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Der Unruheständler

Vorträge, Beratungsgespräche, Akquise: Dieter Bonnet ist immer in Bewegung. Dabei könnte der 72-Jährige es sich längst gemütlich machen in seinem Häuschen in Bad Homburg im schönen Taunus und sich ganz der Malerei, der Fotografie und seiner Frau widmen. Doch der weißhaarige Herr denkt vorerst nicht daran, die Wissenschaft an den Nagel zu hängen. Denn seit Februar dieses Jahres sieht er eine neue Möglichkeit, die von ihm entwickelte Cadmium-Tellurid-Technologie unters Volk zu bringen. Da ist er als Senior-Berater wieder mit im Boot.

„Mädchen für alles“

Gerade ist Bonnet aus Sachsen zurückgekehrt. In Hohenstein bei Chemnitz hat er bei seinen neuen Arbeitgebern Roth und Rau die letzten Details für den Aufbau einer 50-Megawatt-Dünnschichtfabrik besprochen. Roth und Rau vertreiben Anlagen für die Photovoltaikproduktion – bis vor kurzem ausschließlich für die Herstellung von Siliziumzellen. Im Februar dieses Jahres sind sie in das Dünnschichtgeschäft auf Basis von Cadmium-Tellurid eingestiegen. Die Übernahme der von seinem Weggefährten Michael Harr und von Tobias Kiesewetter gegründeten CTF Solar durch Roth und Rau freut den Frankfurter Physiker besonders. Bonnet, Harr und Co. befanden sich kurz vor dem Bau einer Dünnschichtfabrik. Sogar Angebote von Herstellern für Anlagenkomponenten hatten sie eingeholt. „Wir könnten jetzt bestellen, und das hat dem Herrn Roth imponiert“, meint Bonnet. Für die CTF Solar bringt die Übernahme einen Strategiewechsel mit sich. „Nun wollen wir nicht mehr viele, viele Module verkaufen, sondern viele, viele Fabriken“, sagt der Photovoltaikforscher lachend. Sich selbst bezeichnet Bonnet lapidar als „Mädchen für alles“. An zwei Tagen in der Woche bringt er als freier Mitarbeiter sein Wissen und seine Erfahrung ein. Und möchte dabei sein, wenn die nächste große Cadmium-Tellurid-Modulfabrik eingeweiht wird. Schließlich hat der Wissenschaftler vor 40 Jahren die Grundlagen für diese Technologie gelegt.

Steiniger Weg

Dieter Bonnet blickt auf wechselhafte Jahre als Forscher und Unternehmer zurück. Trotz seiner Erfolge – der Entwicklung der ersten Dünnschichtzelle mit einem Wirkungsgrad von über zehn Prozent und des Aufbaus der ersten vollautomatischen Modulfabrik – war der Weg steinig. Er begann 1968 mit einem Forschungsprojekt für den Einsatz von Dünnschichtphotovoltaik an einem Kommunikationssatelliten. Bonnet schlug das bis dahin noch unerforschte Cadmium-Tellurid als Material vor. Nach knapp zwei Jahren konnte seine Gruppe „ganz gute Ergebnisse“ vorweisen. Doch die Deutsche Gesellschaft für Weltraumforschung ließ das eigene Projekt fallen, als sich die Gelegenheit bot, gemeinsam mit den Amerikanern ins All zu starten. Außer einer schönen Publikation und einem Vortrag auf einer Photovoltaikkonferenz in Washington blieb ihm nichts. Daraufhin musste der Physiker sogar mit ansehen, wie die amerikanische National Science Foundation sein Thema aufgriff und weiterbearbeitete. „Und ich durfte ab und zu meinen Senf dazugeben.“

Erst Ende der 80er Jahre konnte Bonnet seine Arbeit am Battelle-Institut in Frankfurt am Main wieder aufnehmen. An diesem Institut für Auftragsforschung entwickelte er die erste Dünnschichtzelle auf Basis von Cadmium-Tellurid – mit nur zwei Mitarbeitern. Inzwischen ist die Bedeutung der Dünnschichtphotovoltaik so stark gewachsen, dass sich große Forschungsabteilungen auf der ganzen Welt an diesem Thema abarbeiten. Bonnet relativiert seinen Erfolg mit einem Lächeln. „Wir haben es mit einem Minimalaufwand zur Produktionsreife gebracht. Wir sind keine Genies, sondern das Material kommt uns sehr entgegen.“ Denn das Cadmium-Tellurid kann mit seiner großen Energielücke die Sonnenstrahlung besonders gut absorbieren. Daher gilt es als eines der besten Materialien für Photovoltaikprozesse. Doch wegen des Cadmiumgehalts wollte in den 80er Jahren niemand das Cadmium-Tellurid in den Modulen wissen. Stattdessen förderte der Bund Forschungseinrichtungen bei der Entwicklung amorphen Siliziums. Und machte damit Bonnet und seinen Kollegen das Leben schwer. „Wir waren ein ganz kleiner Fisch und hatten keinen Schlüssel zum Forschungsministerium wie so manch anderer.“ Damals wussten die Wissenschaftler noch nicht, dass es so schwierig sein würde, höhere Wirkungsgrade beim amorphen Silizium zu erreichen.

Auf und ab mit Antec

Trotz erfolgreicher Forschung folgte ein weiterer Projektstopp. Denn 1993 wurde das Frankfurter Battelle-Institut geschlossen. Trotzdem blieb Bonnet am Ball und seiner Technologie treu. Dann eben auf eigene Kappe. Gemeinsam mit drei Kollegen gründete der Physiker die Antec GmbH. Geschäftsführer Michael Harr wollte bald schon Nägel mit Köpfen machen, erinnert sich Dieter Bonnet. „Aus diesem Drängeln wurde die Fabrik in Arnstadt“, die erste vollautomatische Solarfabrik für die Herstellung von Dünnschichtmodulen. Schon 1999 begann Antec mit der Produktion.

Doch auch dieses Projekt wollte nicht recht gelingen. Als die Fördergelder ausgegeben waren und zeitgleich der Solarmark zusammenbrach, musste Geschäftsführer Harr Insolvenz anmelden. Daraufhin gab ein Investor dem nächsten die Klinke in die Hand. Die Entwickler der Technologie wurden nicht übernommen. „Wir wurden laufend vom Schicksal gequält“, kommentiert Bonnet die wechselvolle Firmengeschichte. Im Jahr 2006 starteten die Wissenschaftler die letzte Neuauflage, die Cadmium-Tellurid Thinfilm GmbH, kurz CTF Solar. Bonnet bleibt seinen Kollegen treu, auch nach der Übernahme durch Roth und Rau. „Mit der Kraft des Herrn Rau im Rücken bin ich zuversichtlich.“

Wieso aber ist First Solar jener große Durchbruch gelungen, der Antec verwehrt blieb? „ Die haben gleichzeitig mit uns angefangen“, sagt Bonnet. „Und als wir die erste Anlage laufen hatten, kamen die Manager der jetzigen First Solar und haben gefragt, ob sie mal unsere Anlage sehen könnten.“ Beeindruckend sei das gewesen, wenn sich alles drehte und bewegte an der 160 Meter langen Anlage und kein Mensch eine Glasplatte anfasste. First Solar habe im richtigen Moment die richtige Reklame gemacht für den Börsengang und so „einen Haufen Geld von der Straße geholt. Mit dem Geld in der Kasse haben sie dann gepowert – und wir haben das von der Ferne angesehen, wieder mal frustriert.“

Unkonventionell und engagiert

„Sein Enthusiasmus ist enorm, deshalb ist er in der Branche voll akzeptiert“, sagt Walter Fuhs, damals Professor an der Uni Marburg. „Mit einer ganz kleinen Arbeitsgruppe, ein Post-Doc und ein Techniker höchstens, hat er die Zelle entwickelt“, erinnert sich der pensionierte Professor. „Wir haben damals zu amorphem Silizium geforscht, hatten aber keine Zelle.“ Fuhs erlebte Bonnet als unkonventionellen und engagierten Wissenschaftler, der es nicht aushalten konnte, dass in Deutschland geforscht wurde und die Amerikaner produzierten. „Deshalb sein Engagement für Antec.“ Damals produzierte BP in Kalifornien ebenfalls Cadmium-Tellurid-Module. Großen Respekt zollt Fuhs der Beharrlichkeit des Photovoltaik-Granden. Trotz aller Anerkennung musste Bonnet sich sein Leben lang rechtfertigen für das Material seiner Wahl. „Er konnte noch so hohe Wirkungsgrade vorweisen, am Ende wurde gefragt, was mit dem Cadmium und der Entsorgung sei“, erinnert sich Fuhs an die Diskussionsrunden des Forschungsministeriums.

„Da können Sie reinbeißen“

Cadmium-Tellurid-Module bilden heute die Benchmark in der Photovoltaik. Sie können am preisgünstigsten produziert werden. Trotzdem spaltet die Diskussion über die Verwendung von Cadmium-Tellurid in Solarmodulen noch immer die Solarbranche. Dieter Bonnet sieht ganz klar die Gefahren, die Cadmium für den menschlichen Organismus birgt. Nur – Cadmium-Tellurid ist kein Cadmium, erklärt der Physiker. „Es ist alles gut eingepackt. Da können sie reinbeißen“, lautet ein typischer Bonnet-Satz, der auch Walter Fuhs in Erinnerung geblieben ist. Damit meint der Forscher, dass selbst Magensäure diese Verbindung nicht lösen kann. Das Cadmium ist so stark an das Tellur gebunden, dass beide Elemente sich thermisch erst bei einer Temperatur über 1.200 Grad voneinander trennen lassen. Selbst bei einem Brand würde das Cadmium-Tellurid vom geschmolzenen Glas der Module eingeschlossen und könne nicht entweichen.

„Es gibt genug Studien experimenteller und theoretischer Art, die zeigen, dass das Risiko praktisch null ist“, fasst Bonnet zusammen. Auch vom Herstellungsprozess der Module gehe keine Gefahr aus. Gemeinsam mit Roth und Rau plant die CTF Solar mit Bonnet eine Fabrik, die lediglich Wärme emittiert. Fertiges Cadmium-Tellurid kaufen die Modulproduzenten zu. „Das war auch schon in Arnstadt so“, sagt der Dünnschicht-Pionier. Bonnet lehnt sich zurück in seinem Schreibtischstuhl im ersten Stock des flachen Gewerbebaus im Frankfurter Westen. In diesen Räumen hat Bonnet bereits für Antec geforscht. Von der Laboreinrichtung ist heute fast nichts mehr zu sehen. Sein ganzes Leben verbrachte der Vater von zwei Kindern in Frankfurt. Er wirkt zufrieden. Neben der Tür lehnt ein Acrylbild, das einen Ausschnitt einer Backsteinfassade fotorealistisch wiedergibt. Künstler: Dieter Bonnet. Einige seiner Werke verkaufte er auf der jährlichen Ausstellung des Künstlervereins. Die Motive stammen von seinen USA-Reisen.

Der Mann mit dem wachen Blick schaut sich die Dinge, die ihn umgeben, sehr genau an. Er setzt ein Steinchen an das andere. Diese Beharrlichkeit gepaart mit viel Humor schätzen Kollegen wie Konkurrenten an ihm. Besonders die Anerkennung seiner Gegner weiß Bonnet zu schätzen. „Dass ich den Becquerel-Preis gekriegt habe, das hat mich schon gefreut. Den teilen die Silizium-Leute sonst unter sich auf.“ Für diese Ehrung seines Lebenswerks im Rahmen der vierten World Conference on Photovoltaic Energy Conversion 2006 reiste der Preisgekrönte extra nach Waikoloa auf Hawaii. „Das Preisgeld reichte gerade mal für die Reise“, fügt Bonnet lachend hinzu.

Derweil ist der aufgeschlossene Forscher mit Elan unterwegs in Sachen Roth und Rau. In der Frankfurter S-Bahn hat er kürzlich sogar beinahe eine Fabrik verkauft – an eine verirrte chinesische Photovoltaikmaklerin, der er freundlich den Weg wies.

Anja Riedel

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