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Heftige Nachwehen

Ernst und souverän blickt der Mann, der dem einstigen Vorzeigeunternehmen der Solarbranche seit 18 Monaten vorsteht, bei seinem Auftritt vor der Wirtschaftspresse in einem Frankfurter Hotel. Dieter Ammer, gebürtiger Bremer, der schon die Geschäfte der Brauerei Beck und der Tchibo-Holding leitete, beantwortet geduldig die Fragen der Journalisten zur Zukunft von Conergy. Und schnell wird klar: „2009 wird ein sehr schwieriges Jahr für Conergy.“ Verantwortlich dafür seien neben der Verschlechterung der Förderbedingungen und der Zurückhaltung der Banken bei der Finanzierung von Solarprojekten der harte Winter sowie die anhaltende Konjunkturkrise.

Für 2008 zieht Ammer eine positive Zwischenbilanz. „Mit einem Umsatzplus von 40 Prozent haben wir unsere Vertriebsziele für 2008 erreicht. Die wesentlichen Aufräumarbeiten im Rahmen der Restrukturierung sind beendet, die Kosten sind runtergegangen, und vor allem: Die finanzielle Basis wurde auf stabile Füße gestellt. Die Neuausrichtung unter der Marke Conergy als Downstream Player wurde umgesetzt und trägt erste Früchte.“

Konkret bedeutet das für Ammer, dass große Teile des Managements auf der ersten und zweiten Ebene „aus gutem Grund ausgetauscht“ wurden, genauso wie der Aufsichtsrat an die neuen Mehrheitsverhältnisse angepasst wurde. Von einem breiten Verlust an Führungskräften kann aber laut Ammer keine Rede sein. Es seien auch rund 30 neue und gut qualifizierte Leute zur Conergy gekommen. Beispielhaft nannte Ammer Sebastian Biedenkopf, der schon bei der Tchibo AG für rechtliche Fragen verantwortlich zeichnete, sowie Norbert Apfel, der nach kurzer Abwesenheit wieder für den Vertrieb bei Conergy Deutschland zuständig ist.

Umfassende Restrukturierung

Im Rahmen der Restrukturierung wurden die Aktivitäten im Wind- und Solarthermiebereich verkauft sowie 240 Millionen Euro an kurzfristigen Krediten aus der Kapitalerhöhung getilgt, die im Wesentlichen von der Dresdner Bank gezeichnet wurde. Um die Prozessabläufe besser im Blick zu haben, wurde ein Measure Control Office (MCO) installiert, das unter der Leitung von Alexander Lenz die Restrukturierungsmaßnahmen identifiziert, umsetzt und überwacht. Zusätzlich ist über die SAP-Einführung bereits eine stärkere Harmonisierung der Buchhaltungssysteme erfolgt. Beim Vertrieb hat sich Conergy aus 13 Ländern zurückgezogen, die für Ammer „derzeit keine Aussicht auf Gewinne zulassen“. Das heiße aber nicht, dass man sich völlig aus den Ländern verabschiede. In Korea beispielsweise sei der Kauf der Conergysparte durch das Management geplant, wodurch lediglich die operative Verantwortung abgegeben werde.

Insgesamt hat die Restrukturierung im Jahr 2008 rund 82 Millionen Euro gekostet, wodurch der Jahresüberschuss vor Steuern (Ebit) erheblich belastet wurde. Weitere große Kostenpositionen waren Abschreibungen auf Lagerbestände von 27 Millionen Euro und nicht abgesicherte Währungsverluste von 30 Millionen Euro. Insgesamt weist Conergy für 2008 einen Verlust von 307 Millionen Euro aus, nach 248 Millionen Euro im Jahr 2007.

An der Fabrik in Frankfurt/Oder soll nach Aussage von Ammer festgehalten werden. Nach Ramp-up-Kosten in Höhe von 13 Millionen Euro im Jahr 2008 arbeiten die 450 Beschäftigten in Frankfurt/Oder derzeit vor allem an Effizienzverbesserungen, beispielsweise an der Reduzierung von Waferbruch. Auch an der Zelloptimierung werde intensiv geforscht, „weshalb wir uns extra Leute aus der Halbleiterindustrie besorgt haben“, betont Ammer. Insgesamt ist die Fabrik, die mit ihren vier Linien über eine Gesamtkapazität von 240 Megawatt verfügt, laut Ammer nur zu einem Viertel ausgelastet.

Abgeschrieben wurde auch die Anzahlung aus dem 2007 geschlossenen Vertrag mit dem amerikanischen Waferhersteller MEMC. Der Vertrag, der zehn Jahre läuft und ein Gesamtvolumen von rund vier Milliarden US-Dollar umfasst, wurde nach Aussage von Ammer schon 2008 neu verhandelt. Ende 2007 habe Conergy Gespräche mit MEMC aufgenommen, da eine Reihe unwirksamer, insbesondere wettbewerbswidriger Klauseln nach Ansicht von Conergy die Unwirksamkeit des gesamten Vertrags zur Folge habe. Diese Gespräche hätten zu keiner Einigung geführt, so dass Conergy vor kurzem Klage zur Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages vor einem New Yorker Gericht eingereicht habe. Über Ausgang und Zeitraum des Verfahrens wollte sich Ammer nicht äußern. Insider gehen davon aus, dass die Klage unter anderem bei engen Wettbewerbsklauseln ansetzt, die einen Weiterverkauf der Wafer an Dritte einschränken. Die stark gefallenen Siliziumpreise könnten es Ammer nun ermöglichen, Wafer deutlich günstiger auf dem Weltmarkt zu kaufen. Ob der Verkauf der Produktion in Frankfurt/Oder mittelbar von der Auflösung des MEMC-Vertrages abhängt, lässt Ammer ebenfalls offen. So ist die Betreibung bei Vollauslastung allein oder mit einem Partner genauso denkbar wie ein Verkauf, wenn denn der Markt 2010 wieder deutlich anspringt. Dann würde Conergy als reines Handelshaus wieder zu seiner Ursprungsstrategie zurückkehren, die viele Jahre erfolgreich war.

„Es gibt keinen Rosenkrieg“

Geradezu kämpferisch wird Ammer, wenn es um den Streit mit dem ehemaligen Vorstandschef Hans-Martin Rüther geht. „Unfug“, sagt Ammer, „es gibt keinen Rosenkrieg.“ Der Aufsichtsrat gehe mit seiner Klage gegen den alten Vorstand wegen möglicher Pflichtverletzungen und Bilanzierungsfragen lediglich seinen normalen Pflichten im Rahmen des Aktiengesetzes nach. Das Verhältnis innerhalb der Familie sei intakt, und man rede miteinander. Ob Rüther nun selbst gegen seinen Onkel klagt, ist offen. Bestätigt wird nur, dass der Beratervertrag, den Rüther nach seinem Ausscheiden aus dem Vorstand noch hatte, nach Aussage eines Sprechers inzwischen ausgelaufen ist.

Zu seiner eigenen Person und seinen zukünftigen Aufgaben sagt Ammer, dass im Zuge der Reorganisation viel erreicht worden sei, aber noch nicht alles. Bei einer Restrukturierung klappe nicht alles, man müsse daher mit einer Quote von 80 zu 20 schon zufrieden sein. Conergy stehe nicht am Abgrund; solche Äußerungen seien der Restrukturierung nicht förderlich und verunsicherten die Mitarbeiter. Sicherlich habe man in der Vergangenheit Fehler gemacht, die auch kritisch kommentiert werden sollten. Aber Conergy sei nach wie vor eine starke Marke und verfüge, so Ammer, „mit seinem auf den Vertrieb fokussierten Geschäftsmodell sowie dem bewährten Vertriebsnetz in 15 Ländern über einen einzigartigen Kundenzugang. Dies kann sich in einem Markt mit völlig neuen Vorzeichen gut bezahlt machen könnte.“

Michael Forst

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