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Unabhängig vom Stromnetz

Während der Markt für netzgekoppelte Photovoltaikanlagen 2008 weltweit satte fünf Gigawatt neu installierte Leistung verbuchte, fällt die Bilanz der Offgrid-Anlagen – also netzunabhängiger Systeme – deutlich schlechter aus. Nur rund 100 bis 150 Megawatt dürften es nach Schätzungen von Jürgen Raach, dem Geschäftsführer der auf Offgrid-Lösungen spezialisierten Solar23 GmbH, im letzten Jahr gewesen sein. Eingerechnet hat Raach hier schon eine jährliche Steigerung von zehn Prozent.

„Dabei es ist das weltweite Potenzial erheblich“, bestätigt Andreas Schlumberger, Pressesprecher der Kaco New Energy GmbH aus Neckarsulm. „Ein Großteil der Menschheit ist vom Anschluss an das öffentliche Stromnetz abgeschnitten. Ein bis zwei Milliarden Menschen müssen sogar gänzlich ohne Elektrizität auskommen“, sagt Schlumberger. Im Wesentlichen werden Offgrid-Systeme derzeit zur ländlichen Elektrifizierung, das heißt vor allem für Straßenlaternen und Telekommunikation eingesetzt.

Die Gründe dafür, dass der Markt für Inselsysteme bislang nicht richtig in Gang kommt, sind vielfältig. Zu hohe Systempreise und fehlendes Know-how bei der Wartung sind für Benjamin Rudas, den Verkaufsleiter für Südamerika beim Hersteller und Systemintegrator Steca, die Ursachen, die das stark projektabhängige Geschäft oft scheitern lassen.

Im Bereich der ländlichen Elektrifizierung, wo der Bedarf in Afrika besonders groß ist, zeigt sich für Jürgen Raach aber auch ein anderes Problem. So zerstört seiner Meinung nach gerade das finanzielle Engagement von Europäischer Union und Weltbank nationale PV-Märkte zugunsten von Großkonzernen. Kritisch beobachtet er auch die Aktivitäten der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). „Die Volumina der KfW-Projekte liegen typischerweise zwischen 10 und 30 Millionen Euro, die nur an ausländische Großkonzerne vergeben werden“, sagt Raach. „Die meisten deutschen und afrikanischen Solarunternehmen sind jedoch mittelständische Firmen. Sie garantieren Arbeitsplätze vor Ort und engagieren sich auf lokaler Ebene mit Produktionseinheiten und Servicestrukturen.“

Verzerrter Wettbewerb

Hinzu komme das Problem der Quersubventionierung bei Großunternehmen, die zu Verzerrungen bei der Auftragsvergabe führt. „Wenn etwa ein französischer Großkonzern die Ausschreibung für den Bau von 16.000 Solar Home Systems (SHS) wie zum Beispiel in Marokko gewinnt, wird der dortige Markt kurzfristig monopolisiert, und die natürliche Konkurrenz vor Ort verliert ihre Existenzgrundlage“, erklärt Raach den Zusammenhang. Die KfW bestreitet diese Vorwürfe. Für Charis Pöthig, Sprecherin der KfW-Bankengruppe, „ist es ein weit verbreitetes Missverständnis in der Industrie, dass die KfW dafür da sei, die deutsche Industrie zu fördern. In der finanziellen Zusammenarbeit praktizieren wir politisch gewollt die Regeln des internationalen Wettbewerbs, also die OECD-Richtlinien.“ Bisher hätten deutsche Firmen laut Pöthig auch noch kaum an diesen Ausschreibungen teilgenommen.

Dem widerspricht Raach: „Im Jahr 2008 hat die KfW neben Marokko in Südafrika wieder ein 50.000-SHS-Projekt an die französische Électricité de France (EdF) in Südafrika gegeben, obwohl auch deutsche Firmen an der Ausschreibung teilgenommen haben“, rügt Raach. In beiden Fällen habe sich die KfW über die Empfehlung der örtlichen Industrieverbände und Verwaltungen hinweggesetzt, das Großprojekt auf mehrere Anbieter zu verteilen. „Bis heute ist noch kein einziges der 50.000 SHS, die die KfW in Südafrika finanziert, installiert worden.“ Das Projekt ist damit laut Raach bereits fünf Jahre im Verzug. Für Raach sind sowohl Marokko als auch Südafrika ein einziges Desaster, weil deutsche Steuergelder für die hochsubventionierte französische Atomindustrie ausgegeben würden.

Daneben kritisiert Raach, dass die meisten Off-Grid-Projekte auf Grund von Bürokratiehemmnissen zu lange dauerten und zu viele Gelder für Gutachter und Berater ausgegeben würden. „Oft machen die Honorare für diese Beratungsleistung im Vorfeld bis zu 20 Prozent des Gesamtbudgets aus“, sagt Raach. Zudem sei der Zeitraum, der zwischen Ausschreibung und dem tatsächlichen Baubeginn verstreiche, oft so groß, dass sich die Rahmenbedingungen der Projekte bereits wieder geändert hätten. Auch sieht Raach eine Schwierigkeit für ortsansässige Unternehmen, überhaupt an finanzielle Mittel zu kommen. Seiner Erfahrung nach geben die Banken noch keine Mikrokredite an die Landbevölkerung für die Finanzierung von PV-Systemen. Zusätzlich behindernd wirkten die in Entwicklungsländern oft weit verbreiteten Monopole von Energieerzeugung und -distribution, die häufig eine Eigenerzeugung von Strom durch PV-Anlagen verhinderten.

Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen kann Raach in einzelnen Segmenten des Offgrid-Marktes positive Veränderungen sehen. So zeige sich beispielsweise bei solarbetriebenen Straßenlaternen ein Trend zu LED-Leuchten, die weniger Energie verbrauchen, aber trotzdem ein helleres Licht erzeugen und insgesamt länger halten als konventionelle Leuchtmittel. Dies bestätigt auch Andreas Paul, Sales & Marketing Director beim Komponentenhersteller Phocos in Ulm.

Im Rahmen der zunehmenden Elektrifizierung von Dörfern sieht Raach einen Trend zu größeren Anlagentypen. Beispiel Senegal: Hier hat Solar23 GmbH im kleinen Dorf Ndelle, das etwa 180 Kilometer von Dakar entfernt liegt, eine Solarstromanlage mit insgesamt 8,4 Kilowatt Leistung installiert. Unterstützt wurde das Projekt von der Deutschen Energie-Agentur GmbH (Dena) sowie von der Behörde Agence Sénégalaise d’Electrification Rurale (ASER), die in Senegal zuständig ist für die ländliche Elektrifizierung und dabei eng mit dem Energieministerium des Landes zusammenarbeitet. „Beteiligt war außerdem die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die über ihr Regionalprogramm PERACOD ihr technisches Wissen einbrachte und mithalf bei der Logistik, dem Netzaufbau und dem Aufbau des sozialen Umfelds“, sagt Raach. Für das Projekt hatten sich die Akteure mit Solar23 und seinem lokalen Partnerunternehmen EnergieR zusammengeschlossen, um ein dezentrales Inselnetz mit mehreren Solargeneratoren aufzubauen und zu betreiben.

Wie wichtig eine professionelle Betreuung vor Ort ist, bestätigt auch Michael Wollny, Director Sales Off-Grid Solutions beim Wechselrichterhersteller SMA. „Wir sind heute beispielsweise in 15 Ländern Afrikas aktiv und bieten unseren Kunden neben einer fünfjährigen Werksgarantie auch direkten Service über Partnerunternehmen an.“ Um den notwendigen Know-how-Transfer zu gewährleisten, veranstaltet SMA regelmäßig sogenannte Sunny-Island-Seminare. „Die werden von unseren Kunden sehr gut angenommen, so dass sie bereit sind, die Reisekosten selbst zu übernehmen, um sich in Deutschland in unserem Schulungszentrum trainieren zu lassen“, sagt Wollny. Parallel versucht SMA auch im Offgrid-Bereich Standards zu setzen, wie sie im Ongrid-Bereich bereits üblich sind.

Dass solche Demonstrationsprojekte wichtig sind, kann Benjamin Rudas vom Systemintegrator Steca auch für die Länder Südamerikas bestätigen. Projekte, die hauptsächlich Licht produzieren, seien dank der Weltbank und anderen Geldinstitutionen inzwischen vereinzelt auch in Argentinien oder Bolivien zu finden. „Trotzdem müssen beispielsweise in Brasilien noch viele Menschen ohne Strom auskommen“, sagt Rudas. Ein weiteres grundsätzliches Problem aus Sicht von Rudas: „Jeder will Solaranlagen verkaufen, aber keiner will sie warten.“ Steca führe deshalb Schulungen vor Ort durch oder lade Kunden zur Weiterbildung nach Deutschland ein. Hierfür wünscht sich Rudas mehr Unterstützung von den Regierungen vor Ort. Diese würden vor den Wahlen zwar viele Versprechen abgeben, sie danach aber nicht einhalten.

Preis pro Watt noch zu hoch

An eine Ausweitung des Geschäftes mit Offgrid-Anlagen glaubt Rudas derzeit trotz fallender Preise für Solaranlagen nicht. „Auch wenn der Preis pro Watt unter einem Dollar liegen würde, ist das bei den anzutreffenden Einkommensniveaus noch zu viel.“ Um den Informationsbedürfnissen der Kunden und Partner vor Ort entgegenzukommen, hat Steca einige Produkte modifiziert. So zeigt der Steca-Solarladeregler mit seiner LCD-Anzeige, wie viel Watt von den Modulen tatsächlich produziert wird sowie alle Betriebszustände. Dies sei, so Rudas, wichtig für den Nutzer. Bei der Entwicklung des neuen Inselwechselrichters Solarix PI wurden von Steca außerdem die Parallelschaltbarkeit, die elektronische Sicherung, ein neuartiges Bedienkonzept über einen einzigen Drehschalter sowie die direkte Kommunikation zur Berechnung des Ladezustandes mit Tarom und Power Tarom realisiert.

Auch der Energy Cube von Kaco New Energy ist nach Aussage von Pressesprecher Andreas Schlumberger speziell für den Einsatz in Regionen konzipiert worden, in denen infrastrukturell kein Netzausbau zu erwarten ist. Er stellt eine mobile Energieversorgungseinheit dar, die ohne Dieselgeneratoren arbeitet und zu 100 Prozent auf regenerativen Quellen beruht. Sonnenlicht wird mit Hilfe eines PV-Generators von 1,3 Kilowatt in Strom umgewandelt und anschließend in einer Batteriebank gespeichert. Ein Windgenerator unterstützt das System, indem er die Solarenergie nachts oder in Monaten mit geringerer Sonneneinstrahlung ergänzt.

Herzstück des Systems ist der Kaco-Inselwechselrichter K 3000, der kurzfristig eine Spitzenleistung von neun Kilowatt zur Verfügung stellen kann. Dabei wurde laut Schlumberger eine typische Schwachstelle im Konzept Inselsystem eliminiert. Gerade dabei sei es relevant, ein schlüsselfertiges, gleichwohl auf die Kundenanforderungen abgestimmtes System zu liefern, während viele Inselsysteme bei der Realisierung genau daran scheitern, da verwendete Komponenten schlicht inkompatibel seien.

Das in einer stabilen Transportbox konfigurierte System könnten zwei Leute mit minimalem Werkzeugeinsatz – Schraubendreher, Zange und Gabelschlüssel – binnen weniger Stunden zusammenbauen. „Den Aufbau vor Ort muss in diesem Fall nicht zwingend eine Elektrofachkraft vornehmen“, bestätigt Kaco-Sprecher Andreas Schlumberger. Der Energy Cube, der in unterschiedlichen Varianten lieferbar ist, wird derzeit im Rahmen einer realen Anwendung im Nordirak getestet.

Für Andreas Paul von Phocos ist der Energy Cube als Kompaktsystem für industrielle Anwendungen, aber auch für Systeme größerer Leistung ein attraktives Modell. Speziell in der ländlichen Elektrifizierung setzt die Phocos AG auf kleine SHS. „Im Segment der ländlichen Elektrifizierung konzentrieren wir uns als Komponentenhersteller verstärkt auf die Märkte, in denen kleine Solar Home Systems mit Subventionen oder vom Kunden direkt finanziert werden“, sagt Paul. Solarmodule und Batterien liefert Phocos nicht, sondern stellt über sein vorhandenes Netzwerk bei Bedarf die notwendigen Kontakte her.

Wichtige soziale Aspekte

Der Anlagenwert eines reinen Beleuchtungssystems, so Paul, bewegt sich oft im Bereich zwischen zwei bis drei Monatsgehältern. In Einzelfällen würden auch mehrere Bauern zusammenlegen, um eine größere Anlage gemeinsam zu nutzen. Der Erfolg sogenannter zentraler Systeme hänge jedoch stark von den sozialen Aspekten ab. Insgesamt verzeichnet Paul im Bereich der Mini-SHS weltweit ebenfalls eine erkennbare Steigerung, auf die Phocos sein Produktprogramm im Bereich Leuchten und kleiner Laderegler verstärkt ausrichtet. „Leider spielt Qualität in diesem Bereich noch nicht die richtige Rolle. Hier setzen viele auf Elektroschrott, was den Kunden teuer zu stehen kommt“, kritisiert Paul. Deshalb sind Schulungen und der richtige Partner vor Ort seiner Meinung nach entscheidend für den Erfolg.

Andreas Paul, der gerade aus Kuba zurückgekehrt ist, hat dort gute Partner gefunden, mit denen er den südamerikanischen Markt weiter entwickeln will. „Kubanische Unternehmen sind sehr gut informiert und vernetzt und kaufen ihre Produkte in China und Europa“, sagt Paul. Da Kuba bereits 97 Prozent seiner Bevölkerung mit Strom versorgt hat und das Land Devisen braucht, stellt die kubanische Regierung bei attraktiven Margen auch Gelder für Projekte in Südamerika zur Verfügung. Potenziale für den Offgrid-Markt sieht Paul vor allem in Ländern wie Brasilien und Argentinien, wo schon Konkretes diskutiert würde. Neu und vielversprechend sind seine Aktivitäten auch in Kolumbien, wo Phocos derzeit sein Netz aufbaut.

Negative Auswirkungen durch die Finanzkrise sehen Experten wie Jürgen Raach für den Offgrid-Markt nicht: „Auch 2009“, sagt Jürgen Raach, „rechnet die Solar23 mit einem starken Umsatzwachstum von 30 Prozent sowie dem Gewinn zusätzlicher Marktanteile.“ Für die Zukunft sind aber für Wollny nicht nur die klassischen Off-Grid-Märkte interessant. „Potenziale sehen wir auch in den USA und Australien, wo schwache beziehungsweise instabile Netze sinnvoll durch Offgrid- oder Backup-Lösungen entlastet werden können.“

Michael Forst

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