierten Anlagen muss eine Begutachtung des unmittelbaren Umfeldes der geplanten Anlage erfolgen. Was das Gesetz unter einer „unmittelbaren räumlichen Nähe“ versteht, ist umstritten. Dass dasselbe Gebäude und Grundstück dazugehören, ergibt sich bereits aus dem Gesetz. Auch das Nachbargrundstück kann von der unmittelbaren räumlichen Nähe umfasst sein.

Grundstücke und Nachbarschaft

Nach dem Oberlandesgericht Nürnberg ist die unmittelbare räumliche Nähe erfüllt, wenn sich Anlagen auf unterschiedlichen Grundstücken befinden, die jeweils durch einen 30 Meter breiten Grundstücksstreifen voneinander getrennt sind (Entscheidung vom 18. Oktober 2013 – 12 U 795/13).Ob darüber hinaus weiter entfernt gelegene Grundstücke zusammengerechnet werden müssen, ist unklar.

Teilweise wird in der Rechtsliteratur eine 500-Meter-Grenze vorgeschlagen. Zwar hat die Clearingstelle EEG einen Kriterienkatalog entwickelt (Empfehlung 2008/49). Die Clearingstelle vertritt grundsätzlich einen grundbuchrechtlichen Grundstücksbegriff, orientiert sich also an der Eintragung im Grundbuch. Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen will sie einen wirtschaftlichen Grundstücksbegriff heranziehen, um Umgehungen zu vermeiden.

So listet die Clearingstelle zahlreiche Fallgestaltungen auf, bei denen eine Umgehung der gesetzlichen Regelungen vorläge, zum Beispiel eine gesellschaftsrechtliche Verbundenheit mehrerer Betreiber sowie ein identischer Finanzierer, Betreiber oder Projektierer. Als Faustregel kann gelten, dass bei konkurrierenden Planungen fremder Planer nach der Clearingstelle eher eine engere Betrachtung erfolgt und dass die unmittelbare räumliche Nähe demgegenüber umso weiter zu verstehen ist, als ein Planer die 750-Kilowatt-Grenze durch eine geschickte Aufteilung der Module auf benachbarten Flächen aushebeln möchte.

Aber selbst wenn man den Kriterienkatalog der Clearingstelle anwendet, verschafft dieser noch keine hohe Rechtssicherheit, auch weil er von Teilen der Rechtsliteratur als zu kompliziert zurückgewiesen wird (Salje, EEG 2014, Paragraf 32 Randnummer 6). Bei Freiflächenanlagen muss der Zwei-Kilometer-Radius der Standortgemeinde untersucht werden. Noch ungewisser ist die Informationsbeschaffung über andere geplante Anlagen. Bei gebäudeintegrierten Anlagen sollte vertraglich mit dem Eigentümer des jeweiligen Grundstückes vereinbart werden, dass innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen zeitlichen Rahmens keine anderen Photovoltaikanlagen auf dem Grundstück oder Betriebsgelände errichtet wurden oder werden.

Selbst dann ist der Planer noch nicht auf der sicheren Seite, weil der „unmittelbare räumliche Zusammenhang“ so unscharf ist und auch das Nachbargrundstück oder sogar weiter entfernt liegende Grundstücke umfassen kann. Bei Freiflächenanlagen empfiehlt sich eine enge Absprache mit der Gemeinde, sodass ein gemeindeinternes Wettrennen konkurrierender Planer um die Inbetriebnahme vermieden wird.

Zählung innerhalb einer Gemeinde

Die Anlagenzusammenfassung erfolgt innerhalb der Gemeinde, „die für den Erlass des Bebauungsplanes zuständig ist oder gewesen wäre“. Das Tatbestandsmerkmal „gewesen wäre“ soll Fälle mit abdecken, in denen ein Verfahren nach Paragraf 38 Baugesetzbuch durchgeführt wurde und die Gemeinde zuständig wäre, wenn kein Planfeststellungsverfahren durchgeführt worden wäre (Begründung zum Entwurf vom 2. Juni 2016, Seite 190).

Laut der Gesetzesbegründung kann der Anlagenbetreiber aufgrund der Begrenzung der Anlagenzusammenfassung auf die für den Erlass des Bebauungsplanes zuständigen Gemeinden erfahren, ob für ein anderes Projekt ein Bebauungsplan erstellt worden ist oder erstellt werden soll. Allerdings verbleibt für den Planer immer das Risiko eines schnelleren Konkurrenten.

Keine verbindlichen Auskünfte

Weder das Gesetz noch die Gesetzesbegründung geben rechtssichere Hinweise darauf, wer verbindlich Auskunft über den möglichen ausschreibungsfreien Zubau in einem bestimmten Zeitraum geben kann.

Optimal wären verbindliche schriftliche Absprachen mit der Gemeinde, wonach innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Zeitraumes keine anderen Projekte in der Gemeinde verfolgt werden. Daneben sollten Planer auch mit den Netzbetreibern der fraglichen Standortgemeinden kooperieren und dadurch insbesondere in Erfahrung bringen, ob von dritter Seite Einspeiseleistungen reserviert wurden.

Berechnung der Fristen

Wie die Zwölf-Monats-Frist für gebäudeintegrierte Anlagen und die 24-Monats-Frist für Freiflächenanlagen berechnet werden, ist umstritten. Zum Teil wird eine exakte rechnerische Bestimmung von 365 Tagen (im Schaltjahr 2020 von 366 Tagen) für richtig gehalten (unter anderem Reshöft, in: Reshöft/Schäfermeier, EEG, 4. Auflage, 2014, Paragraf 19 Randnummer 35).

Für Freiflächenanlagen gilt dann dasselbe für 730 oder 731 Tage. Wurde also beispielsweise am 25. April 2017 eine gebäudeintegrierte Anlage mit 750 Kilowatt ausschreibungsfrei in Betrieb genommen, so können die nächsten Module auf demselben Grundstück am 25. April 2018 in Betrieb genommen werden.

Die Clearingstelle EEG und ein Teil der Rechtsliteratur vertritt jedoch eine abweichende Auffassung (Hinweis 2009/13; Hennig/von Bredow, in: Frenz/Müggenborg, EEG, 4. Auflage, Paragraf 32 Randnummer 28). Demnach ist eine kalendermonatsbezogene Berechnung vorzunehmen. Maßgeblich sei der Monat der Inbetriebnahme der vorletzten Anlage unabhängig von deren taggenauer Inbetriebnahme. Der Monat der Inbetriebnahme der vorletzten Anlage werde unabhängig von deren taggenauer Inbetriebnahme vollständig mitgezählt.

Stichtage beachten

Es kommt demnach als Stichtag auf den Ablauf des elften auf die Inbetriebnahme der vorletzten Anlage folgenden Kalendermonats an. Eine am 25. April 2017 in Betrieb genommene gebäudeintegrierte Anlage führt also zur Anlagenzusammenfassung, wenn die letzte zusätzliche Anlage bis zum 31. März 2018 in Betrieb genommen wird.

Bereits eine Inbetriebnahme am 1. April 2018 würde eine Verklammerung ausschließen. Folgt man dieser Ansicht der Clearingstelle, so wäre in dem genannten Beispiel also eine um 24 Tage frühere Inbetriebnahme möglich.

Die Begründung der Clearingstelle überzeugt durchaus. Zudem werden die Entscheidungen der Clearingstelle in der Praxis und insbesondere von den Netzbetreibern meistens akzeptiert. Es gab aber Fälle, in denen Netzbetreiber oder Gerichte die Entscheidungen der Clearingstelle ablehnten. Vor einer rechtskräftigen höchstrichterlichen Entscheidung verbleibt daher eine gewisse Rechtsunsicherheit. Wollen Anlagenbetreiber sichergehen, so sollten sie die Berechnung auf den Tag genau vornehmen und in dem genannten Beispiel noch 24 Tage abwarten.

Für Freiflächenanlagen gilt die Berechnung entsprechend für 24 Kalendermonate. Es kommt also auf den Ablauf von 24 Kalendermonaten und nicht von 730 oder 731 Tagen an. Der Monat der Inbetriebnahme der vorletzten Anlage wird unabhängig von deren taggenauer Inbetriebnahme vollständig mitgezählt.

Mehr als 750 Kilowatt planen

Anlagen mit einer installierten Leistung über 750 Kilowatt können ausschreibungsfrei geplant werden, wenn die räumlichen und zeitlichen Sperrwirkungen des Paragraf 24 EEG beachtet werden. Nach Ablauf von zwölf aufeinanderfolgenden Kalendermonaten kann also bei gebäudeintegrierten Anlagen auf demselben Grundstück wieder eine installierte Leistung bis 750 Kilowatt in Betrieb genommen werden. Eine Umgehung gesetzlicher Vorgaben ist dann abzulehnen. Will der Planer nicht so lange warten, muss er dafür Sorge tragen, dass der unmittelbare räumliche Zusammenhang entfällt.

Freiflächenanlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 750 Kilowatt können auch innerhalb einer Gemeinde ausschreibungsfrei betrieben werden, wenn 24 Kalendermonate abgelaufen sind oder der Zwei-Kilometer-Radius eingehalten wird.

Zusammen planen, später bauen

Fraglich ist, ob eine Freiflächenanlage mit beispielsweise 1,5 Megawatt installierter Leistung zeitgleich im engen räumlichen Zusammenhang auf zwei aneinander angrenzenden Gemeinden ausschreibungsfrei betrieben werden kann, wobei auf jede Gemeinde 750 Kilowatt entfallen.

Dies wirft die Frage auf, ob Paragraf 24 Absatz 1 EEG auch auf Freiflächenanlagen anwendbar ist, wenn Paragraf 24 Absatz 2 nicht greift. Führt also der unmittelbare räumliche Zusammenhang auch bei Freiflächenanlagen zur Verklammerung? In der Rechtsliteratur wird dies teilweise bejaht (so Hennig/von Bredow, in: Frenz/Müggenborg, EEG, 4. Auflage, Paragraf 32 Randnummer 39, mit fragwürdiger Begründung, weil das Zitat der Gesetzesbegründung nicht passt). Diese Begründung überzeugt aber nicht. Paragraf 24 Absatz 1 EEG gilt nach Satz 1 Nummer 3 nur, wenn der Vergütungsanspruch in Abhängigkeit von der Bemessungsleistung oder der installierten Leistung besteht.

Freiflächenanlagen werden aber im Gegensatz zu gebäudeintegrierten Anlagen mit einem einheitlichen Satz vergütet, also nicht in Abhängigkeit von der Leistung. Daher überzeugt die Anwendung des Kriteriums der unmittelbaren Nähe auf Freiflächenanlagen nicht. Dennoch verbleiben Rechtsunsicherheiten, sodass von der erwähnten gemeindeübergreifenden Fallgestaltung derzeit abzuraten ist.

Der Autor

Rechtsanwalt Michael Herrmann

ist seit vielen Jahren als Fachanwalt auf erneuerbare Energien spezialisiert. Er hat zahlreiche Klienten zum EEG in seinen verschiedenen Novellierungen beraten und vertreten, unter anderem bei Solarprojekten. Seine Kanzlei befindet sich in Berlin.

www.herrmann-kanzlei.de