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Zubau verdreifachen

Das war knapp, hat aber nicht ganz gereicht. Fast hätten es Österreichs Installateure geschafft, die Gigawattmarke zu knacken. Der Zubau im Jahr 2015 lag aber bei nur gut 150 Megawatt. Das hat nicht ausgereicht. Es hätten schon mehr als 200 Megawatt sein müssen.

Trotzdem läuft der Zubau in der Alpenrepublik vergleichsweise gut. Der Markt ist stabil, und es gibt kaum Anzeichen, dass er rückläufig sein könnte. Der derzeitige Ausbau wird aber überhaupt nicht ausreichen, um die Klimaschutzziele zu schaffen, die sich die Regierung in Wien vorgenommen hat. Selbst mit 200 Megawatt neu installierter Leistung pro Jahr, wie sie der Branchenverband PV Austria für das vergangene Jahr prognostiziert hat, schafft Wien die eigenen Vorgaben nicht. „Wir streben immer noch das Ziel an, bis 2020 acht Prozent des Stroms in Österreich mit der Photovoltaik zu erzeugen“, erklärt Hans Kronberger, Präsident von PV Austria.

Ziele der Politik sind bekannt

Er verweist unter anderem auf das in Paris abgeschlossene Klimaschutzabkommen. Dort hat Bundeskanzler Werner Faymann erklärt, dass in Österreich die Stromversorgung bis 2030 zu 100 Prozent erneuerbar sein soll. Bis 2050 will das Land sogar die gesamte Energieversorgung auf 100 Prozent Erneuerbare umstellen.

Ohne Photovoltaik wird das nicht gehen. Zwar ist die Alpenrepublik schon mal bei 70 Prozent Ökostromproduktion angekommen. Doch der größte Teil kommt aus der Wasserkraft. Die Potenziale dafür sind aber nicht nur ausgeschöpft. Vielmehr sank im vergangenen Jahr sogar die Stromproduktion aus Österreichs Wasserkraftwerken um etwa zehn Prozent. Schuld war der trockene Sommer, der die Pegelstände der Flüsse und Staubecken drastisch absinken ließ. Der Zubau an Photovotlaik- und Windkraftanlagen und die gute Witterung konnten diese Ausfälle gerade so ausgleichen. Aber zum Anstieg der Ökostromerzeugung hat es nicht gereicht.

Die meiste Energie wird verheizt

Letztlich muss der Ausbau der Photovoltaik bis 2030 etwa verdreifacht werden. Das haben die Wissenschaftler des AIT Austrian Institute of Technology, des FH Technikum Wien und von Joanneum Research ausgerechnet. Die vorläufigen Ergebnisse des Diskussionspapiers hat Christoph Mayr, Leiter der Photovoltaiksparte des AIT, schon mal auf der Jahrestagung von PV Austria vorgestellt. Die endgültige Fassung der vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) in Auftrag gegebenen Roadmap wurde gerade veröffentlicht. „Die Ziele der Politik sind bekannt“, erklärt Christoph Mayr. „Wir beschreiben in dieser Arbeit einen Weg, diese Ziele zu erreichen, und die Hürden, die auf diesem Weg derzeit noch stehen.“

Denn den konkreten Weg ist Faymann in seiner Erklärung schuldig geblieben. „Wir brauchen aber eine marktorientierte Klima- und Energiestrategie mit einem klaren Zeitplan“, betont Stefan Reininger, Programm- und Projektmanager beim Klima- und Energiefonds (Klien). „Um den Klimawandel aufzuhalten, reichen keine kosmetischen Maßnahmen, wir brauchen eine komplette Umgestaltung des gesamten Energie- und Verkehrssystems.“

Klar sind zumindest schon mal die Grundlagen, wie sich das Energiesystem in den kommenden Jahren verändern muss, um das Ziel der kompletten Energieversorgung durch erneuerbare Energien zu schaffen. Denn die Stromversorgung ist nur ein Teil des Gesamtsystems und bisher noch nicht einmal der größte. Die meiste Primärenergie verheizen die Österreicher. Immerhin 52 Prozent gehen in die Wärmeversorgung. Hier liegt der Anteil der Erneuerbaren aber auch schon bei erfreulichen 34 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland haben die Erneuerbaren einen Anteil an der Wärmeversorgung von 13,2 Prozent.

Ausgenommen bleibt der Luftverkehr

Dazu kommt noch der Verkehr. Dieser verschlingt immerhin ein Drittel der gesamten Primärenergie, die in Österreich verbraucht wird – der größte Teil davon in Form von Erdöl. Gerade mal drei Prozent des Verkehrs der Alpenrepublik sind elektrifiziert – inklusive Bahn. Das heißt, ohne riesige Anstrengungen auf dem Gebiet der Elektromobilität wird da nichts erreicht. Am Ende – so sieht es eine Studie zur Energiezukunft in Österreich von Global 2000, Greenpeace Österreich und WWF Österreich – wird nur noch ein Restbedarf an Erdöl von 8,3 Prozent des gesamten Energieverbrauchs in Österreich übrig bleiben. Derzeit liegt er bei fast 38 Prozent. Dieser Ölbedarf wird dann hauptsächlich vom Luftverkehr verursacht, für dessen Elektrifizierung die Analysten bisher noch keine hinreichende Chance sehen.

600 Megawatt pro Jahr sind nötig

Die Photovoltaik muss bis 2050 einen Anteil von 12,4 Prozent an der gesamten Energieerzeugung erreichen, damit die Pläne der Wiener Regierung auch aufgehen. So zumindest haben es die Analysten in ihrer Energiezukunft-Studie ausgerechnet. Bezogen auf den Stromsektor muss die Photovoltaik sogar einen Anteil von 27 Prozent erreichen. Nur so kann der leicht ansteigende Stromverbrauch in Österreich ausgeglichen werden. Dieser wiederum beruht auf der stärkeren Nutzung der Elektromobilität, der Verbreitung von Wärmepumpen und anderer elektrischer Wärmeerzeuger.

Die Wissenschaftler vom AIT haben ausgerechnet, dass der derzeitige Zubau in Österreich nicht ausreicht, um einen derart hohen Anteil an Solarstrom im Netz zu erreichen. „Wir haben den Anteil von 12,4 Prozent Photovoltaik am gesamten Energieverbrauch auf den Zubau heruntergerechnet“, erklärt Christoph Mayr. „Unter der Annahme eines steigenden Stromverbrauchs und mit heutiger Technologie der Module schaffen wir beim jetzigen Tempo bis 2050 sechs Gigawatt Photovoltaikleistung. Wir brauchen aber mindestens 26 Gigawatt Leistung, um die erforderlichen 29,9 Terawattstunden Jahresproduktion aus der Photovoltaik bereitstellen zu können.“

Das heißt, bis 2030 müssen jedes Jahr durchschnittlich mindestens 600 Megawatt Solarstromleistung neu ans Netz gehen. Dann würde der Anteil der Photovoltaik nur an der Stromproduktion bei etwa 15,3 Prozent liegen. Um die 27 Prozent zu erreichen, muss der Ausbau danach auf 820 Megawatt jährlich anziehen.

Die Fläche reicht aus

Rein technisch wäre das kein Problem. Es ist auch genügend Platz vorhanden. Denn in Österreich stehen 170 Quadratkilometer Dachfläche zur Verfügung. Dazu kommen noch Fassaden, deren Gesamtfläche zu 60 Prozent für die Photovoltaik nutzbar ist. Um die 26 Gigawatt Photovoltaikleistung aufzubauen, wären – unter der Annahme von Technologieweiterentwicklungen und Wirkungsgradsteigerungen bis 2050 – weniger als 170 Quadratkilometer Fläche notwendig. „Das heißt aber auch, die zur Verfügung stehenden Dachflächen müssen möglichst komplett entwickelt werden, um das Ziel zu erreichen“, erklärt Mayr. „Mit kleinen, eigenverbrauchsoptimierten Dachanlagen werden wir das Ziel nicht schaffen“, ergänzt Stefan Reininger vom Klien.

Das bedeutet aber nicht, dass die Energiewende nicht dezentral sein kann. Schließlich ist genau das einer ihrer Treiber. „Wenn ein Hauseigentümer 50 Quadratmeter geeignete Fläche zur Verfügung hat, der Nachbar aber nicht, wäre es denkbar, dass die komplette geeignete Dachfläche mit Photovoltaik belegt wird. Das sind dann auch zwei eigenverbrauchsoptimierte Dachanlagen, ohne dass geeignete Dachfläche ungenutzt bleibt“, erklärt Reininger den optimalen Ansatz.

Erzeugung im Mehrfamilienhaus

Dazu müssten aber erst einmal die Rahmenbedingungen geschaffen werden. Denn bisher ist es in Österreich nicht möglich, den Nachbarn mit Solarstrom zu beliefern. Das soll sich aber in Zukunft ändern. Das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW)hat eine Initiative gestartet, das Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz (ElWOG) zu novellieren. Damit sollen zumindest Mieterstromprojekte möglich werden. Der Entwurf liegt bereits vor und soll noch in diesem, spätestens aber Anfang des kommenden Jahres verabschiedet werden.

Der Entwurf sieht das Konzept einer gemeinschaftlichen Erzeugungsanlage vor, das im ElWOG verankert werden soll. Dabei geht es darum, dass eine Erzeugungsanlage an die Hauptleitung des Hauses angeschlossen wird. Alle Bewohner des Gebäudes können sich freiwillig über ideelle Anteile an der Erzeugungsanlage beteiligen. Nur die Mieter, die das wollen, bekommen auch den Photovoltaikstrom.

Jeden Mieter einzeln abrechnen

Der Überschussstrom wird dabei ins Netz eingespeist. „Die große Kunst ist, den Solarstrom den einzelnen Zählern zuzuordnen, die ihn auch nutzen“, erklärt Benedikt Ennser, der im BMWFW für dieses Projekt verantwortlich ist. Dazu müssen intelligente Messsysteme installiert werden, um eine viertelstündliche Auflösung von Stromverbrauch und Erzeugung der Photovoltaikanlagen hinzubekommen. Nur darüber kann abgerechnet werden, wer wie viel Solarstrom und wie viel Strom aus dem Netz verbraucht.

Der Netzbetreiber behält dabei die Hoheit über die Zählpunkte und rechnet den jeweiligen Strombezug ab. Die einzelnen Zählpunkte sind aber nicht mehr direkt an das öffentliche Netz angeschlossen. Es ist wird ein Zweirichtungszähler an der Grundstücksgrenze installiert, der den gesamten Strombezug des Gebäudes aus dem öffentlichen Netz misst. Er registriert auch die Einspeisung von Solarstrom in das Netz.

Zusätzlich ist hinter der Solaranlage ein Erzeugungszähler installiert. So kann der Netzbetreiber bei der Abrechnung den direkt im Gebäude verbrauchten Solarstrom saldieren und über die intelligenten Zähler den einzelnen Wohneinheiten zuordnen.

Dabei wird der Solarstrom nur mit denjenigen Mietern abgerechnet, die sich auch an der Anlage beteiligen. Alle anderen Mieter bekommen den normalen Strombezug aus dem Netz abgerechnet. Die freie Lieferantenwahl aller Teilnehmer bleibt dadurch erhalten.

Architekten für Photovoltaik begeistern

Das ist zumindest schon mal ein Ansatz, der in die richtige Richtung geht. Allerdings bleibt die direkte Belieferung des Nachbarn mit Solarstrom weiterhin ausgeschlossen. Dazu muss das ElWOG grundlegend reformiert werden. Ein Vorschlag, den auch die Forscher des AIT machen, um den österreichischen Markt in Schwung zu bringen. „Eine weitere zentrale Maßnahme wäre, eine Solarverpflichtung einzuführen“, betont Christoph Mayr. Er berichtet von seinen Erfahrungen, dass allein die Tatsache, dass sich die Architekten mit Solaranlagen beschäftigen müssen, die Integrationsraten von Photovoltaikanlagen sprunghaft steigert. Neben Anreizen zur kompletten Nutzung aller potenziellen Dachflächen schlägt er zusätzlich ein Anreizsystem vor, damit auch die Potenziale der Industrieflächen zur solaren Stromerzeugung genutzt werden.

Außerdem müsste es eine variable Gestaltung der Abschreibungsdauer von Investitionen in Photovoltaikanlagen geben. Auch in der Energieinfrastruktur müsste sich etwas tun, um Angebot und Nachfrage zu flexibilisieren und Anreize für das Lastmanagement zu schaffen.

Es müssten aber auch die Fördermittel, die bisher immer noch in die konventionelle Stromerzeugung fließen, auf erneuerbare Energien umgelenkt werden. Immerhin steckt Wien bislang jedes Jahr 4,7 Milliarden Euro in die Subventionierung fossiler Energie, wie Stefan Reininger vom Klien berichtet. „Diese müssen in eine Richtung gelenkt werden, die nachhaltig ist“, erklärt er und berichtet von der Initiative, die der Klien zur Förderung von Speichern gestartet hat.

Schließlich ist es weniger die Photovoltaik, die jetzt einer Unterstützung bedarf, sondern die Speichertechnologien. Nur im Zusammenspiel erreicht die Solarenergie ihre Marktfähigkeit. „Die Netzparität der Photovoltaik allein reicht nicht aus“, betont Hans Kronberger von PV Austria. „Erst wenn die Eigenstromproduktion plus Speicherung die Netzparität erreicht hat, ist die Photovoltaik marktfähig.“

Er geht davon aus, dass dies bis 2022 in Österreich erreicht wird. Bis dahin werden die Kosten für die Batterien so weit sinken, dass sich die Kombination aus Photovoltaikanlage und Speicher innerhalb von zehn Jahren amortisiert. Das haben die Analysten von Pöyry Management Consulting Austria ausgerechnet.

Markt für Batterien kommt

Der Batteriemarkt wird noch weiter getrieben, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern. Bisher ist der Batteriespeicher noch nicht einmal rechtlich definiert, wie Stefan Reininger vom Klien bemängelt. Das wirft schon mal juristische Probleme bei der Technologiedurchsetzung auf. Doch wenn sie einmal etabliert sind, werden die Speicher mehr liefern als nur Haushaltsstrom zum Eigenverbrauch. Dann werden sie Systemdienstleistungen anbieten, Bilanzkreise und die Direktvermarktung von Ökostrom optimieren und die Versorgungssicherheit herstellen – alles neue Geschäftsmodelle, mit denen die Speicherbesitzer dann Geld verdienen können.

Speicherförderung geplant

Denn die Branche in der Alpenrepublik hat es mit Blick auf den Eigenverbrauch nicht so einfach. Die Haushalts- und Gewerbestrompreise sind vergleichsweise niedrig. Derzeit liegen sie bei etwa 20 bis 21 Cent pro Kilowattstunde.

Die Industriestrompreise lagen im vergangenen Jahr bei etwa zwölf bis 13 Cent pro Kilowattstunde. Das ist eine andere Ausgangslage als in Deutschland, wo Photovoltaik-Speicher-Kombinationen schon früher die Netzparität erreichen werden, weil die Strompreise höher sind.

Bis es so weit ist, muss daher auch in Österreich der Speichermarkt angestoßen werden. Die Initialzündung fehlt bislang noch. Diese soll jetzt durch die Speicheroffensive des Klien kommen. Bisher unterstützen zwar einige Bundesländer die Installation von Solarstromspeichern. Aber es wird seitens der Branche bemängelt, dass dies nicht ausreicht, vor allem mit Blick auf die einheitlichen Rahmenbedingungen in allen Bundesländern.

Der Klien hat schon mal den ersten Anlauf genommen, um eine bundesweite Förderung in Gang zu bringen. Bisher ist man aber über den ersten Aufschlag nicht hinausgekommen. Immerhin sieht der Zeitplan vor, bis zum Herbst alles festzuklopfen. „Bis zum Oktober müssen wir das Jahresprogramm für 2017 festlegen und abstimmen“, erklärt Reininger vom Klien den Zeitplan. „Bis spätestens zu diesem Zeitpunkt müssen wir wissen, wie eine solche Speicherförderung aussehen soll.“ Konkrete Einzelheiten dazu liegen noch nicht auf dem Tisch. Doch ohne Speicher wird auch die Umstellung der österreichischen Energieversorgung auf Erneuerbare nicht funktionieren.

www.pvaustria.at

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