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Wie aus dem Nichts aufgetaucht

Bei einem Besuch der Fabrik des neuen Solar-Start-ups Solyndra im kalifornischen Fremont fallen als Erstes die vielen Röhren ins Auge. Automatisierte Fahrzeuge befördern durchsichtige, silberne, graue, grüne, blaue und schwarze Röhren zu unterschiedlichen Stellen, wo sie von Robotern und Maschinen gesäubert, beschichtet und graviert werden.

Die Zylinderform ist der auffallendste Unterschied zwischen Solyndras CIGS-Zellen (auf Basis von Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid) und den Produkten der Konkurrenz. Anstatt auf herkömmlichen rechteckigen Flachmodulen montiert Solyndra die Zellen auf Glasröhren. „Die Welt der Solartechnik ist nicht mehr flach“, verkündet das Unternehmenauf seiner Homepage. Auf Basis eines Koevaporationsprozesses bei hohen Substrattemperaturen werden die Röhren erst mit dem Rückkontaktmaterial, dann mit Kupfer, Indium, Gallium, Selen und Frontkontaktmaterial beschichtet. Dann ritzen Laser eine Spiralhelixform zwischen die einzelnen CIGS-Schichten, so zerschneiden sie die Röhre in eine Reihe miteinander verbundener separater Zellen. Die beschichteten Röhren werden maschinell in Außenröhren mit einem Inch (2,54 Zentimeter) Durchmesser gesteckt. Der Zwischenraum wird mit kostengünstiger optischer Kopplungsflüssigkeit gefüllt, dadurch kann die beschichtete Innenröhre dasSonnenlicht, das auf die Außenröhre trifft, effektiv einfangen. J. Kelly Truman, Mitbegründer von Solyndra, zeigt auf die Außenröhre, in der sich die Innenröhre und die Flüssigkeit befinden. Fast sieht es aus, als ob auch sie beschichtet wäre. „Dafür sorgt die optische Kopplungslösung“, sagt er. „Und die ist richtig preiswert.“ In einem anderen Gebäude in Milpitas passen andere Maschinen die Röhren in Rahmen ein. Ein Modul von ein auf zwei Metern besteht aus 40 Röhren, seine Spitzenleistung beträgt 170 bis 190 Watt. Laut Solyndras Angaben reduziert die Zylinderform der Zellen sowohl die Produktionskosten als auch die Installationskosten – ein nicht zu02 / 2009 | www.photovoltaik.euverachtender Vorteil, denn die Installationskosten machen im Durchschnitt ungefähr die Hälfte der Gesamtkosten einer Solaranlage aus. Laut Manfred Bachler, Chief Technical Officer beim Solyndra-Kunden Phoenix Solar AG, einem großen deutschen Photovoltaik-Systemhaus, können Solyndra-Module mit einem Drittel des Personals in einem Drittel der Zeit installiert werden, was die Kosten um die Hälfte senke. „Für Gewerbe- und Industriegebäude können Dachinstallationen jetzt in Tagen bemessen werden, nicht mehr in Wochen“, sagt er in einer Pressemitteilung. „Für die Flachdachmontage auf gewerblichen Gebäuden ist dies eine marktumwälzende Technologie.“

Standfeste Leichtgewichte

Warum sind die Röhren so viel besser? Zum einen ermöglichen Abstände zwischen den Röhren, dass der Wind ähnlich wie bei einem Maschendrahtzaun durch die Module strömen kann – anders als bei herkömmlichen Anlagen, bei denen der Wind auf die Module wie auf ein Segel Druck ausübt. Durch die Luftströmung sinkt die Betriebstemperatur, dadurch steigt die Effizienz der Zellen. Da der Winddruck geringer ist als bei konventionellen Modulen, können sie durch eine einfache Klickverbindung aneinandergehängt werden. Die Module sitzen so auf Flachdächern von gewerblichen und Industriegebäuden, ohne dass sie mit dem Dach verankert werden müssen. Laut Firmenangaben halten sie auch, obwohl sie mit 16,3 Kilogramm pro Quadratmeter „viel weniger“ als andere Module wiegen. Die Module sind für Windstärken von bis zu 208 Kilometer pro Stunde zugelassen, ohne dass man sie mit Durchdringung der Dachhaut oder Ballast befestigen muss.Wie die Firma weiter erklärt, kann die Zylinderform der Zellen das Sonnenlicht im Laufe des Tages aus allen Winkeln auffangen, ohne dass die Teile verschoben oder geneigtwerden müssen, sie müssten nicht einmal nach Süden zeigen. Verglichen mit herkömmlichen Solarzellen aus kristallinem Silizium können CIGS-Zellen indirektes Licht besser umwandeln. Solyndra-Zellen machen sich diesen Vorteil zunutze: Sie fangen laut Truman auch das Sonnenlicht ein, das von darunter befindlichen weißen Dächern an die Zellen zurückreflektiert wird. Das Argument ist allerdings etwas verkürzt. Dachparallel montierte konventionelle Module fangen ja auch das gesamte Licht auf, außerdem kommt es zu Reflexionen, wenn die Sonnenstrahlen im flachen Winkel auf die Oberfläche auftreffen. Solche Reflexionen treten auch an Solyndra-Modulen auf und reduzieren die Leistung. „Es ist nur viel schwieriger, die Reflexion zu berechnen“, sagt Igor Rauschen von Pohlen Solar, einer Dach- und Solartechnikfirma aus dem deutschen Geilenkirchen. Das geht nur mit einer vollständigen Ray-Tracing-Berechnung, die den Weg der Sonnenstrahlen, die die Modulfläche treffen, explizit nachvollzieht. Pohlen Solar hat diese Rechnung durchführen lassen. „Die Solyndra-Module versprechen höhere Erträge als flach liegende kristalline Module, aber niedrigere Erträge als aufgeständerte kristalline Module“,sagt Rauschen. Allerdings hänge der Ertrag bei Solyndra-Modulen auch stark davon ab, wie gut die Dachbahn das Sonnenlicht reflektiert. Solyndra selber äußerte sich nicht im Detail zur Leistungsfähigkeit pro Modul, doch laut Truman sind die Zellen, wenn sie aus den Röhren genommen und flach positioniert werden, in der Lage, Sonnenlicht mit einem Wirkungsgrad von zwölf bis 14 Prozent in Strom zu verwandeln. „Auf Modulebene ist die Leistung absolut erstaunlich“, sagt er. Laut Truman produziert ein Solyndra-Modul mehr Kilowattstunden pro Kilowattpeak – es liefert also mehr Strom als herkömmliche flache Module verglichen zur Maximalleistungbei Spitzenbedingungen. „Durch die kleineren Innenröhren und dünneren CIGS-Zellen, die dank einer besseren Prozesssteuerung möglich sind, können wir kostengünstigere Zellen produzieren.“ Es gibt allerdings auch Stimmen, die diese Aussagen in Zweifel ziehen. Eine davon gehört Martin Roscheisen, dem Vorstandsvorsitzenden des Konkurrenten Nanosolar, der auch CIGS-Zellen produziert. In einem Blog stimmte Roscheisen zwar zu, dass die Produktion von Röhren nicht teuer sei, schrieb aber, dass zylindrische Röhren, die ein Inch auseinanderliegen, 60 Prozent mehr Zellenmaterial benötigten als flache Module, um die gleiche Menge an Sonnenlicht zu sammeln. Diese Schätzungen beruhen allerdings auf einem Szenario, in dem die Zellen gegen die Außenröhren gedrückt sind und nicht in einer kleineren Innenröhre liegen. Roscheisen behauptet weiter, dass die Zylinder bei schwachem Sonnenlicht weniger Kilowattstunden produzierten als flache CIGS-Module und dass die Installation dieser Module weder einfacher noch billiger sei, außerdem seien sie 50 Prozent schwerer als ein gewichtoptimiertes Dünnschichtmodul. Eine harsche Reaktion, aus der man schließen kann, dass er die wie aus dem Nichts aufgetauchte Firma ernst nimmt.

Langsamer Anlauf

Solyndra wurde 2005 von CEO Christ Gronet und J. Kelly Truman, Vice President Marketing, Sales & Business Development, gegründet. Gronet arbeitete vorher für eine Wagniskapitalfirma. Bei der Suche nach neuen Investitionsmöglichkeiten evaluierte er alle möglichen Firmen und sah dabei immer wieder Solaranlagen mit Flachmodulreihen, die auf Dächern winklig aufgestellt waren. Dabei wurde ihm klar, dass diese geneigten Module viel Platz und Licht verschwendeten. „Da hatte ich die Idee, dass runde Objekte – also Röhren – Licht aus allen Winkeln sammeln und bei der Energieerzeugung auf Dächern effektiver funktionieren würden.“Dieser Gedanke war für ihn so interessant, dass er eine Firma ins Leben rief. Bis Februar 2006 finanzierte Gronet die Firma selbst, dann fing er an, Finanzmittel zu beschaffen. Fast drei Jahre hörte man so gut wie nichts von der Firma, die auf Publicity bewusst verzichtete. „Wir stellten eine Menge guter Leute ein, beschafften Geld und suchten uns Kunden“, sagt Truman. „Eine relativ kleine Anzahl von Kunden können wir direkt bedienen. Wir wollten einfach keinen großen Lärm darum machen.“Im Oktober war schließlich die Zeit gekommen, doch noch Lärm zu machen. Solyndra hatte inzwischen eine Fabrik mit einer Leistung von 110 Megawatt gebaut und Verträge mit Kunden wie der Phoenix Solar in der Tasche. Daraufhin hörte die Firma mit der Geheimniskrämerei auf und gab bekannt, dass sie 600 Millionen US-Dollar an Kapital beschafft habe – an Bord sind große Investoren wie zum Beispiel Virgin Green Fund, Madrone Capital Partners, Rockport Capital Partners, Argonaut Private Equity, Masdar, Redpoint Ventures, Christ Gronets früherer Arbeitgeber U.S. Venture Partners, Artis Capital Management und CMEA Ventures.Laut Truman begann Solyndra danach mit dem Marketing: Die Firma hatte sich entschlossen, ihre Kunden von nun an beim Verkauf der Solyndra-Systeme zu unterstützen. Das erste Serienmodul wurde im April hergestellt, im Juli nach der Zertifizierung gingen erste Module an die Kunden – und die Firma machte erste Umsätze. „Wir haben das erste volle Quartal hinter uns gebracht“, sagte Truman im Oktober. „Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, an dem wir an die Öffentlichkeit treten müssen, wenn wir große Anlagen verkaufen wollen.“ Zwar macht die Firma keine Angaben darüber, wie viele Zellen sie in ihrer Fabrik tatsächlich produziert, doch sollen für die nächsten fünf Jahre bereits Verträge mit einem Gesamtvolumen von über 1,5 Milliarden US-Dollar bestehen. Neben Phoenix Solar zählen Firmen wie die deutschen Anlagenbauer Solar Power und Geckologic GmbH sowie die US-amerikanische Bedachungsfirma Carlisle zu Solyndras Kunden. Die Tatsache, dass überhaupt produziert wird, heißt aus Sicht von Jenny Chase, Senior Associate bei New Energy Finance und Expertin für die Solarbranche, dass die Firma besser dasteht als die meisten anderen. „Sie haben ein Produkt und einen Anwendungsfall mit Alleinstellungsmerkmalen. Daher sind sie vielleicht nicht ganz so stark dem totalen Blutbad ausgeliefert, wie es die Standardmodule auf Glas erleben werden“, sagt Chase weiter. Solyndra ist gerade dabei, eine zweite Fabrik zu bauen, die die Gesamtproduktionsleistung verfünffachen wird. Laut Antrag, der im Mai bei der Stadtplanung Fremont einging, soll die Fabrik Solarmodule mit einer Leistung von bis zu 450 Megawatt pro Jahr produzieren. Doch wie CEO Chris Gronet der photovoltaik im November erzählte, geht das Unternehmen inzwischen von einer Kapazität von etwa 500 Megawatt aus. Mit genauen Informationen zum erwarteten Eröffnungsdatum der Fabrik hält sich Solyndra allerdings bisher zurück.

Finanzierung fraglich

Die Erweiterung hängt wohl zumindest teilweise von der Finanzierung ab. Im Oktober ließ Gronet verlautbaren, dass die Firma noch mehr Kapital beschaffen wolle, machte aber keine Angaben zu der geplanten Investitionshöhe. Trotz der Wirtschaftskrise und all der Geschichten über Investoren, die sich aus anderen Verpflichtungen in der Solarbranche zurückziehen, berichtete der Newsletter PE Week Wire im Januar, dass das Unternehmen in seiner fünften Finanzierungsrunde Kapital in Höhe von 219,2 Millionen US-Dollar beschaffen konnte.Allerdings hat sich schon des Öfteren gezeigt, dass die kostengünstige Produktion von Dünnschichtzellen in großen Mengen schwieriger ist, als so mancher Neuling anfangs dachte, warnen Analysten. First Solar ist eine der wenigen Firmen, die wirklich größere Mengen produzieren. „Immer wieder tauchen neue Firmen mit neuen Technologien auf, die den Markt übernehmen wollen“, erklärt Morningstar-Analyst Stephen Simko. „Es ist schon erstaunlich, wie viele Technologien angeblich den bereits vorhandenen überlegen sind. Aber die tatsächliche Produktion und der Bau von Fabriken ist schwieriger, als eine vielversprechende Technologie zu entwickeln.“Solyndra glaubt auch, dass das Unternehmen vor einem eventuell bevorstehenden Preiskrieg geschützt ist, weil seine Solarmodule eine ganz besondere Form haben. Beispielsweise, so Gronet, besteht in einigen Teilen Europas ein Windlastlimit, das heißt, die Solarmodule müssen eine bestimmte Menge Wind aushalten. In manchen Fällen könne es da bei Modulen, die am Dach befestigt sind, dazu kommen, dass das ganze Dach weggeblasenwird. „In solchen Fällen sind wir die einzige Solaralternative“, sagt Gronet. „Genau diese Anwendungsfälle und diese Nutzer sind unsere Zielgruppe. Dadurch sind wir den Entwicklungen auf dem Markt für Flachmodule nicht ganz so stark ausgesetzt.“ Das Unternehmen will zudem die sogenannten „Cool Roofs“ mit weißer Oberfläche angehen; davon existiert laut Gronet in den Vereinigten Staaten eine Fläche von rund 100 Millionen Quadratmetern. Diese hellen Dächer reflektieren das Sonnenlicht, um das Gebäude besser zu kühlen und Strom für Klimaanlagen zu sparen. Laut Gronet passen die Module von Solyndra gut auf diese „kühlen Dächer“, weil sie nicht so heiß werden. Flachmodule dagegen heizen solche Dächer auf. Wenn Solyndra diese ganzen 100 Millionen Quadratmeter an kühlen Dächern mit ihren Produkten bestücken würde, entspräche das Modulen mit einer Leistung von etwa fünf Gigawatt. „Es gibt jede Menge Marktchancen“, lautet Gronets Devise.

Jennifer Kho

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