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Nicht mit Samthandschuhen

Das kleine Dorf Heede ist ein reizvoller Ort, finden seine Einwohner. Die Ems lädt zum Bootfahren ein, und im Ortskern können sich Touristen im Schatten der Tausendjährigen Linde ausruhen. Alles recht beschaulich. Bis es dunkel wird. Dann werden im Emsland mit schöner Regelmäßigkeit die Moduldiebe aktiv.

„Wir sind in den letzten zwei Jahren ungefähr elf Mal bestohlen worden“, sagt Heiner Hüsing, Geschäftsführer der Verwaltungsgesellschaft Sonnenenergiefonds Weser/Ems in Emsbüren. Das letzte Mal ist gerade drei Wochen her. Hüsing hatte Glück im Unglück. Die Diebe wurden anscheinend gestört und haben 20 abmontierte Module am Giebel zurückgelassen. Der Sonnenenergiefonds Weser/Ems hat die Dächer von circa 40 Hühnermast-, Legehennen- und Schweineställen in der Umgebung gemietet und betreibt dort solare Großanlagen. Eine Verlockung für Langfinger. Bis zu 40 Module wurden pro Diebesgang entwendet, die einzelnen Schäden betrugen bis zu 20.000 Euro. „Die Module sind nicht alles“, klagt Hüsing, „der Ertrag fällt aus, die zerschnittenen Kabel müssen ersetzt werden, eventuell muss auch noch das Dach repariert werden.“ Die Diebe gehen nicht mit Samthandschuhen vor und holen, wenn nötig, die Stemmeisen heraus.

Diebstahl ist im Trend

Hüsing ist nicht das einzige Opfer. Gerade in den Bundesländern, in denen viele Anlagen neu gebaut werden, räumen die Diebe genauso fleißig wieder ab. Großanlagen sind das Ziel und die Langfinger gut organisiert. Mit den richtigen Werkzeugen ausgerüstet, demontieren sie oft genau die Anzahl Module, die in einen Kleintransporter passt. In Bayern steigt die Zahl der Diebstähle von Jahr zu Jahr an. 2006 wurde neun Mal die Polizei herbeigerufen, 2007 schon 19 Mal. In diesem Jahr waren es dann 24 „versuchte oder vollzogene Delikte an Modulen“, wie es der Sprecher des LKA Bayern nennt. Pro Diebeszug wurden 30 bis 200 Module im Wert von 5.000 bis fast 200.000 Euro gestohlen.

Je nach Bundesland schwanken die Zahlen: In Baden-Württemberg sind sie in diesem Jahr gesunken, in Nordrhein-Westfalen haben sie sich in vier Jahren hingegen vervielfacht. Wenn auch mit Schwankungen, der Trend geht eindeutig nach oben. Wenn Langfinger sich für Photovoltaik interessieren, wird es schnell sehr teuer. Allein in Bayern betrug der Schaden in den vergangenen zwei Jahren mehr als eine Million Euro. Für ganz Deutschland wurde fast ein Zehntel der Gesamtschadenssumme der Versicherungen an die Opfer von Diebstählen ausgezahlt – obwohl sie nur zwei Prozent aller Schäden ausmachen. Das zeigt eine Studie des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) für den Zeitraum von 2004 bis 2007. Da kommen schnell einige Millionen Euro zusammen.

Für viele Versicherer kein Thema

Bei den Unternehmen, die Photovoltaikanlagen versichern, ist das noch nicht ganz angekommen. Diebstahl spielt für die meisten Versicherungen eine Nebenrolle. Schäden durch Sturm oder Überspannung sind normalerweise wichtiger. Diebstahl ist meistens in der Allgefahrenversicherung für Großanlagen eingeschlossen, die alles versichert, was nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Falls darin überhaupt ein Schutz vorgeschrieben wird, ist das meist nicht mehr als ein zwei Meter hoher Zaun mit Übersteigschutz, also Stacheldraht oder nach vorne gewinkelten Enden.

Nur in sehr gefährdeten Gegenden vereinbaren Versicherung und Anlagenplaner im Einzelfall zusätzliche Hürden. Aber das könnte sich ändern. Die Zahlen sehen zwar nach Aussage von Manfred Schäfer vom GDV noch nicht sehr dramatisch aus. Aber die Menge der Diebstähle steigt weiter an. „Wenn das so weitergeht, müssen die Beiträge erhöht werden.“ Modulklau in diesem Umfang war von den Versicherungen nicht einkalkuliert.

Daher wächst bei vielen Versicherern das Interesse an technisch ausgefeilten Systemen.

Das können Videoüberwachungen sein oder ein Wachdienst, der von einem Alarmsystem herbeigerufen wird. Versicherungstechnisch bekommt eine Photovoltaikanlage dadurch den gleichen Status wie ein Juweliergeschäft. Im Abschlussbericht der Projektgruppe Erneuerbare Energien im GDV spricht Schäfer Empfehlungen aus: einen massiven Industriezaun mit Betonfundamenten und ein schweres Tor, damit die Diebe nicht einfach bequem mit dem Wagen vorfahren können. Abgerundet wird das Ganze von einer Einbruchmeldeanlage, die von einem Bewegungsmelder aktiviert wird.

Die Hersteller ausgeklügelter Sicherungsanlagen verzeichnen jetzt schon eine gestiegene Nachfrage. „In den letzten Jahren ist das Geschäft kräftig gewachsen“, sagt Egon Dübner. Vor fast zwanzig Jahren hat er selber Anlagen gebaut, danach einige Zeit lang in der Sicherheitsbranche gearbeitet. Der Leverkusener hat mit seiner Firma Engineering & Services Dipl. Ing. Egon Dübner seine Erfahrungen zusammengebracht und einen sensiblen Alarmdraht entwickelt, der bereits auf die Manipulation von Modulen reagiert. Auf das Entfernen der Module erst recht.

Eine Handvoll solcher elektrischer Systeme gibt es mittlerweile. Und einige mehr werden in den nächsten Jahren auf den Markt kommen. Sie werden immer feiner in der Abstimmung und können je nach Kundenwunsch mehrere Aufgaben kombinieren. Beispielsweise die Stärke des Strangstromes zur Qualitätskontrolle messen und den Alarm auslösen, wenn er unterbrochen wird. Gleichzeitig wecken sie die Kameras aus dem Stand-by, filmen spotgenau die Diebe und übertragen die Bilder zeitgleich zum angemieteten Sicherheitsdienst. Wenn er will, wird auch der Anlagenbetreiber persönlich per SMS über die Vorgänge informiert.

Sieht so der Diebstahlschutz der Zukunft aus? Das ist sicherlich eine Preisfrage. Denn mit den hochgerüsteten Systemen entstehen zusätzliche Kosten: die Miete für die teilweise sehr teuren Systeme, Extrakosten für den Sicherheitsdienst und für den Strom, den Kameras, Scheinwerfer und die ganze Sicherungselektronik verbrauchen. Nicht jede Großanlage steht an einem gefährdeten Standort, wo sich der volle Technikeinsatz lohnt. Und wenn die Kosten für die Sicherheit den Gewinn der Anlage zu sehr schmälern, braucht man die Anlage gar nicht erst zu bauen.

Dem leidgeprüften Heiner Hüsing hat die erste Versicherung bereits gekündigt. Er rüstet seine Anlagen nun mit Kameras und Sensortechnik auf. Vor der Videoüberwachung, hatte er versucht die Schrauben der Module durch Stahlkugeln zu sichern. „Die Diebe haben sich aber gar nicht beirren lassen und ohne Verzögerung weitergemacht. Gegen Hebeleisen haben die Schrauben keine Chance.“ Von den andauernden Diebstählen ist er zermürbt. Auch an die neue Technologie will er nicht mehr glauben. „Eine allumfassende Diebstahlsicherung für Photovoltaikanlagen gibt es bisher noch nicht.“

Für ihn sind die neuen Investitionen eher eine Verzweiflungstat, aber wenigsten helfen sie ihm, den Versicherungsschutz nicht zu verlieren.

BD

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