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Die unsichtbare Gefahr

Schlägt ein Blitz ins Dach ein, wird es nicht nur gleißend hell, sondern ohrenbetäubend laut. Überspannungen kommen dagegen meist heimlich, still und leise in die Elektrik, wo sie ebenso zerstörerisch wirken können. Im Unterschied zum direkten Blitzeinschlag haben Überspannungen verschiedene Ursachen: weiter entfernte Blitzeinschläge, die hohe Spannungen über das Erdreich und das Stromnetz ins Haus tragen, kommen durch den Keller. Oder elektromagnetische Felder, wie sie auch beim Blitzeinschlag oder im Vorfeld eines Gewitters auftreten und über die Luft übertragen werden. Sie rufen in der nicht abgeschirmten Verkabelung der Photovoltaikanlage eine Spannung hervor, die durchaus tausend Volt überschreiten kann.

Den Schutz gegen Blitzeinschlag von oben nennt man äußeren Blitzschutz. Fangstangen nehmen den Blitz auf und leiten die mehrere zehntausend Ampere starken Ströme über Metallschienen und Kabel zur Erde. Den Schutz gegen Überspannungen nennt man inneren Blitzschutz, obwohl er oft nichts mit Blitzen zu tun hat. Die Wirkung jedoch ist ähnlich: Überspannung kann die elektrischen Geräte im Gebäude schwer schädigen, eben auch den Wechselrichter und die Solaranlage. Oft sind diese Schäden unsichtbar. Man erkennt sie nur am geringeren Solarertrag.

Zum Schutz vor Überspannung werden schnell schaltende Bauelemente eingesetzt, die in einem Kurzschluss die überschüssige Energie ableiten. Das gilt zumindest für Wechselstromtechnik. Der Generatorkreis einer Photovoltaikanlage jedoch erzeugt Gleichstrom, der in langen Kabelstrecken fließt. Ingenieure und Installateure müssen umdenken. Denn gerade von Installateuren kleinerer Anlagen scheint der Überspannungsschutz oft gänzlich ignoriert zu werden. Die Mannheimer Versicherung hat ermittelt, dass Überspannungen rund 45 Prozent der Schadensfälle an PV-Anlagen ausmachen.

Obacht beim Legen der Kabel

Je länger die Verkabelung einer Solaranlage ist (sprich, je höher das Gebäude und je größer die Solarfläche), desto aufwändiger ist der Überspannungsschutz, beispielsweise durch Abschirmung der Kabel. Viele Installateure glauben, dass die Schutzeinrichtungen in den Wechselrichtern ausreichen, um den Überspannungsschutz zu gewährleisten. Sie sind aber meist nur für den Schutz des Gerätes selbst ausgelegt. Solarmodule, Stringverkabelung, Generatoranschlusskasten und die Hauptleitung zum Wechselrichter müssen extra abgesichert werden. Verfügt das Gebäude bereits über einen äußeren Blitzschutz, kann man den Überspannungsschutz unter Umständen leicht für wenige hundert Euro nachrüsten.

Es empfiehlt sich in jedem Fall, die DC-Hauptleitungen vom Solargenerator zum Wechselrichter abzuschirmen. Wer auf Nummer sicher gehen will, verlegt auch den Generatorstromkreis in abgeschirmten Schienen, um elektromagnetische Induktion zu vermeiden. Auf unnötige Kabellängen sollte man verzichten und große Leiterschlaufen vermeiden, beispielsweise beim Anschluss der Module. Besser ist es, die Kabel eng beieinanderzuführen und gut zu verdrillen (siehe photovoltaik10/2008).

Der elektronische Überspannungsschutz geschieht nach Norm EN 61643-11 und DIN EN 62305 zum Beispiel mit einer Reihenschaltung aus Varistoren und thermischen Abtrennvorrichtungen (siehe Grafik Typ-2-Ableiter). Varistoren sind spannungsabhängige elektrische Widerstände, deren Wert oberhalb einer bestimmten Schwellspannung schlagartig sinkt. Sie werden aus Zinkoxid gefertigt, das besonders hitzebeständig ist. Kommt es zu Überspannung, schließen sie den betroffenen Leiter mit der Erdung kurz und leiten die Energie ab.

Nach vielen Schaltvorgängen kann es dazu kommen, dass die Varistoren altern und im Normalbetrieb unerwünschte Leckströme fließen. Dann verstärkt sich der Prozess von selbst. Der Varistor erwärmt sich, altert noch mehr, die Leckstromstärken steigen weiter – im Prinzip kann das zum Kurzschluss führen. Das verhindern jedoch die thermischen Abtrennvorrichtungen, die ab einer bestimmten Temperatur des Varistors den Kontakt zum Solargenerator trennen. Allerdings gibt es dann auch keinen Überspannungsschutz mehr. Das Bauteil sollte man schnell ersetzen.

Mögliche Lichtbögen beachten

„Ableiter dieser Art sind jedoch für den Einsatz in AC-Systemen ausgelegt“, erläutert Jens Ehrler, Blitzschutzexperte bei der Firma Dehn und Söhne in Neumarkt, die schon Ende der 80er Jahre den ersten Überspannungsableiter für Photovoltaikanlagen auf den Markt brachte. „Dies führte in der Praxis häufig zu Problemen, wie einer eventuellen Brandgefährdung bei Überlast.“

Damit spielt der Experte auf eine Schwierigkeit an, die in Gleichstromkreisen auftritt. Die thermische Abtrennvorrichtung schaltet ab, indem zwei Leiter um einige Millimeter getrennt werden. Tritt der Fall ein, dass der Varistor durch weitere Einflüsse sehr schnell altert, zum Beispiel weil er zu niedrig dimensioniert ist und überlastet wird, schließt der Varistor kurz und es fließen sehr hohe Ströme von einigen Ampere, bevor die Abtrennvorrichtung schaltet. In diesem Kurzschlussfall kann beim Abtrennen ein Lichtbogen entstehen. Dabei wird durch die hohe Spannung die Luft zwischen den Kontakten leitfähig. Solange die Anlage tagsüber Sonnenstrom nachliefert, steht der Lichtbogen und kann einen Brand auslösen. In Wechselstromkreisen besteht das Problem nicht, da dort die Spannung zyklisch umpolt und während der Nulldurchgänge der Lichtbogen erlischt. Ist er einmal erloschen, reicht die Spannung im Normalbetrieb nicht mehr aus, um die Luft durch physikalische Prozesse leitfähig zu machen.

Inzwischen ist es bei vielen Experten üblich, die Ableiter in der so genannten Y-Schaltung anzuordnen (siehe Grafik Seite 72), dazu rät auch Klaus Gottschalk von der Firma J. Pröpster, einem Materialhersteller von Blitz-und Überspannungsschutzkomponenten. „Der Schutz gegen die Ausbildung eines Lichtbogens im Fehlerfall wird durch eine Reihenschaltung von zwei Schutzelementen gewährleistet“, sagt er. „Dies ist einer von mehreren Vorteilen, den diese Schaltungsvariante bietet.“

Öffnet die thermische Abtrennvorrichtung bei einem normal gealterten Varistor, besteht ja ohnehin nicht die Gefahr einer Lichtbogenbildung, da in diesem Fall nur Ströme im Milliamperebereich durch den Varistor fließen. Auch das Auftreten eines länger anhaltenden Lichtbogens durch das Öffnen einer thermischen Abtrennvorrichtung bei zwei gleichzeitig kurzgeschlossenen Schutzelementen ist nach Ansicht von Klaus Gottschalk lediglich ein theoretisches Problem. Er und seine Kollegen in der Firma hätten das noch nie erlebt. Die üblichen Schäden an Überspannungsschutzgeräten seien dagegen vor allem auf eine unsachgemäße Installation zurückzuführen, etwa wenn Schrauben nicht richtig fest sind oder die falschen Geräte gewählt werden. So muss zum Beispiel die Bemessungsspannung der Ableiter passend zur maximalen Leerlaufspannung des Solargenerators gewählt werden. Droht die Gefahr, dass anteilige Blitzströme direkt in den Generatorkreis eingekoppelt werden, etwa weil Fangstangen nicht richtig gesetzt werden können, müssen außerdem andere Ableiter eingesetzt werden.

Preisgekrönte Lösung

Trotzdem gibt es eine elegante Lösung, die auch Sicherheit für den unwahrscheinlichen Fall bietet, dass zwei Varistoren in einer Y-Schaltung eines Typ-2-Ableiters gleichzeitig ausfallen. Die Firma Dehn wurde dafür auf dem PV-Symposium im Kloster Banz im März dieses Jahres ausgezeichnet.

Im Unterschied zu herkömmlichen Ableitern schaltet die thermische Abtrennvorrichtung nicht aus, falls der Varistor erlahmt, sondern schließt ihn über eine weitere Sicherung kurz. Dieser Kurzschluss verhindert den Lichtbogen. Die zusätzliche Sicherung, in der es nicht zu einem Lichtbogen kommen kann, unterbricht den Kurzschluss dann wieder, so dass man das Bauteil dann ohne Gefahr austauschen kann (siehe Grafik Preisgekrönter Ableiter). Der Dehnguard M YPV SCI spricht bei Überspannungen von 1.000 Volt an.

Verkabelung im Gleichstromkreis

Doch damit ist das Problem der Überspannung längst nicht erledigt. Bislang völlig vernachlässigt sind Spannungen, die aufgrund von Isolationsfehlern in die Leitungen oder andere Metallteile geraten. Natürlich ist die Verkabelung des Solargenerators auf möglichst viele Jahre sorgenfreien Betrieb ausgelegt. Aber Nagetiere, Marderbiss, Vögel, Frost, Hitze, Stürme, UV-Licht, Hagel, Gewitter oder sogar Vandalismus können zu Defekten führen.

Kommt es zu Defekten oder ist die Anlage falsch dimensioniert, können in Gleichstromkreisen Lichtbögen entstehen. Weil die Sonne immer weiter Energie nachfüttert, „bleibt dieser Lichtbogen bestehen, wie beim Schweißen“, warnt Jens Ehrler. Häufig sind Brände die Folge. Den Feuerwehrleuten bleibt meist nichts anderes übrig, als die Solarleitungen durch einen beherzten Schlag mit der Axt zu kappen. Deshalb brauchen Solaranlagen unbedingt ein Schutzsystem, um im Fall von Fehlern die Spannung abzuschalten.

Auch wenn ein Lichtbogen nicht zustande kommt, kann eine Spannung an Bauteilen anliegen, die eigentlich nicht stromführend sind. Dazu gehören die Gestelle und Rahmen der Module oder andere Metallteile. Dabei spielt es keine Rolle, wie groß die Anlage ist. Auch in kleinen Anlagen sind hohe Spannungen möglich, die Personen und Technik gefährden.

Anders als in den üblichen Wechselstromkreisen kann man in den Gleichstrom-Solargenerator-Stromkreisen nicht einmal als Schutz vor Kurzschlüssen eine Sicherung einbauen. „Derzeit scheint nur die Schutzmaßnahme der doppelten und verstärkten Isolierung im Generatorstromkreis praktikabel zu sein“, sagt Jens Ehrler. „Die internationale Normung der Betriebsmittelstandards und Installationsrichtlinien läuft derzeit auf Hochtouren.“ Denkbar ist, dass es bald neue Standards für Kabelisolierungen und den Fehlerschutz von Solaranlagen geben könnte (siehe photovoltaik06/2008).

Allerdings gibt es laut Heiko Werner von der Firma UK Lort im bayerischen Ochsenfurt einiges, was man als Installateur tun kann. Er weist daraufhin, dass der Kurzschluss in einem Kabel beispielsweise einen Solarstring lahmlegen kann. „Sind mehrere Strings im Generatorstromkreis parallel verschaltet, stromen die guten Strings in den defekten String hinein“, erklärt er. Sprich, es fließt Strom von funktionstüchtigen Strings durch einen Teil des kurzgeschlossenen Strings bis zur Stelle des Kurzschlusses. Die Module im fehlerhaften String, durch die der Strom fließt, werden dabei zerstört. „Deshalb sollte man jeden String mit einer Rückstromdiode oder einer Rückstromsicherung absichern“, sagt Werner. Manche Hersteller statten zwar Wechselrichter mit solchen Dioden aus. Werden die einzelnen Strings vorher parallel verschaltet, nutzt das aber wenig.

Neues Beiblatt zur DIN

Für den Blitzschutz gilt seit 2006 die DIN EN 62305. Zu Teil 3, der Ausführung, erscheint im Oktober das neue Beiblatt 5 „Blitz- und Überspannungsschutz für PV-Systeme“. In dem 30-seitigen Werk werden alle Details zum fachgerechten Schutz der Solaranlagen gegen Blitze und Überspannungen erläutert. Neue technische Regeln begründet dieses Beiblatt nicht, denn „es handelt sich um eine informative Norm“, wie Jürgen Grau vom VDE in Frankfurt am Main erläutert. „Sie ist keine Verpflichtung, sondern soll helfen, die Blitzschutznorm richtig umzusetzen.“

Heiko Schwarzburger

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