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Kredit verpflichtet

Auch Banker lesen Goethe. „Denn was man Schwarz auf Weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen“, gehört zu den besonders gern zitierten Sätzen des deutschen Dichters. Viele Betreiber von PV-Anlagen werden da nicht widersprechen. Aber sie übersehen dabei, dass nicht jeder Vertrag für jede betroffene Partei von Vorteil ist. Einspeiseverträge beispielsweise können für Anlagenbetreiber ungünstig sein (siehe photovoltaik08/2008). Andererseits erleichtern sie unter Umständen die Kreditvergabe. Denn Geldinstitute möchten sich für den Fall, dass der Anlagenbetreiber seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, entsprechend absichern. Daher fällt im Rahmen von Kreditgesprächen oft die Frage, ob der Anlagenbetreiber einen Einspeisevertrag mit dem Netzbetreiber abgeschlossen habe – dies sei Voraussetzung für eine wirksame Forderungsabtretung.

Auch ohne Einspeisevertrag

Eine Verpflichtung, mit dem Netzbetreiber einen Einspeisevertrag abzuschließen, gibt es jedoch nach wie vor nicht: Im EEG 2009 ist in Paragraf 4 Absatz 1 geregelt, dass der Netzbetreiber die Erfüllung seiner EEG-Verpflichtungen nicht vom Abschluss eines Vertrags abhängig machen darf. Im EEG 2004 enthielt Paragraf 12 Absatz 1 eine gleichartige Norm. Mittlerweile gibt es diverse Anlagenbetreiber, die keinen Einspeisevertrag mit dem Netzbetreiber abgeschlossen haben.

Aber welche Rechte und Pflichten haben Anlagenbesitzer, Netzbetreiber und Finanzierungsinstitute wirklich?

Paragraf 4 Absatz 1 EEG 2009 begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis. Danach besteht ein Kontrahierungszwang des Netzbetreibers: Er ist somit verpflichtet, Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien an sein Netz anzuschließen, den angebotenen Solarstrom vorrangig abzunehmen und ihn zumindest nach Maßgabe der gesetzlichen Mindestpreisregeln zu vergüten. Das EEG 2009 regelt außerdem weitere Details zu den Verpflichtungen des Netzbetreibers und des Anlagenbetreibers. Diese Verpflichtungen sollten – zumindest aus Sicht des Anlagenbetreibers – nur dann vertraglich im Detail konkretisiert werden, wenn ein Rückgriff auf allgemeine gesetzliche Regelungen nicht sinnvoll und für den Anlagenbetreiber gegebenenfalls von Nachteil ist (etwa zum Schadenersatz). Der Netzbetreiber hingegen ist an einem detaillierten Einspeisevertrag interessiert, um so möglichst viele der gesetzlich nicht präzisierten Nebenpflichten in seinem Sinne regeln zu können. Häufig sind Netzbetreiber nicht bereit, sich auf Abweichungen von ihren Vertragsmustern einzulassen. Wenn der Anlagenbetreiber seine PV-Anlage per Kredit finanzieren will und die Bank auf dem Abschluss eines Einspeisevertrages besteht, wird er diese Kröte schlucken müssen.

Benötigt ein Anlagenbetreiber einen Kredit, sichern sich einige Banken im Gegenzug durch Sicherungsübereignung der Anlage sowie die Abtretung der Entgeltansprüche des Anlagenbetreibers gegen den Netzbetreiber ab. Dadurch wird das Finanzierungsinstitut nicht automatisch Eigentümer der Anlage oder des Entgelts, das der Anlagenbetreiber vom Netzbetreiber erhält. Vielmehr ist der Anlagenbetreiber weiterhin Eigentümer der Anlage, und auch die Entgeltansprüche stehen zunächst ihm allein zu. Die Frage ist nun, ob und inwieweit eine solche Absicherung mit dem zwischen Anlagenbetreiber und Netzbetreiber bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Schuldverhältnis vereinbar ist. Zu betrachten ist insbesondere die Frage der Abtretbarkeit der erhaltenen Entgelte in Höhe von Zins und Tilgung.

Die Abtretung der Entgeltansprüche zwischen Anlagenbetreiber und Finanzierungsinstitut erfolgt in der Regel vor der Errichtung der Anlage, schließlich wird der Kredit zum Kauf der PV-Anlage benötigt. Zu diesem Zeitpunkt besteht (noch) kein Schuldverhältnis mit dem Netzbetreiber. Das ist jedoch kein Problem: Grundsätzlich sind alle Forderungen abtretbar (Paragrafen 399, 400 BGB). Es gibt kein gesetzliches Abtretungsverbot für die Ansprüche des Anlagenbetreibers gegen den Netzbetreiber, und auch künftige Forderungen können abgetreten werden. Das Rechtsverhältnis oder die Rechtsgrundlage, woraus die Forderung erwachsen wird, braucht noch nicht zu bestehen; auch wenn ungewiss ist, wer der künftige Netzbetreiber sein wird, schadet dies nichts. Erforderlich ist nur, dass die Entstehung der Forderung zur Zeit der Abtretung möglich erscheint und die abgetretene Forderung bestimmt oder jedenfalls bestimmbar bezeichnet ist.

Bei den Entgeltansprüchen des Anlagenbetreibers gegen den Netzbetreiber handelt es sich um Ansprüche, die erst künftig entstehen, nämlich nach der Inbetriebnahme der PV-Anlage. Das Rechtsverhältnis ist aber durch die konkreten Planungs- und Erstellungsabsichten des Anlagenbetreibers in Verbindung mit den gesetzlichen Grundlagen des EEG hinreichend bestimmt – schließlich sind die Netzbetreiber laut EEG 2009 verpflichtet, die PV-Anlage unverzüglich vorrangig an ihr Netz anzuschließen und den gesamten angebotenen Solarstrom unverzüglich vorrangig abzunehmen, zu übertragen und zu verteilen. Die Erfüllung ihrer Verpflichtungen dürfen die Netzbetreiber wie eingangs erwähnt nicht vom Abschluss eines Vertrages abhängig machen. Mit diesen gesetzlichen Rahmenbedingungen steht fest, dass es zumindest einen Netzbetreiber gibt, der zur Abnahme des erzeugten Stroms verpflichtet ist, auch wenn der konkrete Netzbetreiber noch nicht feststeht. Auch die Höhe der Forderung bestimmt das EEG.

Allerdings ist fraglich, ob dieser Rahmen genügt, um eine hinreichende Bestimmtheit der abgetretenen künftigen Forderung zu gewährleisten. Die Bestimmtheit oder zumindest Bestimmbarkeit ist Voraussetzung einer wirksamen Abtretung. Dieses Erfordernis hat vor allem bei der Sicherungsabtretung künftiger Forderungen praktische Bedeutung. Unbedenklich ist, wenn sich die Abtretung auch auf die besonders ausgewiesene Mehrwertsteuer bezieht.

Bei der Abtretung ist Folgendes zu unterscheiden: Es genügt nicht, dass der Umfang der Abtretung im Verhältnis zwischen Anlagenbetreiber (Zedent) und Bank (Zessionar) ermittelt werden kann. Auch der Netzbetreiber muss sich in zumutbarer Weise Gewissheit darüber verschaffen, an wen er zu leisten hat; ist das gewährleistet, ist die Abtretung wirksam. Damit können das Finanzierungsinstitut und der Anlagenbetreiber grundsätzlich vereinbaren, dass die dem Anlagenbetreiber gegen den Netzbetreiber künftig zustehenden Ansprüche, gleich ob dem ein gesetzliches oder vertragliches Schuldverhältnis zugrunde liegt, in Höhe der monatlichen Zins- und Tilgungsleistung an das Finanzierungsinstitut abgetreten werden.

Außen- und Innenverhältnis unterscheiden

Problem: Der Netzbetreiber als künftiger Schuldner weiß normalerweise nichts von der Abtretung. Damit fehlt ihm die Kenntnis, an wen und in welcher Höhe er zu leisten hat. Die Kenntnis von der Abtretung ist für ihn jedoch wichtig, damit er nicht zweimal (an Finanzierungsinstitut und Anlagenbetreiber) leisten muss. Die Frage ist, ob dieser Punkt eventuell anderweitig geregelt werden kann. Statt der Abtretung der Entgeltansprüche können Anlagenbetreiber und Bank aber auch eine sogenannte Sicherungsabtretung vereinbaren. Dabei erwirbt der Sicherungsnehmer, also das Geldinstitut, rechtlich die volle Gläubigerstellung. Der Bank sollten aber nur Befugnisse ähnlich denen eines Pfandgläubigers zustehen, daher muss zwischen Außen- und Innenverhältnis unterschieden werden. Im Außenverhältnis zum Netzbetreiber erlangt das Geldinstitut als Sicherungsnehmer alle Gläubigerrechte: Es kann die Forderung gerichtlich und außergerichtlich geltend machen; eine von ihm vorgenommene Weiterabtretung ist auch dann wirksam, wenn sie gegen Abreden im Innenverhältnis verstößt. Im Innenverhältnis darf das Geldinstitut dagegen nur so weit über die Forderung verfügen, wie es mit dem Anlagenbetreiber vereinbart ist.

Beim Kauf einer PV-Anlage mittels Kredit bietet sich bei der Sicherungsabtretung die sogenannte stille Zession an. Bei dieser Form ist die Bank in der Regel ermächtigt, Leistung an sich zu verlangen, eine Frist zu setzen (Paragrafen 281, 323 BGB), in gewillkürter Prozessstandschaft zu klagen und die Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Solange der Anlagenbetreiber ordnungsgemäß seine Raten an die Bank bezahlt, wird diese kein Interesse an einer Offenlegung haben – und der Netzbetreiber zahlt an den Anlagenbetreiber. Da es sich um eine stille Zession handelt, muss der Netzbetreiber nur in dem Fall informiert werden, wenn der Anlagenbetreiber mit den Zahlungen an die Bank in Verzug gerät – dann allerdings muss der Netzbetreiber direkt an die Bank zahlen.

Rainer Doemen

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