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Eine Intensität wie in Afrika

Santa Maria de Palautordera sieht ein bisschen aus wie Bad Neuenahr. Nur spanischer. Schmucke Einfamilienhäuser, gepflegte Vorgärten, kleine Grünanlagen und sauber gepflasterte Sträßchen, die die Innenstadt durchkreuzen. Gleich hinter dem Ort beginnt ein ausgedehntes Wander- und Skigebiet. Eine Zugverbindung ins 60 Kilometer entfernte Barcelona gibt es nicht, dafür einen guten Anschluss zur Autobahn, die sich an der Ostküste Spaniens entlang bis weit nach Frankreich hineinzieht. „Es lebt sich ruhig hier“, sagt Marcos Ripoll. „Und doch sind wir für Transporte perfekt angebunden.“

Massenandrang vor Tarifkürzung

Ripoll ist Verkaufsleiter bei Aleo Solar España, das seit 2007 in Santa Maria de Palautordera Photovoltaikmodule im Leistungsbereich von 175 bis 195 Watt für den spanischen Markt herstellt. Außer Aleo sind noch ein halbes Dutzend einheimische PV-Hersteller aktiv. Alle zusammen haben eine Kapazität von 800 Megawatt, schätzt Ripoll. „Dennoch gibt es keine wirkliche Konkurrenz, denn der Markt ist groß genug für alle.“

Für Interviews hat der Verkaufsleiter eigentlich überhaupt keine Zeit. Die Situation sei im Moment „muy loco“ – sehr verrückt. Denn in diesen Wochen müssen möglichst viele PV-Module an die Installateure geliefert werden, damit neue Projekte noch im August bei den Behörden angemeldet werden können. Wer später kommt, verpasst womöglich die derzeit noch sehr günstigen Einspeisetarife. Ab Ende September sollen die Tarife von derzeit 45 Cent auf 33 beziehungsweise 29 Cent pro Kilowattstunde abgesenkt werden. Außerdem will die Regierung den weiteren Zubau im Jahr 2009 auf 300 Megawatt deckeln.

Ripoll sieht dadurch aber keinesfalls den Markt wegbrechen. „Die hohe Qualität und Lebensdauer der Produkte ist die Basis für den Erfolg deutscher Solarfirmen im Ausland“, sagt er beim Gang durch die Fertigungshalle. Daher sieht er für Aleo auch künftig gute Chancen in Spanien. In der Fertigung zeigt er, was damit gemeint ist. Diffizile Prozessschritte werden von den rund 70 Mitarbeitern im Drei-Schicht-Betrieb manuell erledigt: das Auflegen der EVA-Folien, das Verschweißen der Leitungsenden, das Einlegen in den speziell für Aleo entwickelten und besonders stabilen Alu-Rahmen.

Die Endkontrolle erfolgt computergesteuert mit einer 1.000-Watt-Xenonlampe, die die Leistung jedes einzelnen Moduls misst. „Weil wir so viel Wert auf Qualität legen, haben unsere Module alle eine Leistung von ein bis drei Prozent über der Norm“, sagt Ripoll. Das wüssten die Kunden zu schätzen und akzeptierten daher den höheren Preis. Zurzeit hat Aleo acht spanische Solarparks in Planung, jeder davon mit über 400 Kilowatt. Davon sind sechs Freiflächenanlagen, zwei werden auf Dächern von Industriehallen installiert.

Hohe Energieausbeute

Die Sonne entwickelt über der Iberischen Halbinsel eine Intensität, die der in Nordafrika nur wenig nachsteht. Die Energieausbeute ist entsprechend hoch. „Ein Kilowatt installierte PV-Leistung liefert in Murcia 1.420 Kilowattstunden Strom, ähnlich viel wie in Libyen oder Marokko“, sagt Arnulf Jäger-Waldau, Energieexperte bei der gemeinsamen Forschungsstelle der EU (Joint Research Center, JRC). Zum Vergleich: In Freiburg liefert ein Kilowatt 940 Kilowattstunden, in Norddeutschland rund 750 Kilowattstunden.

Spanien hängt wie die gesamte Mittelmeerregion allerdings nach wie vor unerbittlich am Tropf der Öl- und Gaslieferanten. Eine Situation, die sich drastisch verschärft hat: zum einen durch die hohen Preise für fossile Energien, zum anderen dadurch, dass sich der Verbrauch in den Mittelmeerländern innerhalb der vergangenen 30 Jahre verdoppelt hat – nicht zuletzt durch die dramatisch gestiegene Anzahl von Klimaanlagen für Fahrzeuge, Wohnungen, Industrie- und Bürogebäude.

Jeder im spanischen PV-Geschäft weiß: Die Mühlen der Bürokratie mahlen hier langsam, und die Genehmigungsverfahren können bis zu einem Jahr dauern. Das ist einer der wesentlichen Gründe, warum 90 Prozent der installierten PV-Leistung bisher in Großanlagen und nur wenig auf kleinen Hausdächern verbaut wurde. Aber auch das Geschäft mit kleinen Dachanlagen beginnt zu wachsen. Erfolg haben vor allem PV-Hersteller, die nicht nur die Module, sondern auch Wechselrichter und Montagesysteme liefern, betont Ripoll.

Aleo stockt seine Kapazitäten derzeit deutlich auf: am Hauptstandort in Prenzlau auf 170 Megawatt, in Santa Maria de Palautordera auf 20 Megawatt. In den ersten drei Monaten dieses Jahres stieg der Gesamtumsatz um 85,2 Prozent auf 69 Millionen Euro, fast die Hälfte davon wurde in Spanien erzielt. Sinkende Einspeisevergütungen werden natürlich Auswirkungen auf das Geschäft haben, das weiß auch der Verkaufsleiter. Als Folge würden wohl die Modulpreise und auch die Profite entlang der gesamten Lieferkette sinken. Er glaubt aber fest daran, dass die PV-Branche gesund genug ist, um solche Einschnitte zu verkraften. Außerdem setzt Aleo auf wachsende Umsätze in Griechenland, Frankreich und Italien, wenn sich das Spaniengeschäft vorübergehend abkühlt.

Experten optimistisch

Marktbeobachter geben diesem Optimismus durchaus Recht. „Treiber für den weltweiten PV- und Solarthermie-Markt sind künftig nicht mehr die Einspeisetarife allein“, sagt EU-Experte Jäger-Waldau. Staatlich subventionierte Vergütungen seien zwar in der Startphase eine wichtige Initialzündung, für ein langfristiges Wachstum des Solargeschäfts aber sieht er andere Faktoren als maßgebend an: Öl- und Gaspreise steigen weiter, die erneuerbaren Energien werden also viel schneller lukrativ, als viele noch vor wenigen Jahren dachten. Immer mehr Länder erlassen klare politische Regelungen und öffnen damit neue Märkte für PV.

Die Liste der Referenzprojekte wächst und damit das Vertrauen von Investoren in die Technologie. Die Systeme werden zuverlässiger, effizienter und durch Weiterentwicklung der Speichertechnologien unabhängiger von Reservestrom.

Und schließlich dürfe eine wichtige Tatsache nicht außer Acht gelassen werden, sagt Jäger-Waldau. Schon heute koste Netzstrom in heißen Ländern zu Spitzenzeiten 30 bis 50 Cent pro Kilowattstunde. In vielen Regionen Südeuropas könne PV-Strom also zu einem geringeren Preis erzeugt werden, als zu bestimmten Tageszeiten für herkömmlichen Netzstrom bezahlt werden muss.

Energiekommission winkt Kürzungen durch

Nun ging es schneller als erwartet: Schon Ende Juli winkte die Nationale Energiekommission die geplanten Kürzungen bei der spanischen PV-Förderung weitgehend durch. Bis zuletzt hatten die spanischen PV-Verbände auf ein Veto der Regierungskommission gehofft. Die Behörde regte nun lediglich an, den geplanten Jahresdeckel von 300 Megawatt erst ab dem 1. Januar 2009 gelten zu lassen. Zudem plädierte die Energiekommission für eine Deckelung des Zubaus von Freiflächenanlagen bei 250 Megawatt und von Dachanlagen bei 50 Megawatt in 2009. Das Energieministerium will im kommenden Jahr nur noch 100-Megawatt-Freiflächenanlagen und 200-Megawatt-Dachanlagen per Einspeisetarif fördern. Dieser soll um bis zu 35 Prozent gesenkt werden.

Christa Friedl

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