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Knapp an der Katastrophe vorbei

Ende vergangenen Jahres schien alles in trockenen Tüchern zu sein: Das Bundeskabinett war sich einig. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hatten den Regierungsentwurf zur künftigen Förderung von Solarstrom abgesegnet. Anscheinend herrschte zumindest auf diesem Feld Frieden in der Großen Koalition. Anscheinend. Denn plötzlich lief der wirtschaftspolitische Flügel der Union kurz vor der Gesetzesverabschiedung Amok. Die Subventionen für die Solarwirtschaft sollten nun doch drastisch gesenkt werden – zum Wohle des Verbrauchers, hieß es. Basierend auf einem von Minister Glos in Auftrag gegebenen Positionspapier des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) aus Essen forderten Hardliner sogar eine Senkung der Solar-Förderung um 30 Prozent. Das war ein echter Hammer. Fassungslos blickte die Solarbranche nach Berlin. Eine so drastische Kürzung würde sie von der sonnigen Weltspitze ins finstere Steinkohlezeitalter zurückkatapultieren. Doch vielleicht gerade weil die Forderungen der Union so maßlos waren, konnte sich der Widerstand formieren. Auch die CDU-Ministerpräsidenten der ostdeutschen Bundesländer stellten sich ihren offenbar übergeschnappten Parteifreunden in den Weg. Schließlich schaffte die Solarindustrie in der ehemaligen DDR mehr neue Arbeitsplätze als jede andere Industrie. Letztendlich mussten die Angreifer klein beigeben. Das neue EEG – mit wesentlich moderater sinkenden Solarförderungen, die vom Regierungsentwurf aus 2007 nur geringfügig abweichen – hat kürzlich die letzte Hürde im Bundestag genommen.

Nicht alles eitel Sonnenschein

„Die EEG-Novelle ist ein guter Kompromiss – aber eben ein Kompromiss“, sagt Ulrich Kelber, stellvertretender Vorsit zender der SPD-Bundestagsfraktion. „Auf Druck von CDU/CSU wird einigen Betreibern von alten Biomasse-Anlagen die Nase vergoldet. Das ist Klientel-Politik pur.“ Auch seine CDU-Kollegin Maria Flachsbarth hätte ohne die Bremswirkung des Koalitionspartners gerne noch mehr im Gesetz verankert: „Von Seiten der Union hätten wir uns noch konkretere und weiterreichende Regelungen zur Direktvermarktung und zur Wälzung gewünscht.“ Flachsbarth kritisiert, dass diese Punkte in der Gesetzesnovelle noch ausgeklammert wurden und stattdessen eine Verordnungsermächtigung der Regierung die Möglichkeit gibt, das später zu regeln. Die CDU hätte auch gerne schon Themen wie die tageszeitliche Vergütung oder virtuelle Kraftwerke in das neue Gesetz aufgenommen. Die Querelen im Vorfeld erklärt sich Flachbarth so: „Die heftigen Diskussionen resultierten aus der Frage: Wann ist die Belas tungsgrenze für den Verbraucher erreicht? Ist es überhaupt in der momentanen Lage zumutbar, den Verbraucher finanziell weiter zu belasten? Man kann nicht einerseits die finanzielle Belastung des Endverbrauchers immer weiter hochschrauben und andererseits nach Sozialtarifen rufen, wie das die Kollegen Gabriel und Kelber tun. Das ist nichts weiter als blanker Aktionismus. Als Koalition haben wir diese Streitpunkte aber beigelegt und eine zukunftsfähige EEG-Novellierung erreicht, in der ein atmender Deckel für die Photovoltaik eingeführt wurde, in der eine schärfere Degression festgelegt wurde, als im Regierungsentwurf geplant – das begrenzt die Umlagekosten für die Verbraucher und sichert einen gleichmäßigen, aber eben keinen unverhältnismäßigen Zuwachs im Bereich erneuerbare Energien.“

Die CDU-Politikerin ist sich sicher, dass der jetzige Gesetzentwurf in seiner Gesamtheit ein positives Resultat ist: „Alles in allem halte ich die EEG-Novelle, so wie sie jetzt verabschiedet wurde, für einen vernünftigen Kompromiss, ein akzeptables Gesamtpaket. Wenn man über Energie und Klima spricht, dann muss man immer das Zieldreieck, nämlich Klima- und Umweltschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit, im Auge behalten. Das haben wir erreicht. Sicherlich ist es uns gelungen, die Wirtschaftlichkeit zu erhalten und der PV-Industrie eine Perspektive für stabile Rahmenbedingungen zu geben, innerhalb derer sie mit zunehmender Effizienz am Markt Erfolge erringen wird.“

Da stimmt nun auch Koalitionspartner Kelber zu und schwärmt geradezu: „Die Erfolgsstory Erneuerbare Energie in Deutschland geht weiter. Und das sogar mit gesteigerter Geschwindigkeit. Das zeigen die Reaktionen von Umweltverbänden und Börse. Ich gehe jede Wette ein, dass nicht nur 2008, sondern auch 2009 Rekordjahre für neue Solarstromanlagen in Deutschland werden.“

Auf totales Unverständnis sorgt diese Einschätzung beim grünen Oppositionsabgeordneten Hans-Josef Fell: „Die Vergütungen für die Photovoltaik werden teils drastisch gekürzt. Kein Mensch kennt die genauen Kürzungsspielräume der Industrie. Da auch wir von relevanten Kostensenkungspotenzialen ausgehen, aber nicht wissen, welche Vergütungssätze den Markt zu sehr belasten würden, hatten wir Grünen einen flexiblen Mechanismus vorgeschlagen. Dieser wurde leider nur sehr schlampig aufgegriffen.“

Diese Anfeindung lässt Kelber kalt: „Mein Kollege, der Grünen-Abgeordnete Hans-Josef Fell bewertet die Novelle viel kritischer als die Umwelt- und Branchenverbände. Darin sieht er wohl seine Aufgabe als Oppositionspolitiker.“ Doch Fell kritisiert weiter: „Die Koalition ist sogar gezielt gegen Teilsegmente des Marktes vorgegangen. Ganz oben auf der Abschussliste standen die großen Dachanlagen. Deren Vergütung wird im ersten Jahr um 25 Prozent gesenkt, 2010 dann um weitere zehn Prozent. Von anfangs zweistelligen Vergütungssenkungen sind die Freiflächenanlagen betroffen. Es ist zu vermuten, dass diese Marktsegmente weitgehend verschwinden werden.“

Kontroverse Bewertung

Ebenso wenig wie die Politiker in der Bewertung der Novelle übereinstimmend nur Sonnenseiten ausmachen, herrscht auch bei der Einschätzung von Branchenverbänden und -organisationen eine deutliche Diskrepanz: Die Solarenergie sei den „kurzsichtigen und durchschaubaren Interessen der konventionellen Energiewirtschaft geopfert worden“, schimpft der Solarenergie-Förderverein (SFV) in einer Stellungnahme und bezeichnet die Novelle als eine weitere vergebene Chance.

SFV-Geschäftsführer Wolf von Fabeck sieht in der vom Bundestag getroffenen Entscheidung zur Solarstromvergütung „nicht nur eine energiepolitische, sondern auch eine strukturpolitisch verhängnisvolle Weichenstellung“. Die zentralen Energieversorgungsstrukturen, die uns massive Kostensteigerungen beschert hätten, blieben erhalten. Das Entstehen dezentraler Strukturen mit einer höheren Beteiligung der Bevölkerung an der Energieerzeugung würde durch die EEG-Novelle brutal abgebremst. Gar als „gezielte Schikane“ wertet von Fabeck dabei die Streichung des Fassadenzuschlages, der, so der SFV-Chef, „zum Ziel hatte, die Integration der Photovoltaik in das Bild unserer Siedlungen zu verbessern“.

Blaues Auge für Industrie

Carsten Körnig, Geschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW-Solar) hingegen ist deutlich zufriedener: „Wir sind froh, dass nun endlich wieder Klarheit besteht, wie die Rahmenbedingungen in den nächsten Jahren aussehen, und dass kein Fadenriss beim Aufbau des weltweit größten PV-Marktes mehr droht.“ Körnig ist auf die Rolle des BSW-Solar stolz: „Trotz erheblichen Gegenwindes aus dem Umfeld der Energieversorger konnten wir die Politik überzeugen, den parteiübergreifenden Konsens für einen weiteren Ausbau der Photovoltaik aufrechtzuerhalten, auch wenn damit Investitionen im höheren zweistelligen Milliardenbereich verbunden sind. Forderungen nach einer Deckelung des Marktes oder einer plötzlichen Absenkung der Solarstromvergütung im höheren zweistelligen Prozentbereich konnten abgewehrt werden.“

Doch auch der BSW-Solar muss eine bittere Pille schlucken: „Inakzeptabel ist in unseren Augen die Streichung des Integrationsbonus und die harten Degressionssätze bei großen PV-Anlagen“, sagt Körnig. „Sie könnten ab 2010 möglicherweise den Markt für ebenerdig errichtete

Solarparks, die bislang rund zehn Prozent des Marktes ausmachten, in Deutschland austrocknen.“

Erwartungsgemäß emotionsfrei beurteilen Analysten aus dem In- und Ausland die veränderte Situation durch die Gesetzesnovellierung.

Als „vernünftigen Kompromiss zwischen auskömmlichen Margen für die Industrie, die damit ihre Effizienzsteigerung und ihr Wachstum finanzieren muss, und der Notwendigkeit, über den Preisdruck Produktivitätssteigerungen zu erreichen“, bewertet Wolfgang Seeliger von der Landesbank Baden-Württemberg die EEG-Novelle. Damit würde ein wichtiger Beitrag zum Fortschritt und der Wettbewerbsfähigkeit der PV-Industrie in Deutschland erreicht.

Matthias Fawer, Vizepräsident der Sarasin-Bank, Schweiz, attestiert der PV-Industrie, mit einem „blauen Auge davongekommen zu sein“, denn „die EEG-Novelle wurde nun doch ohne drastische Absenkungen verabschiedet“. Mit dieser starken Degression, so Fawer, sei die Netzparität der Photovoltaik schon bald in Reichweite. Er erwartet einen weiteren Aufschwung nicht nur für Deutschland sondern für weltweite Standorte: „Andere interessante Märkte für PV, wie etwa Spanien, Italien, Griechenland, Korea und Kalifornien, wachsen auch enorm. Mit dem rasant steigenden Ölpreis sind die Aussichten für Erneuerbare durchweg positiv.“

Angst vor Schreckensszenario

Mit großer Sorge betrachteten dagegen die Solarunternehmen die massiven Kürzungsforderungen der vergangenen Wochen, die Kleinunternehmer deutlich angespannter als die Großen.

Günther Weinert aus Sassenburg betreibt das Einzelunternehmen „energiemix“ und ist in Anbetracht der hitzigen Debatten im Vorfeld der Novellierung nun doch erleichtert: „Die Schreckensszenarien, die da in den Wochen vor der Gesetzesverabschiedung aufgezeichnet wurden, hätten meiner Firma den Kopf gekostet. Da ist diese Regelung nun ja noch erträglich. Aber ganz klar: Für mich als kleinen Unternehmer ist jetzt enorm wichtig, dass die PV-Module im Preis erheblich sinken, damit ich die für meine Existenz notwendigen Gewinnmargen auch in Zukunft noch erwirtschaften kann.“

Seine Bedenken teilt auch Matthias Fawer: „Mit entsprechenden Kostensenkungen können die großen Unternehmen wie Q-Cells und Solarworld mit den Degressionsraten mithalten. Für gewisse kleinere Unternehmen kann es durchaus eng werden.“

In dieselbe Kerbe schlägt Körnig: „Selbstverständlich hätten wir uns von der Politik gewünscht, insbesondere 2009 die Fördersätze nicht ganz so stark abzusenken, um vorübergehende Marktschwankungen zum Schutze des Handwerks so gering wie möglich zu halten. Immerhin wurde die im Regierungsentwurf für das nächste Jahr vorgesehene Degression von 9,2 Prozent auf acht Prozent reduziert. Wir hoffen, dass die Hersteller schnell genug die Preise senken werden, um auch im ersten Halbjahr 2009 ein Marktwachstum zu gewährleisten.“

Die Abschreckung, die durch die nun zunehmend sinkenden Einspeisevergütungen hätte entstehen können, sieht Weinert übrigens momentan durch das Schreckensgespenst der dramatisch gestiegenen Öl- und Gaspreise in den Schatten gestellt. „Jetzt, wo es den Leuten über die Energiepreise für konventionelle Energien richtig ans Portmonaie geht, wachen sie auf.“ Deshalb, und auch weil viele die Vergütung für 2008 errich tete PV-Anlagen noch einstreichen wollen, verzeichnet er derzeit noch einen regelrechten PV-Boom.

Große Firmen atmen auf

Branchen-Riese Schüco aus Bielefeld ist dagegen ganz glücklich mit der neuen Regelung. Pressesprecher Thomas Lauritzen meint zufrieden: „Als Unternehmen benötigen wir Planungssicherheit und keine Hängepartien. Jetzt haben wir Fakten, mit denen wir arbeiten können und wollen. Betrachten wir es realistisch: Die Chancen der noch jungen Solarindustrie überwiegen bei weitem die Risiken.“

„Mit der erzielten Einigung herrscht Investitionssicherheit für die Betreiber von PV-Anlagen“, sagt auch Matthias Fawer von der Sarasin-Bank. „PV-Hersteller können sich nun auf die notwendige Konsolidierungen konzentrieren.“ Der Prozess, in dem sich der Verkäufer- zu einem Käufermarkt wandelt, werde beschleunigt. Umso wichtiger sei es für die Unternehmen der Branche, sich auf klassische Unternehmertugenden zu besinnen. Bedarfsorientierte Vermarktung und Kundennähe, also traditionelles Marketing, würden wettbewerbsentscheidend werden. Schüco reagiert nach dieser Einschätzung offensichtlich richtig: Das Unternehmen hat sich technisch bereits dahingehend orientiert, noch kostengünstiger zu produzieren. „Aufgabe der Industrie ist es, ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis zu erreichen. Dieser Aufgabe haben wir uns insbesondere mit der Entwicklung moderner Dünnschichtmodule verschrieben“, sagt Lauritzen.

Auch Körnig weiß, welche Anforderungen die Gesetzesnovelle mit sich bringt: „Die höhere Degression bei der Solarvergütung setzt unsere Branche jedoch unter noch härteren Innovationsdruck als bisher. Es wird jetzt darauf ankommen, die Kosten zukünftig noch schneller zu senken und gleichzeitig die Qualität weiter zu steigern.“ Er verspricht: „Unsere Branche nimmt diese Herausforderung an, die sich aus den sehr ambitionierten Vorgaben ergibt, und wird zu diesem Zweck bis 2010 unter anderem sieben Milliarden Euro in den Ausbau modernster Solarfabriken investieren. Eine Konsolidierungswelle werde es nach seiner Einschätzung in den nächsten Wochen nicht geben, allerdings weiterhin anhaltend lebhafte Übernahme-Aktivitäten und Firmenkooperationen.

Künftige Degression in Zahlen

Degression für Anlagen bis 100 kW: 2009: 8 Prozent 2010: 8 Prozent 2011: 9 Prozent Degression für Anlagen größer 100 kW: 2009: 9 Prozent 2010: 10 Prozent 2011: 11 Prozent Für Dachanlagen größer 1.000 kW wird die Vergütung gegenüber dem Kabinettsentwurf um zusätzlich 1,5 Cent pro Kilowattstunde abgesenkt (auf dann 33 Cent in 2009). Überschreitet das Marktwachstum die Obergrenze eines definierten Wachstumskorridors, steigt die Degression im Folgejahr um einen Prozentpunkt. Unterschreitet das Wachstum einen bestimmten Wert, sinkt die Degression um einen Prozentpunkt. Hier findet also eine dynamische Anpassung der Degression in Abhängigkeit vom jährlichen Marktwachstum statt (von der CDU als „atmender Deckel“ bezeichnet). Der Wachstumskorridor entwickelt sich wie folgt: 2009: 1.000 –1.500 MW Zubau 2010: 1.100 –1.700 MW Zubau 2011: 1.200 –1.900 MW Zubau

Jessica Kaup

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