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Auf dem Stand von Bleiglasfenstern

Durch vernetztes Denken und interdisziplinäres Wirken eine Einheit von Gestaltung und Technologie schaffen – das hat das Bauhaus Anfang des 20. Jahrhunderts zur bedeutendsten Bewegung in Architektur und Design gemacht. Die Bauhaus-Universität Weimar hat heute die Aufgabe, diesen Anspruch ins neue Jahrhundert zu übertragen. „Für das 21. Jahrhundert hängt die Bauhausidee von der Verknüpfung von Form und Funktion zwangsläufig mit neuen Energiekonzepten zusammen“, sagt Jürgen Ruth, Professor für Tragwerkslehre an der Bauhaus-Universität. Folgerichtig haben sich der Clusterverein der thüringischen Solarindustrie Solar Input und die Weimarer Bauhaus-Universität zusammengetan, um im November 2008 den internationalen Kongress Bauhaus Solar aus der Taufe zu heben.

Erfahrungen und Visionen

Von Gebäudeintegration, Energieeffizienz und solaren Bauelementen über Stadtentwicklung, Siedlungsmodelle und Landschaftsplanung zu Architektur, Design und Ökonomie spannte sich der weite Bogen des Erfurter Kongresses. In dem ambitionierten Programm ging es nicht nur um Erfahrungen aus der Praxis, sondern auch um Visionen und einen interdisziplinären Diskurs.Thomas Nordmann, Geschäftsführer der Schweizer TNC Consulting, lieferte zu Beginn des ersten Veranstaltungstags die wichtigstenStichworte. Trotz der Erfolgsgeschichte der Photovoltaik in Deutschland sei der Anteil an gebäudeintegrierter Solartechnik (BIPV) immer noch verschwindend gering. Dabei sei es absolut richtig, den Strom dort zu produzieren, wo er am wertvollsten sei, nämlich beim Endkunden. „Und warum wird so wenig BIPV realisiert?“, fragt der Schweizer Solarpionier weiter. Weil Architekten und Photovoltaikhersteller keine gemeinsame Sprache sprächen. Die Planer interessierten sich primär für Oberflächen, Materialien, Farben, während die Solarindustrie sich über Volt, Ampere und Kilowattstunden verständige. Die am Markt erhältlichen PV-Module haben zwar ähnliche, abereben doch unterschiedliche Formate. Das erschwere den Architekten die Arbeit mit den Solarstromelementen, da sie konkrete Bauteile im Planungsprozess erst spät ausschreiben. „Analog zur Entwicklung der Glastechnologie ist die Photovoltaikindustrie heute erst auf dem Stand von Bleiglasfenstern angelangt“,behauptet Nordmann provokativ. Für die Entwicklung einer ansprechenden Ästhetik gebe es noch viel Spielraum. Ein weiterer Keynote-Speaker sorgte eher für Belustigung im Carl-Zeiss-Auditorium. Der florentinische Architekt David Fisher konnte dem Fachpublikum weder die nachhaltige Bauweise seiner dynamischen Hochhausentwürfe für Dubai und Moskau überzeugend darstellen noch die schlüssige Integration erneuerbarer Energien. „Das Nullemissionshochhaus bleibt vorerst eine Illusion“, stellte Klaus Daniels, Klimaingenieur und Professor an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, später klar. Selbst mit größten Ambitionen, wie gerade im Entwurf eines 100 Meter hohen Turmes im Pariser Vorort La Defense erprobt, können lediglich 62 Prozent der Energieverbräuche regenerativ gedeckt werden. Martin Haas von Behnisch Architekten und Heide Schuster aus dem Büro Werner Sobekin Stuttgart rückten mit ihren fundierten Vorträgen das Ansehen der Architektenzunft wieder gerade. Im Hause Sobek will man Architektur völlig neu denken. Die Planer lehnen Verbundmaterialien ab und beschäftigen sich besonders mit der Wiederverwertbarkeit der Materialien im Gebäude. Daraus solle jedoch keine Enthaltungsästhetik erzeugt werden. Für das Haus H16 setzten Sobek Architekten hochwertige Gläser, integrierte Verschattungselemente und eine mit Solarstrom betriebene Wärmepumpe ein. Die Photovoltaikanlage des kubischen Einfamilienhauses ist unsichtbar in das Flachdach integriert.

Mehr BIPV-Projekte erwartet

„Das Thema Photovoltaikintegration ist aktueller denn je.“ Seit 15 Jahren bietet der österreichische Architekt und Professor an der Donau-Universität Krems, Johannes Kislinger, seinen Bauherrn die Integration von Solarstromanlagen ins Gebäude an. „Im nächsten Jahr wird es mehr BIPV-Projekte geben“, lautet Kislingers Einschätzung, „auch wenn manche sich damit lediglich das grüne Mäntelchen umlegen“. Leute, die wirklich rechnen, entscheiden sich für Photovoltaik am Gebäude, weiß der Experte für nachhaltiges Bauen aus eigener Erfahrung.Einige Anregungen konnte Kislinger für seinen beruflichen Alltag von der Veranstaltung mitnehmen. Allerdings sei das Erfurter Programm noch zu wenig auf die Zielgruppe der Architekten und Planer ausgerichtet. Die Vorträge der Bauhaus-Universität zeigten, dass die Photovoltaik in Weimar noch nicht wirklich Einzug gehalten habe. Doch mit dem Projekt Bauhaus Solar könnte sich das ändern. „Es wird eine Juniorprofessur eingerichtet mit dem Profil Erneuerbare Energien. Diese soll die Fachbereiche integrieren und übergreifend aktiv werden“, erklärt Jürgen Ruth von der Bauhaus-Universität. Außerdem sind einige Forschungsanträge zur Solarintegration gestellt. Im nächsten Jahr, zum 90. Geburtstag des Bauhauses Weimar, wird es die Tagung Bauhaus Solar wieder geben. Bis dahin könnte sich in Weimar einiges bewegen.

Anja Riedel

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