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Sächsisch grau, statt preußisch blau

Weithin heben sich das matte Gelb der sanierten Fachwerkfassaden, das Dunkelrot der Kastenfenster und das Anthrazit des frisch gedeckten Schieferdachs von den eher lieblos sanierten Gebäuden der Umgebung ab. Steil hinauf führt der Weg von der Hauptstraße zum Gutshof der Familie Gehlich. Etwa acht Meter oberhalb der viel befahrenen Durchgangsstraße, die Nossen mit Dresden verbindet, ist eifriges Klopfen zu hören, in der Hofeinfahrt stehen Baufahrzeuge. Noch immer wird gebaut, diesmal ist die Pflasterung des Hofes an der Reihe. Die Handwerker verlegen Kopfsteine zu geschwungenen Mustern. Überall lie gen Steinhaufen, die Tordurchfahrt unter der Scheune ist heute nicht zu betreten. Stolz macht Hausmeister Bernd Reichelt auf die Jahreszahl aufmerksam. Eingeschnitzt im Fachwerk über einer der zwei Eingangstüren des Haupthauses ist die 1660 zu lesen. Erst auf den zweiten Blick wird deutlich, dass nicht sächsische Schie ferplatten das rechtwinklig zum Wohnhaus angeordnete Stallgebäude vor Regen schützen, sondern Photovoltaikmodule, die auf der gesamten Dachfläche Strom erzeugen.

„Mit dem Erwerb eines solchen Objekts hat man schon die Entscheidung getroffen, sich auf einiges einzulassen“, weiß Thorsten Gehlich, Familienvater und Eigentümer der Hofanlage, über die Zusammenarbeit mit den örtlichen Denkmalschutzbehörden zu berichten.

Hof vor Abriss gerettet

Im Sommer 2003 entdeckte das Ehepaar Gehlich den Hof mit den beiden leerstehenden Fachwerkgebäuden. Auf der Suche nach einem geeigneten Objekt für die Familiengründung durchstreiften sie damals die nähere Umgebung mit dem Fahrrad und landeten hier oben. Die kräftigen Linden standen in grünem Saft, auf der Hoffläche, die heute gepflastert wird, spross das Gras. Ange

tan von der phantastischen Lage, die den Blick in alle Richtungen frei schweifen lässt, verliebten sich die beiden jungen Leute spontan in diesen Ort. Obwohl die Rückseite des Haupthauses in sehr schlechtem Zustand und das Süddach der Scheune durch Vandalismus stark beschädigt war, stellte Thorsten Gehlich Nachforschungen zu den Eigentumsverhältnissen an. Und fand heraus, dass die Kommune als Eigentümerin bereits den Abriss der Fachwerkgebäude ins Auge gefasst hatte, um das Plateau für den Bau von Einfamilienhäuschen freizugeben. Die Gehlichs setzten auf den Erhalt der alten Bausubstanz und stiegen in die Kaufabwicklungen ein, die sich über ein Jahr hinzogen. Schon vor dem Kauf nahm er den Kontakt zur Unteren Denkmalbehörde auf.

Geben und Nehmen

So wie es pragmatische Denkmalpfleger gibt, die in engem Kontakt mit den Eigentümern vor Ort agieren, gibt es ebenfalls pragmatische Bauherrn. Als Steuerberater hat Gehlich die Finanzen seiner Baustelle genau im Auge. Für die Sanierung denkmalgeschützter Gebäude gibt es keine Zuschüsse mehr. Allerdings sind die Sanierungskosten steuerlich absetzbar. Mehraufwendungen für den Erhalt der historischen Substanz dürfen die Denkmalschützer dem Bauherrn nur in einem bestimmten Rahmen auferlegen. So suchten beide Parteien gemeinsam nach Lösungen und wurden mehrfach fündig. „Es ist ein Geben und Neh men“, fasst Gehlich den Prozess zusammen. Die stark beschädigte Rückseite des Haupthauses durfte er in Massivbauweise ersetzen. Dafür hatte Ralf-Peter Pinkwart von der Oberen Denkmalschutzbehörde in Dresden dem Bauherrn den Einbau fachwerkgerechter Kastenfenster an Herz gelegt. Er vermittelte einen erfahrenen Fensterbauer, der Gehlich für die historisch einwandfreie Variante gewinnen konnte. Auch für eine diagonale Schieferdeckung setzte Pinkwart sich ein. Die Rechteckformate ohne Rundung sind regionaltypisch und werden nur in Sachsen auf diese Weise verlegt. Gehlich hatte eigentlich eine heute übliche Schieferde ckung vorgesehen. Durch die Überzeugungsarbeit Pinkwarts konnte das Dach schließlich originalgetreu ohne nennenswerte Mehrkosten wiederhergestellt werden. Nur der Dachdecker hatte das Nachsehen. Denn alle 25 mal 40 Zentimeter großen Schieferplatten mussten einzeln vor Ort gelocht werden.

Der Bauherr selbst koordinierte den Bauablauf, während zeitgleich das erste Kind der Gehlichs zur Welt kam. „Das war eine aufregende Zeit“, erinnert er sich. Erfahrung mit dem Bauen hatte er bis dahin nicht. Dafür aber eine Reihe guter Bekannter, die ähnliche Projekte durchgeführt hatten und ihm mit Rat und Tat zur Seite standen. „Außerdem bekomme ich berufsbedingt sehr viele Einblicke in die verschiedensten Gewerke“, berichtet Gehlich. So auch in die Praxis eines Wärmepumpenherstellers, zu dessen Gunsten schließlich die Auswahl der Heizquelle ausfiel.

Auch Karl Spielmann, Spezialist für Lehmbau beim renommierten Ziegelwerk Huber, stand ihm mit seinen geradezu wissenschaftlichen Fachkenntnissen zur Verfügung, als es darum ging, das Fachwerk zu sanieren und die energetischen Eigenschaften des Wohngebäudes zu verbessern. Über Fußboden- und Wandheizungsflächen versorgt nun die Erdwärmepumpe die 300 Quadratmeter Wohnfläche der zwei Wohneinheiten im Winter mit Wärme, im Sommer bei Bedarf auch mit Kälte. Dafür hat Gehlich 1.000 Quadratmeter Erdwärmeflächenabsorber im hinteren Teil des großen Grund stücks in 1,30 Meter Tiefe verlegen lassen. „Wieso sollte sich ein so altes Haus nicht weiterentwickeln?“, fragt Gehlich durchaus kritisch. Immerhin habe sich die Hofanlage seit ihrer Entstehung auch immer wieder verändert.

Regionale Produkte

Mit Photovoltaik hatte Gehlich rechnerisch schon viel zu tun, über seinen Mandanten Steffen Wagner, einen Solarinstallateur. Daher ist die Einstellung des jungen Bauherren zu der Vereinbarkeit von Geschichte und moderner Technik eine recht pragmatische. „Wenn die Solarstromanlage dazu beitragen kann, das Denkmal zu erhalten, dann sollte sie auch von den Denkmalschützern akzeptiert werden“, meint Gehlich. Wagner sieht ebenfalls den Nutzen auf Seiten der alten Bausubstanz. „Mit den etwa 50.000 Euro, die man mit einer solchen Anlage erwirtschaftet, kann die aufwändige denkmalgerechte Sanierung finanziell unterstützt werden“, rechnet er vor. Im Sommer 2005 hat Wagner die 140 Module als wasserführende Schicht auf dem südlichen Scheunendach installiert. Auch in Sachen Photovoltaik setzten Bauherr und Installateur auf regionale Produkte. Die rahmenlosen dunkelgrauen Solarmodule von der Dresdner Solarwatt fügen sich gut in das historische Ensemble. „Die Farben des Schiefers und der Module sind fast identisch“, stellt Landesdenkmalpfleger Pinkwart zufrieden fest. Auch Gehlich ist zufrieden. Die Erträge der ersten Betriebsjahre übersteigen die Prognose von 850 Kilowattstunden pro Kilowattpeak installierter Leistung. Tatsächlich erntet er 1.000, insgesamt rund 17.000 Kilowattstunden pro Jahr. Das Montagesystem, das speziell für rahmenlose Module konzipiert ist, ermöglicht einen Abstand von fünf Zentimetern zwischen Modulen und Dachlattung. Zurzeit nutzen die Gehlichs die ungedämmte Scheune lediglich als Lager- und Sportfläche. Doch selbst bei guter Dämmung des Daches würde die Indachanlage volle Erträge erbringen, da die im Zwischenraum zirkulierende Luft eine Überhitzung der Module verhindert. Eine abschließende Reihe Schieferplatten bildet die Traufe und stellt den Bezug zum alten Gebäude her. Ohne die Solarstromanlage hätte die Instandsetzung des Scheunendachs Gehlichs Budget bei weitem überzogen, er hätte die Scheune vorerst ungenutzt mit dem beschädigten Dach stehen gelassen.

„Wenn der Bau fertiggestellt ist, stirbt der Bauherr“, sagt ein altes sächsisches Sprichwort. Auf dem Lindenhof gibt es derweilen noch einiges zu tun. „Zur Not lassen wir die Planen in den Scheunenfenstern“, meint Gehlich lachend. Er sei aber eher nicht der Typ, der sein Leben auf der Baustelle verbringen möchte. Am Wochenende wird er gemeinsam mit seinen zwei Kindern das Volleyballfeld hinter dem Haus einweihen, in exklusiver Lage mit Blick auf das Nossener Schloss.

Anlagendaten

16,8 Kilowattpeak-Indachanlage

140 Module Solarwatt M120/72 GEPLK, 120 W/Modul

Fronius-Wechselrichter

zweimal IG 60 und einmal IG 40

Montagesystem „Solardach III“ von Conergy

Anja Riedel

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