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Das Gefühl zählt

Die Energiebilanz eines Hauses lässt sich auf mehrere Weisen berechnen. Den radikalsten Weg gingen jetzt die Planer des sogenannten Sunlighthouse bei Wien. Nicht nur soll das Haus den Strom- und Wärmebedarf seiner Bewohner selber decken, es soll auch die graue Energie wieder erwirtschaften, die in den Baumaterialien steckt – auch die in den Modulen der Sieben-Kilowattpeak-Solaranlage auf dem Dach. Die Bewohner sollen sich rundum gut fühlen. Mit einer stimmigen Ökobilanz, Baumaterialien, die nicht krank machen, und sehr viel Licht, das ihnen das Leben in den vier Wändenverschönert. Für Architekten heißt das, dass sie die Dachfläche nicht nur nach den Bedürfnissen der Solaranlage auslegen können. Für die Solarexperten, dass sie ihre Technik an das Gesamtkonzept anpassen müssen.

Das Sunlighthouse ist eines von sechs Gebäuden, die der Dachfensterhersteller Velux im Rahmen eines Projekts mit dem Namen Model Home 2020 in fünf Ländern Europas errichtet. Es erreicht seine gute Ökobilanz zum Beispiel durch die Wahl von Materialien, deren Herstellung nur einen geringen Einsatz von Energie erfordern, die regional verfügbar undrecyclingfähig sind. Die Planer wählten Ökobeton, der in der Herstellung 90 Prozent weniger Energie benötigt als herkömmliche Betonarten für Keller und Fundament, heimische Hölzer für die Konstruktion und Verkleidung, Zellulose und Schafwolle zur Dämmung der Gebäudehülle.

Auch die Form entscheidet mit darüber, ob das Gebäude viel oder wenig Energie verbrauchen wird. Die Architekten vom österreichischen Planungsbüro Hein-Troy platzierten deshalb den langgestreckten Baukörper mit der Holzverkleidung auf dem schmalen, abschüssigen Grundstück so, dass sich das Einfamilienhaus regelrecht den Hang hinunterschiebt. Dem höhergelegenen Nachbarn auf der Südseite streckt das Sunlighthouse seine photovoltaische Nase entgegen. Mit der ungewöhnlichen Gebäudeform erreichen die Architekten zwei Ziele: Zum einen vergrößern sie die um 45 Grad geneigte Dachfläche für die Photovoltaiknutzung. Zum anderen schafften sie mehrere Lichtschächte, die trotz der dicht stehenden, hohen Bäume reichlich Tageslicht in den Wohnraum werfen, ohne dass sich die Bewohner den nachbarlichen Blicken aussetzen müssten. Die in den Gebäudekubus eingeschnittene Terrasse, die auf drei Seiten von hohen Glaselementen umgeben ist, entwarfen die Architekten als zusätzlichen Raum für die Sommermonate. „Der Entwurf ist auf eine gute Belichtungssituation ausgerichtet“, sagt Architekt Juri Troy, „aus jedem Raum gibt es präzise gewählte Ausblicke.“ Viermal mehr Tageslicht als gesetzlich vorgeschrieben durchflutet die Wohnräume.

Die zahlreichen Dachfenster dienen auch der Frischluftversorgung. Während der Heizperiode kommt die Frischluft über eine mechanische Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung in die Wohnräume. Im Frühjahr stellt das Haus auf automatische Fensterlüftung um. Durch den Kamineffekt zwischen den Fenstern der unteren Räume und den hochgelegenen Dachfenstern durchströmt die Außenluft dann das Haus. Sensoren an der Außenwand und im Inneren des Gebäudes kontrollieren die Qualität der Raumluft und öffnen oder schließen die Fenster vollautomatisch. Außenliegende Sonnschutzelemente verhindern, dass sich die Räume in den Sommermonaten zu stark aufheizen.

„Der erste Schritt lag in der Definition des Begriffs der CO2-Neutralität“, sagt der Wiener Architekt Troy über den Planungsprozess. Dabei haben sich die Architekten mit Wissenschaftlern von der Donau-Uni Krems und vom Österreichischen Institut für Baubiologie und -ökologie darauf geeinigt, auch die graue Energie, die im Bauprozess bei der Herstellung und dem Transport der Materialien anfällt, sowie den CO2-Anteil, den die Produktion der Photovoltaikmodule erzeugt, auszugleichen. Eine Kilowattstunde photovoltaisch erzeugter Strom trägt rund 100 Gramm Kohlendioxid in sich, der aus dem Herstellungsprozessstammt. Diesen Wert nennt Peter Holzer von der Donau-Uni Krems beispielhaft für ein polykristallines Modul an einem süddeutschen Standort. Zum Vergleich: Der deutsche Strommix enthält mit mehr als 500 Gramm CO2 pro Kilowattstunde die fünffache Menge. Die Planer haben die Photovoltaikanlage so dimensioniert, dass sie nicht nur den Strom für den Gebäudebetrieb produziert, sondern auch die eingesetzte graue Energie bilanziell wieder hereinspielt.

Spezialkonstruktion Solaranlage

Die Dachflächen des Sonnenlichthauses bringen gleich dreifachen Nutzen. Zum einen holen die zahlreichen Dachfenster besonders viel Tageslicht in die Räume hinein. Zusätzlich sind zwischen den Dachfenstern auf acht Quadratmetern solarthermische Kollektoren angeordnet, die das Brauchwasser erwärmen. Für eine photovoltaische Nutzung standen schließlich die restlichen 43 Quadratmeter zur Verfügung – nicht eben üppig für die hohen Anforderungen, die die Solarstromanlage zu erfüllen hat.

Homogene schwarze CIS-Module wollten die Bauherrn von Velux gerne auf die Dächer bringen, weil diese ästhetisch am besten zum architektonischen Konzept passen. „Gleichzeitig war aber ein sehr hoher Jahresertrag vorgegeben“, sagt Rudolf Raymann, Geschäftsführer des Planungs- und Installationsbetriebs Kraft der Sonne GmbH, „da konnten wir nur sagen: Das ist unmöglich.“ CIS-Module benötigen zehn Quadratmeter für ein Kilowattpeak, während Hochleistungsmodule mit rückseitenkontaktierten Sunpower-Zellen das auch auf 5,2 Quadratmetern schaffen. Indem Raymann diese so verteilte, dass jeder Millimeter Fläche der beiden unterschiedlich geneigten Dachflächen genutzt wird, konnte er die geforderte Leistung liefern. Eine gleichmäßig dunkle Ästhetik bieten die Module trotzdem – durch die auf der Rückseite liegenden Kontakte und die anthrazitfarbene Rückseitenfolie.

Um die maßgeschneiderten Module auf den ungleichen Dachflächen unterzubringen, war auch Ertex gefordert. 18 verschiedene Formate stellte der österreichische Modulproduzent für das Sunlighthouse her. Aus Platzgründen musste das Unternehmen, das sonst Glas-Glas-Module herstellt, Glas-Folien-Module bauen. Denn die seitlichen Verbindungsstecker, die bei Glas-Glas-Modulen üblichsind, hätten wertvolle Zentimeter gekostet. Mit einer Verschaltung über Rückseitendosen, die nur bei einem Glas-Folien-Aufbau realisierbar ist, konnte Ertex die Aufgabe stemmen und die geforderte Leistung von knapp sieben Kilowatt auf 43 Quadratmetern liefern. Um trotzdem eine gute Stabilität bei hohen Schneelasten sicherzustellen, haben die Installateure die Module auf den Dachlatten mehrfach gelagert. „Die Firma Ertex kommt aus dem Glasbau, sie bauen ihre Module lieber komplett aus Glas“, sagt Raymann, „aber auch mit den Folienmodulen gibt es hier kein statisches Problem.“ Konstruktiv ist das Sunlighthouse mit einem dichten Unterdach versehen, das rund um die Dachfenster und Warmwasserkollektoren mit Dachbahnen aus Bitumen eingedeckt ist. Gestalterisch wünschten sich Architekten und Bauherrn, dass die Süddächer trotz der drei unterschiedlichen technischen Elemente eine homogene Oberfläche bilden.

Die Schwierigkeit: Aus Gründen der Dichtigkeit müssen die Dachflächenfenster so eingebaut werden, dass sie etwa fünf Zentimeter über die wasserführende Dacheindeckung hinausragen. Die Lösung: Ertex baute die Module mit einem 25 Millimeter hohen Aluminiumrahmen, so dass die auf Dachlatten verschraubten Module auf derselben Ebene abschließen wie die Fenster und Solarkollektoren. „Die Installation vor Ort war Millimeterarbeit“, sagt Raymann. Das Ergebnis überzeugt nicht nur rechnerisch, sondern auch optisch.

Anja Riedel

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