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Zwar sauber, aber nicht rein

Schon vor 20 Jahren wussten Photovoltaikhersteller, dass man Zellen aus dem Abfall der Halbleiterindustrie herstellen kann. Lange Zeit nutzten sie die abgeschnittenen Enden der Siliziumblöcke, die stärker verunreinigt waren als der Rest des Materials. „Warum verwenden wir nicht diesen Ansatz, um einen völlig neuen Weg zu gehen?“, fragt Eicke Weber, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg.

Am Anfang der Produktionskette steht das metallurgische Silizium. Weltweit werden jedes Jahr etwa eineinhalb Millionen Tonnen davon aus Quarzsand hergestellt. Es hat zwar bereits zwischen 98 und 99,9 Prozent Reinheit, ausreichend für die meisten Anwendungen zum Beispiel in der Stahlindustrie. Für die Halbleiterindustrie ist es aber immer noch zu dreckig. Ein kleiner Teil davon, rund 40.000 Tonnen, wird deshalb mit dem Siemens-Prozess weiter aufbereitet, bis die Verunreinigungen auf weniger als ein Milliardstel Fremdteilchenanteil reduziert sind.

Hochreines Silizium im Überfluss

Dass Solarzellenproduzenten dieses hochreine Silizium benutzen, ist aber eine relativ neue Entwicklung und beruht zum Teil auf Zufall. Der große Solarboom brach an, als die IT-Blase gerade platzte. Die Halbleiterindustrie hatte weniger Bedarf an dem hochreinen Rohstoff, und die Zellenproduzenten waren dankbare Kunden. „Für einige Jahre war das supersaubere Silizium im Überfluss auf dem Markt“, sagt Weber. Außerdem ist es einfacher, damit gute Wirkungsgrade zu erreichen als mit stärker verunreinigtem Material. Es hat aber den Nachteil, dass der Siemens-Prozess viel Energie kostet, da er das Silizium in die Gasphase überführt. Man macht daraus zum Beispiel Siliziumtetrachlorid. Das Gas wird dann durch Destillation gereinigt.

Alternative metallurgische Verfahren, bei denen man die Verunreinigungen etwa wegätzt und deutlich weniger Energie benötigt, galten lange als nicht gut genug. Inzwischen bieten jedoch vier große Produzenten so genanntes aufgereinigtes metallurgisches Silizium an. „Viele Zellenhersteller kaufen es bereits“, sagt Kristian Peter, Photovoltaikexperte des International Solar Energy Research Center Konstanz. Die meisten Produzenten trauen sich nicht, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Eine Ausnahme macht Q-Cells. Die Firma aus Thalheim hat bereits letztes Jahr gemeldet, dass sie 2008 800 Tonnen davon kaufen wird, bis 2018 steigt die Menge dann sogar auf über 2.000 Tonnen jährlich. Eine Möglichkeit ist, es zu 20 bis 50 Prozent unter das hochreine Silizium zu mischen. „Man kann es aber auch zu 100 Prozent in die Produktion geben“, sagt Peter. Er hat vorgemacht, wie es geht, und daraus mit einem Standardindustrieverfahren bereits multikristalline Zellen mit über 16 Prozent Wirkungsgrad hergestellt. Im Labor erreicht er nach eigenen Angaben sogar über 18 Prozent. Jetzt richten sich die Arbeiten darauf, auch monokristalline Zellen aus dem Material herzustellen und dadurch noch höhere Wirkungsgrade zu realisieren.

Mit Verunreinigungen leben

Auch Eicke Weber in Freiburg arbeitet an der Nutzung von metallurgischem Silizium. „Es kommt nicht so sehr auf den Verunreinigungsgrad an, sondern darauf, wie die Verunreinigungen verteilt sind“, sagt er. Wenn Licht auf die Halbleiterschichten trifft, geben sie ihre Energie an Elektronen ab, die sich daraufhin durch den Kristall bewegen. Sie müssen den elektrischen Kontakt erreichen, bevor sie vom Kristall wieder eingefangen werden. ISE-Chef Weber erklärt die Wirkung von Verunreinigungen am Beispiel von Eisenatomen. Sind sie im Silizium gleichmäßig verteilt, stoßen Elektronen beispielsweise jeden Mikrometer an solch eine Störstelle und gehen für den Solarstrom verloren. Gelingt es, die Eisenatome in einigen Regionen zu größeren Clustern zu sammeln, stören sie wesentlich weniger.

Eine andere Möglichkeit, energiesparender zu produzieren, ist es, den Siemens-Prozess selber zu modifizieren. Statt der chemischen Prozesse, die bei der Herstellung des aufgereinigten metallurgischen Siliziums zum Einsatz kommen, suchen Forscher nach neuen Methoden, das Silizium aus der Gasphase abzuscheiden. Heraus kommt so genanntes Solar- Grade-Silizium, das sich zwar auch nicht mehr für die Elektronikindustrie eignet, aber in der Solarzellenherstellung nicht so viele Probleme macht wie das aufgereinigte metallurgische Silizium.

Im neugegründeten Zentrum für Silizium-Photovoltaik in Halle, das Webers Institut zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik letztes Jahr gegründet hat, wollen die Forscher damit experimentieren. In der riesigen und noch sehr leeren Forschungshalle zieht der fünf Meter breite und ebenso hohe so genannte Multicrystallizer den Blick auf sich. „Das Silizium wird bei 1.500 Grad in einem Quarztiegel geschmolzen, um dann in einem durch drei Heizzonen geregelten Temperaturfeld gerichtet zu erstarren“, erklärt Christian Hagendorf, Physiker am neuen Zentrum. Noch üben die Ingenieure ihre Methoden hier mit hochreinem Silizium. Später wollen sie Solar-Grade-Silizium in großem Maßstab kristallisieren.

Die Forschung an Kristallisationsverfahren ist aufwändig. Hagendorf zeigt auf eine Kiste mit zentimeterdicken Keramikbruchstücken, Schmelztiegelüberbleibsel der letzten Versuche. „Jede Schmelze erfordert einen neuen Tiegel aus Quarz“, sagt er. Er ist eine Quelle von Verschmutzungen, die in die Randbereiche der Schmelze diffundieren. Beim Erkalten beginnt die Kristallisation des Siliziums am Boden und setzt sich Schritt für Schritt nach oben fort. Dabei ist die Form der Grenze zwischen fester und flüssiger Phase während des Erstarrungsprozesses von großer Bedeutung. Angestrebt werden möglichst planare Phasengrenzen, an denen sich keine Ausscheidungen oder Partikel ablegen, sowie ein kontinuierlicher Erstarrungsprozess ohne Stocken und Erschütterungen. „Unten sammeln sich häufig Metalle, oben Stickstoff- und Kohlenstoffverbindungen.“ Der Bodensatz und die kontaminierten Randbereiche des Ingots werden anschließend abgesägt, ebenso wie der Topbereich, weil sich dort bestimmte Verbindungen in der Schmelze sammeln. Übrig bleibt ein Siliziumblock, aus dem dann die Wafer gesägt werden.

Weitere Kostensenkung möglich

Es gibt eine Vielzahl von Stellschrauben, mit denen der Schmelzprozess optimiert werden soll. Ein Knackpunkt ist die zeitliche Steuerung des Erstarrungsprozesses. Sie beeinflusst nicht nur die Qualität der Solarzellen, sondern auch ihren Preis.

Kostenvorteile erreicht man durch kürzere Schmelzprozesse, geringere Ausfallraten und größere Massen. „Jetzt haben wir 270 und in Zukunft bis zu 450 Kilogramm oder gar eine Tonne Silizium im Schmelztiegel“, sagt Hagendorf.

Standortsicherung in Sachsen-Anhalt

Auch Q-Cells muss laut Pressesprecher Stefan Dietrich den Produktionsprozess leicht variieren, um das aufgereinigte metallurgische oder Solar-Grade-Silizium zu verwenden. Es ist deshalb auch kein Zufall, dass das neue Forschungszentrum in Halle entsteht. „Wir werden natürlich dort auch Forschung machen, die für Q-Cells interessant ist“, sagt Weber. Außerdem soll es dazu dienen, den Bedarf der Region nach qualifizierten Arbeitskräften besser zu decken. Denn es sei schwer, qualifizierte Mitarbeiter von auswärts nach Sachsen-Anhalt zu holen. Leichter ist es, wenn Fraunhofer das Institut in der Nähe baut. Allerdings legt Weber Wert darauf, dass das Zentrum nicht nur Q-Cells zuarbeitet, sondern als allgemeines Forschungszentrum allen offensteht.

Eine beträchtliche Forschungsförderung macht den Ausbau des Instituts möglich. Das neue Fraunhofer-Center erhielt kürzlich 45 Millionen Euro aus dem EFRE-Topf der EU, mit dem strukturschwache Regionen gefördert werden. Weitere jeweils 7,5 Millionen steuerten die Fraunhofer-Gesellschaft und das Land Sachsen-Anhalt bei. Sachsen-Anhalt verspricht sich von seiner Beteiligung vor allem weitere Arbeits- und Ausbildungsplätze bei Solarzellenproduzenten sowie kleinen und mittelständischen Zulieferern. „Wir haben bereits jetzt 1.500 Arbeitsplätze in der Solarzellenindustrie, und wir möchten den Ausbau auf über 5.000 im Jahr 2010 mit dem neu gegründeten Zentrum unterstützen“, sagt Wirtschaftsminister Reiner Haseloff.

Ein deutlicher Ausbau der Solarzellenproduktion kann aber nur gelingen, wenn genug Investitionen in die Siliziumherstellung fließen. Um die derzeitige Produktion von etwa 40.000 Jahrestonnen hochreines Halbleiter-Silizium um 1.000 Tonnen aufzustocken, braucht man eine Anlage, die 100 Millionen Euro kostet. Um Solarenergie in großem Maßstab einzusetzen, ist viel mehr nötig. „Wir wollen aber gerne 100.000 Tonnen herstellen, denn wir wollen ja wirklich die Weltenergieversorgung umstellen. Dann sind wir bei 10 Milliarden Euro“, sagt ISE-Chef Weber. Seine Vision: Wenn man zum Beispiel die alternative Route über das gereinigte metallurgische Silizium wählt, sinken die Kosten nach seiner Einschätzung „bestimmt um den Faktor fünf“.

Hartmut Rößler/MF

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