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Mit langem Atem

Mehr als 20 Jahre in der Photovoltaikbranche und genauso lang Geschäftsführer eines Unternehmens: Kaum jemand kann sich einer solchen Karriere rühmen wie Joachim Höhne, Chef der GSS Gebäude-Solarsysteme GmbH in Korbußen bei Gera. Höhne ist einer der alten Hasen in einer Branche, die doch gerade erst aus den Kinderschuhen wächst.

Höhne ist ein zurückhaltender Mensch, einer, der gern tüftelt und „friemelt“, wie man in Thüringen sagt. Technik hat ihn immer interessiert, seine Ideen und Kniffe hat er nie an die große Glocke gehängt.

Ein Urgestein der Szene

Als im Frühjahr von photovoltaik die Berichte über die Geschichte der Photovoltaikbranche und des PV-Symposiums in Bad Staffelstein erschienen, schrieb er eine Mail an die Redaktion. Einige Details waren nicht ganz sauber dargestellt, Höhne steuerte sachliche Anmerkungen bei. Aus seinen Zeilen wurde deutlich: Dort, in Thüringen, einen Steinwurf von der Bundesautobahn A4 entfernt, hockt ein Urgestein der Photovoltaikszene.

Um es vorwegzunehmen: Er ist immer noch im Geschäft, mit 15 Mitarbeitern. Natürlich hat auch GSS Gebäude-Solarsysteme alle Höhen und Tiefen des Geschäfts durchgemacht, sind manche Hoffnungen geplatzt. Aber: Sie dreht sich doch, die Erde – um die Sonne. Und sie dreht sich weiter.

Joachim Höhne ist ein Kind des Ostens. In Ilmenau studierte er Kybernetik, machte seinen Diplomingenieur. Bei Carl Zeiss kam er unter, in der Außenstelle in Gera. Für Nichteingeweihte: Carl Zeiss stand im Osten für das, wofür Siemens im Westen stand: einen guten Job fürs Leben. Doch die politischen Veränderungen im Herbst 1989 und die Wiedervereinigung 1990 ließen im Osten kaum einen Stein auf dem anderen.

Aus Baden-Württemberg kam der frühere CDU-Ministerpräsident Lothar Späth nach Jena, um den angeschlagenen Vorzeigebetrieb Carl Zeiss für den Weltmarkt fit zu machen. Späth wickelte die Dependance in Gera ab, immerhin blieb der Firmenkern in Jena erhalten.

Joachim Höhne musste sich nach Alternativen umsehen. „Im Jahr 1991 hatte ich den ersten Kontakt mit Jürgen Hartwig, dem späteren Gründer von Ersol in Erfurt“, erinnert er sich heute. „Damals bin ich in die Photovoltaik förmlich reingerutscht, GSS war einer der ersten Kunden von Ersol, später auch von Q-Cells und Sunways. Wie rasant sich die Branche entwickeln würde, konnte seinerzeit niemand vorhersehen.“

Maschinen übernommen

Jürgen Hartwig kam aus Hessen. Dort hatte er ein Ingenieurbüro aufgebaut, das sich mit Solartechnik befasste. 1996 übernahm er die Maschinen des Modulherstellers ASE in Wedel, um sie in Erfurt aufzustellen. ASE gehörte zu RWE, die Produktion der Module wurde jedoch eingestellt.

Hartwig griff zu, bevor die Maschinen nach Boston in die USA verschifft wurden. Auch Siemens Solar fertigte damals Solarmodule. „Mit Siemens haben wir schon Anfang der 90er-Jahre viel gemacht“, erzählt Joachim Höhne. Er erinnert sich daran, dass die ersten Solarzellen von Kyocera kamen und vier Zoll maßen.

Im Jahr 1999 kam Hans-Uwe Florstedt als weiterer Geschäftsführer ins Unternehmen. Denn die Aufgaben wuchsen, allein hätte sie Joachim Höhne niemals bewältigen können.

Schon im Folgejahr hat GSS Gebäude-Solarsysteme gemeinsam mit Siemens Solar und danach Shell Solar die damals größte ins Dach integrierte Photovoltaikanlage der Welt gebaut.

„Auf einem Gewächshaus der Floriade in der Nähe vom Flughafen Schiphol haben wir 2,2 Megawatt installiert“, berichtet Höhne. „Die Floriade war eine Weltblumenschau. Rund 12.000 der insgesamt 19.000 Laminate haben wir in Gera gefertigt. Das waren 72-Zellen-Module mit Fünf-Zoll-Zellen, bei denen wir pro String eine Zelle weniger verwendet haben. Also waren es 66-Zellen-Module.“ Die Modulfelder wurden auf dem Süddach und dem Norddach installiert. Der Experte erzählt: „Auf Kirchen haben wir damals bereits Ost-West-Anlagen errichtet und über denselben Wechselrichter verschaltet.“

Transparente Zellen vom Bodensee

Mitte der 90er-Jahre verfügte GSS Gebäude-Solarsysteme in Gera über eine der modernsten Modulproduktionen der Welt. Das Unternehmen wuchs, von zwei Gründern bis auf zeitweise 100 Mitarbeiter. „Damals haben wir Sondermodule vorwiegend für den Schweizer Solarmarkt gefertigt“, sagt der Geschäftsführer. „Der Photovoltaikmarkt in der Schweiz war zum damaligen Zeitpunkt führend in Europa.“

1993 startete in Dresden die Modulproduktion bei Solarwatt, kleine Paneele für spezielle Anwendungen. In Freiburg ging 1997 die Solar-Fabrik von Georg Salvamoser an den Start. Zuvor hatte er mit der GSS Gebäude-Solarsysteme auf der Hannover Messe gemeinsam ausgestellt. Im Gegensatz zu ASE stellte Salvamoser drei Standardmodule her, die sich relativ leicht installieren ließen.

Und in Konstanz am Bodensee machte sich Sunways daran, erstmals auf der Welt transparente Solarzellen zu fertigen. Das Werk kostete 20 Millionen Mark, es hatte 25 Mitarbeiter. In Berlin entstand Solon, später kam Q-Cells hinzu.

1993 war GSS bereits als Anbieter von Solarmodulen für Fassaden und Sonderanwendungen aktiv. „Schon damals bauten wir Schindeldächer mit Photovoltaikelementen“, erinnert sich Joachim Höhne.

Dachplatten wie Ziegel

Die Dachplatten waren so leicht einzubauen wie Ziegel. Die Unterkonstruktion griff nicht in die Dachkonstruktion ein, die Lattung wurde nicht angerührt. „Wir haben Glas-Folie-Module gebaut, Glas-Glas-Module, Isolierglas mit Solarzellen und Folie-Folie-Laminate. Das tun wir heute im Grunde genommen immer noch.“

Die erste von GSS angebotene Solarfassade entstand 1994 in Gera mit den Goldkontaktsteckern von Multi-Contact. Erst danach kam das MP3-Stecksystem für die Photovoltaik auf den Markt. In der Schweiz entstanden auch die ersten Solarfassaden, damals gemeinsam mit der Firma Fabrimex. „Dort haben wir bereits zwangsgekühlte Photovoltaikelemente eingebaut“, erzählt Höhne. „Ein anderes Projekt waren die Photovoltaiklamellen, die wir mit der Firma Colt International realisiert haben. Das war seinerzeit wegweisend und der Zeit weit voraus, zumindest in der Photovoltaik.“

Schon 1995 wurden Solarzellen von Sharp, die damals mit integrierten Bypassdioden versehen waren, in die Solarmodule eingebaut. Auf diese Weise waren die Module robuster gegen Teilverschattung. Denn nur einzelne Zellen wurden gesperrt, nicht die ganzen Zellstrings im Modul. „Wir haben auch die ersten Module mit Zellen von Sunpower hergestellt und vom TÜV in Köln zertifizieren lassen“, erinnert sich Höhne. 2004 baute GSS Solarlaminate im Auftrag von Shell Solar für die erste größere Freiflächenanlage in Espenhain bei Borna, rund fünf Megawatt.

Ein Fundus aus 20 Jahren

Dem Sondermodulbau und den Photovoltaikfassaden ist GSS treu geblieben, bis heute. Mit Standardmodulen hingegen ist kein Blumentopf zu gewinnen. Mittlerweile steht die fünfte Generation von Laminatoren in der Werkshalle in Korbußen. Dort entstehen Solarmodule mit bis zu 3,6 Meter mal 2,2 Meter Kantenlänge. Für Versicherer baut die Firma Solarmodule nach, wenn Ersatz benötigt wird.

Ein Fundus an Solarzellen aus mehr als 20 Jahren Geschichte erlaubt es, auch solche Module zu bauen, die am Markt längst nicht mehr erhältlich sind. Kleinere Brötchen werden ebenfalls gebacken: So stattete das Unternehmen unlängst Bushaltestellen in Baden-Württemberg mit Solarmodulen aus zwei mal acht Millimetern Glas aus.

Sie bestehen aus kristallinen Solarzellenstrings und LED-Bändern zwischen den beiden Gläsern. Ein spezielles Batteriesystem wird tagsüber aufgeladen, das nachts die LEDs auf der Rückseite der Module speist. Geschalten werden sie über Bewegungsmelder. Dieser Auftrag wurde in Kooperation mit einem Metallbauer vor Ort erledigt.

Beim Vertrieb stützt sich GSS auf ein Partnernetz von Handwerksbetrieben, die rund um den Bau aktiv sind. „Für uns ist die Photovoltaik ein multifunktionelles Element, ein Glasbauteil, das Strom erzeugt“, erläutert Joachim Höhne seine Philosophie. „Wir verkaufen Unabhängigkeit.“

Überzeugungsarbeit notwendig

Noch sind die Projekte nicht so dicht gesät. Denn: „Die Leute müssen erst einmal umdenken. Jahrelang haben wir ihnen erklärt, dass die Photovoltaik das Geld auf ihrem Konto vermehrt. Jetzt müssen sie begreifen, dass die Photovoltaik dafür sorgt, dass das Geld nicht weniger wird. Dass sie damit sparen können.“ Das braucht Zeit und viel Überzeugungsarbeit.

Gemeinsam mit Rehau hat das Unternehmen ein eigenes Indachsystem entwickelt, zur Überdachung von Terrassen oder für Vordächer von Gewerbegebäuden.

In Pfaffenhofen wurde unlängst ein interessantes Projekt mit den Projektierer Eichenseher Ingenieure abgeschlossen: eine Solarfassade am Neubau für ein Bürogebäude. „Wir sehen uns als Dienstleister des Kunden vor Ort“, resümiert Höhne. „Wir können auch dreieckige oder rhombische Module bauen.“Das können die asiatischen Modulhersteller nicht, zumindest nicht in einer so kurzen Zeit, wie es ein Dienstleister vor Ort kann. GSS baut sogar Sondermodule für Hochseeyachten, die auf die Bordbatterie mittels Laderegler aufgeschaltet werden.

Das neueste Projekt sind kristalline Laminate auf einem Träger aus Aluminiumwaben. Dieses Sandwich wurde gemeinsam mit dem Institut für Angewandte Bauforschung (IAB) in Weimar entwickelt. Der Prototyp dieses Paneels misst einen mal drei Meter, er ist sehr leicht. Die Wabenstruktur erlaubt eine hohe Steifigkeit.

Sandwich mit Aluwabe

Größere Formate sind möglich, mit bis zu neun Metern Länge. Als Hallendach liefern sie Solarstrom, mehrere dieser Leichtbaumodule lassen sich kombinieren. Die Sandwichmodule sind selbsttragend, obenauf liegen polykristalline Zellen in der Day4-Technologie, die keine Busbars mehr haben. Der Wabenkern ist 50 Millimeter stark, auf diese Weise erreicht das Leichtbaumodul alle Lasten aus Wind und Schnee. Abgedeckt wird es mit einer Folie oder Glas, je nach Wunsch des Kunden. Denkbar ist sogar – auch daran wird geforscht –, die Abwärme der Zellen in der Wabe mit einem Luftstrom oder einem wassergekühlten Rohrmäander aufzufangen und zu nutzen. „Mit dieser Kühlung haben wir die Leistung der Module um 25 Prozent erhöht“, sagt Ingrid Lützkendorf von IAB. Damit liegt dieses Hybridmodul deutlich über den gängigen Systemen, wo unter dem Photovoltaiklaminat ein wassergeführter Wärmetauscher liegt. Sie erreichen nur sechs Prozent Mehrertrag aus den Solarzellen.

www.gss-solarsysteme.de