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Auf der Stromwelle surfen

Die Photovoltaik ist immer noch unter einem enormen Kostendruck. Um weiter konkurrenzfähig in einem Strommarkt zu sein, der eigentlich nicht für Ökostromanlagen gemacht ist, weil diese nahezu ohne Grenzkosten auskommen, muss vor allem der Gestehungspreis für den Solarstrom sinken. Die Anlagen müssen preiswerter werden.

Konnten sich in den vergangenen Jahren die Systemanbieter und Planer vor allem auf die Kostensenkungen bei den Solarmodulen verlassen, geht dieser Preisrückgang jetzt langsamer. Inzwischen sind die Kostensenkungen zu einem immer größeren Teil nur noch über die anderen Komponenten zu realisieren. Hier muss an jeder Ecke gespart werden. Gleichzeitig wollen die Systemanbieter aber auch noch etwas an den Anlagen verdienen. Diesen Spagat zu schaffen ist nicht einfach. Neue Ideen – gut umgesetzt – machen es aber möglich.

So kann der Anlagenplaner beispielsweise bei der Verkabelung viel Geld sparen. Zwar machen die Kabel nur einen Bruchteil der Kosten für die gesamte Anlage aus. Doch sind sie manchmal das Zünglein an der Waage, ob ein Projekt wirtschaftlich umsetzbar ist oder nicht. Die Planer der Solarpraxis Engineering haben zusammen mit ihren Kollegen vom Elektronikkonzern Huawei erstmals zwei Solarparks in Deutschland komplett ohne klassisches Kommunikationsnetzwerk zwischen Wechselrichtern und Parksteuerung errichtet, aber eben nicht ohne Kommunikationsmöglichkeiten.

Ein bekanntes Prinzip nutzen

Sie haben auf ein gar nicht so neues Prinzip zurückgegriffen, das sich bei Computernetzwerken, bei Gegensprechanlagen oder bei Babyphones bewährt hat: die sogenannte Powerline Communication (PLC). Das ist die Übertragung von Daten über das Stromkabel. Sie basiert auf dem Prinzip der Tonträgerfrequenztechnik, indem ein Modem ein Signal auf die Stromleitung moduliert.

Diese Signale werden zwar aus der Sicht des Stromnetzes als Störungen wahrgenommen. Doch durch die hohe Frequenz im Megahertz-Bereich, in der das Signal durch die Leitung schwingt, liegen diese Störungen innerhalb der Toleranzgrenzen für die Stromeinspeisung. Bei einer Photovoltaikanlage mit Transformator nimmt das Netz diese Störungen aufgrund der galvanischen Trennung gar nicht mehr wahr, da die PLC nur auf der Niederspannungsseite des Transformators stattfindet.

Das Kommunikationsnetzwerk über das Wechselstromkabel wurde zum ersten Mal im Solarpark Dörverden umgesetzt. Auf einer etwa fünf Hektar großen Fläche im Gewerbegebiet Brocksfeld, südöstlich von Bremen gelegen, haben die Monteure 18.288 Module in jeweils vier Reihen übereinander aufgeständert.

Diese haben zusammen eine Spitzenleistung von 4.663 Kilowatt. Der von den Modulen produzierte Gleichstrom wird von 135 Wechselrichtern mit jeweils einer maximalen Ausgangsleistung von 33 Kilovoltampere in Wechselstrom umgewandelt. An jedem dieser Wechselrichter sind fünf oder sechs Strings mit jeweils 24 Modulen aus dem Werk von Astronergy in Frankfurt (Oder) angeschlossen.

Kosten werden gesenkt

Die Planer der Solarpraxis Engineering haben sich für dieses Anlagendesign und diese Komponenten entschieden, weil sie mit String- und nicht mit Zentralwechselrichtern arbeiten wollten. Bei den Anlagenplanern gehen die Vorlieben auseinander, ob man String- oder Zentralwechselrichter nutzt.

Gründe, die für die dezentrale Lösung mit Stringwechselrichtern sprechen, sind der modulare Aufbau, der Ausfälle einzelner Wechselrichter nicht so ins Gewicht fallen lässt. Außerdem ist mit den Stringwechselrichtern das Monitoring bis auf die Ebene eines Modulstrings schon vorhanden. Es muss kein separates Stringmonitoring installiert werden, wie das bei Systemen mit Zentralwechselrichtern notwendig ist.

Zudem ist der Betreiber dann unabhängig von teils kostenintensiven Wartungsverträgen mit den Herstellern von Zentralwechselrichtern. Ein weiterer Vorteil von Stringwechselrichtern, die über das Wechselstromkabel kommunizieren können, war im Falle des Solarparks Dörverden, auf ein Kommunikationskabel zwischen den Stringwechselrichtern und dem Datenlogger parallel zu den Niederspannungskabeln verzichten zu können, womit weitere entscheidende Kosteneinsparungen erreicht wurden.

Anschluss ist unkompliziert

Deshalb haben sich die Planer auch für die Wechselrichter von Huawei entschieden, da diese die Kommunikation über das Stromkabel ermöglichen. Alle anderen Wechselrichterhersteller bleiben bisher hauptsächlich noch bei den RS485-Schnittstellen. Nutzt der Planer diese, muss er das Kommunikationsnetz eines Solarparks zwingend mit einem zusätzlichen Datenkabelsystem realisieren.

Der Anschluss der Powerline Communication ist denkbar einfach, da Huawei schon alles vorbereitet hat. So haben die in Dörverden eingesetzten Wechselrichter zwar noch eine RS485-Schnittstelle. Doch kommt das Gerät – wenn der Projektierer das so bestellt – gleich mit einer Sende-Empfangs-Einheit für die Powerline Communication aus dem Werk.

Am anderen Ende der Leitung, in der Regel der Niederspannungsseite der Transformatoren im Photovoltaikpark, muss der Handwerker zunächst einen Spannungsabgriff für jede Phase installieren, an die dann eine PLC-Box zum Senden und Empfangen der Kommunikationsdaten angeschlossen wird.

Diese beiden Schnittstellen sind in der Lage, die entsprechenden Datensignale auf das Stromkabel aufzumodulieren. Dabei nutzen sie die Wechselspannung als Trägersignal und reiten auf diesem quasi zum anderen Ende der Stromleitung.

Betriebsführung problemlos möglich

Die PLC-Box ist wiederum über einen speziellen COM-Anschluss mit einem Datenlogger, dem Smart Logger 1000, verbunden. Dieser Datenlogger bietet einen Internetbrowser zur Einstellung der IP-Adresse, zum FTP-Push und anderen Funktionen. Die Box besitzt außerdem einen Ethernetanschluss, der die Einbindung in das lokale Netzwerk ermöglicht.

In Dörverden werden die Monitoringdaten, also die Daten der Leistung, des Stroms, der Spannung sowie Fehlermeldungen, per Lichtwellenleiter zur Übergabestation geschickt. Von dort werden sie dann über einen Mobilfunkrouter zum Betriebsführungsportal geschickt. Dies funktioniert über einen FTP-Push, bei dem der Smartlogger als Client die Daten zu einem FTP-Server der Betriebsführung schickt. Damit wird die Grundlage für eine professionelle Betriebsführung der Anlage gelegt.

Auch die Fernsteuerung der Anlage durch den Netzbetreiber und den Direktvermarkter wird über die Powerline Communication ermöglicht. Vorgaben des Netzbetreibers zur Wirk- und Blindleistungsregelung und Vorgaben des Direktvermarkters zur Wirkleistungsregelung werden von der Parksteuerung über ModBus TCP an die Smartlogger gesendet. Diese senden dann über die PLC-Boxen die Befehle per Powerline Communication an die Wechselrichter. Das funktioniert im Grunde wie das Senden der Monitoringdaten an den Betriebsführer, nur in entgegengesetzter Richtung.

Bei einem Kilometer ist Schluss

Die in den Wechselrichtern integrierten Sende-Empfangs-Einheiten für die PLC lesen die Informationen aus und regeln ihre maximale Wirkleistung und die Blindleistung entsprechend den Vorgaben vom Netzbetreiber und Direktvermarkter.

Dabei überträgt die Powerline Communication die Daten mindestens so schnell wie die bisher an die RS485-Schnittstelle angeschlossenen Datenkabel. So schafft sie auch die vom Netzbetreiber vorgegebene Geschwindigkeit zur Umsetzung der Steuersignale für die Leistungs- und Blindleistungsregelung der Anlagen.

Zu beachten ist allerdings, dass die Powerline Communication nur über eine maximale Länge der Wechselstromleitungen von 1.000 Metern funktioniert. Nach Angaben von Huawei wird das Signal danach so schwach, dass auf der anderen Seite förmlich nichts mehr ankommt. Bei Solarparks wie dem in Dörverden ist das kein Problem. Aber wenn die Anlage größer wird, muss der Planer die Trafostationen, in denen sich die PLC-Boxen mit den Smartloggern befinden, so in das Solarfeld verteilen, dass die Länge des Kabels zu dem am weitesten entfernten Wechselrichter dieses Maximum nicht überschreitet.

Trafo verhindert Störungen

Andernfalls kann der Monteur in den Gleichstromunterverteilungen Spannungsabgriffe installieren, an denen dann die PLC-Box und der Smartlogger angeschlossen werden. Dies bedeutet allerdings einen nicht unerheblichen Aufwand aufgrund der dann notwendigen Lichtwellenleitungen. Generell ist jedoch so die Powerline Communication auch ohne Transformatoren möglich.

Die Installation der PLC-Box und des Smartloggers ist nicht prinzipiell an den Standort des Transformators gebunden. Dies ist allerdings die Regel. Durch die galvanische Trennung in den Transformatorstationen ist der Datenverkehr auf der Niederspannungsebene vor Störeinflüssen aus dem Netz geschützt.

Auf der Mittelspannungsseite wiederum liegen dann keine aufmodulierten Daten mehr vor, welche von Fremden abgegriffen werden könnten. Inwiefern solche Störeinflüsse in der Praxis vorkommen oder inwiefern eine Verschlüsselung der Daten wichtig ist, damit haben die Ingenieure der Solarpraxis Engineering bisher noch keine Erfahrungen gemacht.

Im gleichen Jahr, in dem der Photovoltaikpark in Dörverden entstanden ist, hat die Solarpraxis Engineering in Münchenbernsdorf noch eine vergleichbare Anlage geplant und ans Netz angeschlossen, die ebenfalls mit PLC umgesetzt wurde. Nach gut einem Jahr Betriebslaufzeit der beiden Anlagen in Dörverden und Münchenbernsdorf mit einer Leistung von jeweils etwa fünf Megawatt können die Ingenieure der Solarpraxis Engineering bestätigen, dass mit der PLC eine professionelle Betriebsführung und moderne Kraftwerkssteuerung bestens funktioniert. Die wichtigsten Kosteneinsparungen werden durch keine neuen Probleme geschmälert.

www.solarpraxis.com

Solarpraxis Neue Energiewelt

Forum geht in die 17. Runde

Es ist bereits zu einer festen Institution der Photovoltaikbranche geworden: das Forum Solarpraxis. In diesem Jahr geht die größte Konferenz der neuen Energiewelt bereits in die 17. Runde. Vom 9. bis zum 11. November 2016 treffen sich wieder über 700 Entscheider aus der Photovoltaikbranche in Berlin. Mehr als 90 Referenten sind eingeladen, um über die neuesten Entwicklungen bei der Herstellung, der Finanzierung und dem Vertrieb von Solaranlagen zu berichten.

Thematisch stehen alle Bereiche der Energiewirtschaft auf dem Programm. So wird es unter anderem um die neue Rolle von Speichern gehen. Die Referenten gehen auch der Frage nach, was ein sogenannter Prosumer wirklich ist.

Die Photovoltaik wird ein zentraler Teil der Energiewende sein. Doch wohin führt diese Wende, welche Rolle spielen die vielen kleinen dezentralen und großen zentralen Anlagen? Wie kann die Sektorkopplung funktionieren, und bestimmt der Stromsektor das Energiesystem der Zukunft? Wie kann eine Industriepolitik für die Energiewelt aussehen? All das sind Fragen, die auf dem Forum Solarpraxis beantwortet werden sollen.

In der Branche ist aber vor allem der Installateur und Planer von Solaranlagen gefragt. Deshalb wird das Forum nicht nur die großen Fragen der Energiewelt behandeln, sondern sich auch mit dem Vertrieb von Kleinanlagen und hochwertiger Haustechnik beschäftigen.

www.neue-energiewelt.de

Die Autoren

Till Gottschalk

ist Manager in der Steuerungs- und Regelungstechnik bei der Solarpraxis Engineering in Berlin. Er hat unter anderem die Anlagenkommunikation, die Steuer- und Regelungstechnik und die Direktvermarkter-Schnittstellen in Dörverden und Münchenbernsdorf realisiert.

Victor Bubel

ist Planungs- und Projektingenieur bei der Solarpraxis Engineering. Er hat die Anlagen in Dörverden und Münchenbernsdorf, die mit der PLC ausgestattet sind, mit in Betrieb genommen. Victor Bubel ist beteiligt an der Planung und Realisierung von Anlagen mit mehreren Hundert Megawatt Gesamtleistung.

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