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Licht ohne Netz

Voitsberg ist ein hübsches Städtchen in der Steiermark, eingebettet in die sanften, sattgrünen Hügel der Alpenausläufer. Ein Paradies für Wanderer, das zahlreiche Touristen und Tagesausflügler anlockt. Eine Umgehungsstraße sorgt dafür, dass der historische Stadtkern mit der barocken St. Josefskirche und den alten Bürgerhäusern nicht im Verkehr erstickt. Wer sich Voitsberg aus Richtung Graz nähert, um zum Beispiel im Gasthaus „Zur Gemütlichkeit“ in der Bahnhofsstraße ein Wiener Schnitzel zu essen, muss beim Verlassen des Zubringers von der Umgehungsstraße jedoch aufpassen: Der Kreuzungsbereich ist unübersichtlich, so dass es hier schon zu mehreren Unfällen gekommen ist. Mehr Licht schafft mehr Sicherheit, dachte sich der Gemeinderat und beschloss, an der kritischen Stelle eine Straßenlaterne aufzustellen. Dumm nur, dass das nächste Stromkabel 150 Meter entfernt liegt. Zudem hätte für die Zuleitung eine andere Straße gequert werden müssen, was das Aufstellen der Lampe teuer gemacht hätte – die Angebote, die die Stadtverwaltung einholte, kalkulierten mit Gesamtkosten von etwa 9.500 Euro.

Zu teuer, meinte der Gemeinderat. Stattdessen entschieden sich die Bürgervertreter zu einem Experiment: Sie installierten eine Solarleuchte, die netzunabhängig Licht ins Dunkel bringt und damit das Verlegen eines Stromkabels unnötig macht. Der Hersteller, die ebenfalls aus der Steiermark stammende Firma Ecolights, garantiert, dass die Lampe auch in den Wintermonaten täglich acht Stunden Licht spendet. Ein Blei-Gel-Akku speichert dafür während des Tages Sonnenenergie. Und das funktioniert zuverlässig: „Wir hören keine Beschwerden – also sind wir zufrieden“, sagt Klaus Gehr, Technischer Leiter der Stadtwerke Voitsberg, die für die Straßenbeleuchtung der Stadt zuständig sind. Binnen eines halben Tages stand die Lampe: Zwei Gemeindemitarbeiter buddelten mit ihrem Minibagger ein kleines Loch für das Fundament, Beton hinein, darin ein Rohr mit dem Batteriekasten fixiert, dann mit einem kleinen Kranwagen die Leuchte in das Rohr gesteckt, Akkus angeschlossen, die Regelung richtig eingestellt – fertig. Ohne Berücksichtigung der eigenen Leistungen lagen die Gesamtkosten bei 5.600 Euro, so dass die Gemeinde schon bei der Investition etwa 4.000 Euro sparen konnte. Dazu kommt, dass die Gemeinde über 20 Jahre hinweg berechnet insgesamt 1.500 Euro an Stromkosten einsparen wird. Zwei Drittel dieser Ersparnis werden allerdings durch den planmäßigen Austausch des Akkus wieder zunichte gemacht.

Das Aus für alte Straßenlaternen

Solare Straßenlampen haben bislang Exotenstatus in deutschen Städten und Gemeinden. In der Regel sind es Quecksilberdampflampen, die im Straßenraum Licht ins Dunkel bringen. Diese Technologie wird bereits seit den 30er Jahren genutzt. Sie gilt heute wegen des enthaltenen Schwermetalls als problematisch und ist energetisch völlig veraltet. Deswegen ist dieses Leuchtmittel ins Visier der EU-Politiker geraten: Nachdem die konventionellen Haushalts-Glühbirnen in den nächsten Jahren Stück für Stück aus den Regalen verschwinden werden, stehen auch die Quecksilberdampflampen vor dem Aus – sie erfüllen die neuen Umweltvorgaben der EU nicht und werden bald vom Markt verschwinden. Dies wird einen großen Modernisierungsschub auslösen, ist Professor Tran Quoc Khanh vom Fachbereich Lichttechnik der TU Darmstadt überzeugt: „Es wird zwar eine Übergangsphase geben, in der die alten Quecksilberdampflampen weiter in Betrieb sein dürfen, aber spätestens ab 2012 wird der Bedarf an Ersatz nicht mehr gedeckt werden können.“ Die Umstellung auf moderne Leuchtmittel wird die öffentlichen Kassen langfristig entlasten, denn die Beleuchtung von Straßen, Plätzen und Brücken kostet den Staat Jahr für Jahr 760 Millionen Euro. Nach Ansicht des Frankfurter Zentralverbandes der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI) könnten die öffentlichen Haushalte jährlich bis zu 400 Millionen Euro einsparen, wenn sie konsequent moderne Beleuchtungstechnologien nutzen würden. Davon profitiert auch die Umwelt: „Das Einsparpotenzial ist gigantisch“, meint Khanh. „Schon mit der heute verfügbaren Technologie könnte Deutschland den CO2-Ausstoß um 1,6 Millionen Tonnen pro Jahr reduzieren.“

Die Hersteller der solaren Straßenlaternen erwarten, dass die neuen EU-Vorgaben der Branche helfen werden: „Wir werden davon profitieren“, ist Peter Aschenbrenner, Gesellschafter von Ecolights, überzeugt. Karl-Heinz Seifert, Gesellschafter von Solar-Trak, sieht das genauso: „Alle Unternehmen, die besonders energieeffiziente Leuchten herstellen, werden durch die EU-Regelung eine stärkere Nachfrage nach ihren Produkten verzeichnen. Dazu gehören natürlich auch wir Anbieter von Solarlampen.“ Um den Rückenwind aus Brüssel zu nutzen, haben mehrere Hersteller in den letzten Monaten ihre Modellpalette kräftig erweitert: Der italienische Anbieter VP Solar aus der Nähe von Venedig zum Beispiel hat jüngst drei neue Modelle vorgestellt, die in Zusammenarbeit mit den Lampendesignern von Zava Luce entwickelt wurden. Ebenso drängt der kanadische Produzent von Solarleuchten Carmanah mit einer neuen Produktserie namens „EverGEN“ auf den deutschen Markt. Diese Lampen sind mit einem intelligenten System für das Energiemanagement ausgestattet, die das Laden und Entladen der Akkus so steuern sollen, dass die Leuchtdauer verlängert und die Ausfallzeit minimiert wird. So ist es möglich, individuelle Beleuchtungsprofile für verschiedene Tages- und Jahreszeiten festzulegen – zur optimalen Beleuchtung eines Parkplatzes zum Beispiel lässt sich die Lichtstärke an die Auslastung des Platzes koppeln. Zudem können die Leuchten mit einem Bewegungsmelder ausgestattet werden, so dass nur dann Strom verbraucht wird, wenn sich Personen in der Nähe aufhalten. Carmanah hatte sich zunächst auf solargespeiste Lampen im maritimen Umfeld – etwa für Bojen oder Hafenanlagen – spezialisiert und seine Angebotspalette dann in Richtung der Beleuchtung von Straßen, Parkplätzen oder Industriegeländen ausgeweitet. Die Carmanah-Straßenleuchten werden von der SNO Energietechnik in Essen vertrieben.

Die Firma Sharp dagegen, die im März vier neue Solarlampen präsentiert hat, verkauft ihre Produkte momentan ausschließlich auf dem japanischen Markt; das Unternehmen rechnet dort mit einem Absatz von insgesamt 12.000 Stück pro Jahr. Auch der „Solar Tree“, den Sharp zusammen mit dem italienischen Spezialisten für Designerlampen Artemide entwickelt und im letzten Jahr auf dem Potsdamer Platz in Berlin vorgestellt hat, wird seine elegant geschwungenen Leucht-Äste nie in den Himmel über Passau oder Papenburg strecken – das Modell ist lediglich als Studie konzipiert, die das Potenzial von Solarsystemen für die Beleuchtung von Straßen und Plätzen deutlich machen soll. Schade eigentlich, könnte der Solar Tree mit seiner floralen Formgebung den öffentlichen Raum optisch durchaus bereichern.

„LED wird sich durchsetzen"

Ob das De-facto-Verbot der Quecksilberdampflampe tatsächlich dazu führen wird, dass die öffentliche Verwaltung deutlich stärker auf solare Beleuchtung setzt, bezweifelt allerdings Christoph Schiller, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Lichttechnik der TU Darmstadt: „Solare Straßenlaternen sind momentan noch eingeschränkt in der Nutzung, weil die Solarpanels nicht genug Leistung für den durchgängigen Betrieb in der Nacht liefern.“ Deswegen sind die angebotenen Lampen auch nicht für den Dauerbetrieb ausgelegt; die meisten Hersteller geben eine Leuchtdauer von etwa acht Stunden pro Nacht an. Zudem garantieren sie, dass die Lampen auch bei Dauerregen und wolkenverhangenem Himmel sechs bis zehn Tage Licht liefern.

Um dieses Versprechen zu halten, verwenden die Anbieter in vielen ihrer neuen Modelle statt der gelb leuchtenden Natriumhochdrucklampen, die in Deutschland momentan meist die alten Quecksilberdampflampen ersetzen, LEDs – ein Leuchtmittel, auf das auch Lichtforscher Khanh große Stücke hält: „Die neue Technologie ist noch vergleichsweise teuer, doch die Vorteile der LED sind so groß, dass sich dieser Typ auch bei der Straßenbeleuchtung durchsetzen wird“, betont der Darmstädter Wissenschaftler. Sein Mitarbeiter Christoph Schiller sieht das genauso: „LEDs haben ein riesiges Potenzial!“ Die relativ neue Technologie zeichnet sich durch einen niedrigen Energieverbrauch sowie eine sehr gute Farbwiedergabe aus. Auch die Lebensdauer ist mit durchschnittlich 14 Jahren etwa dreimal so lang wie bei konventionellen Lampen – bei entsprechend niedrigen Wartungskosten. Die LEDs lassen sich zudem stufenlos von 100 auf null Prozent dimmen. Nicht zuletzt sind die Leuchtdioden extrem klein, wodurch die Form der Straßenlampen sehr variabel wird. Und auch Käfer, Motten und andere Insekten freuen sich, werden sie doch seltener durch gestreutes Licht irritiert, denn LED-Lampen schaffen nur dort Licht, wo es auch tatsächlich hell sein soll.

Der österreichische Anbieter Ecolights zum Beispiel hat sein Modell „Ecostar“ mit zwölf LED-Scheinwerfern ausgestattet, die eine Betriebsdauer von 50.000 Stunden versprechen. Das Solarmodul hat eine Leistung von 60 Watt und lässt sich um 360 Grad schwenken, so dass es exakt nach Süden ausgerichtet werden kann. Der Hersteller sieht die Einsatzgebiete des Ecostar vor allem bei der Beleuchtung von Gehwegen, Brücken, Uferpromenaden, Spiel- oder Campingplätzen. Die durchschnittliche mitteleuropäische Sonneneinstrahlung reicht aus, um die Lampe nachts acht Stunden leuchten zu lassen. Auch die Firma EPS Soltec, ebenfalls aus Österreich, bietet eine solarbetriebene LED-Leuchte, die für Wege und Plätze ausgelegt ist – je nach Einstellung der LEDs leuchtet das mit dem renommierten „iF product design award“ ausgezeichnete Modell „StreetSun“ ein Oval oder einen Kreis mit einem Durchmesser von 25 Metern aus. Beide Hersteller kapseln den Akku im Rohr, auf das Leuchtkörper und Solarmodul montiert sind, so dass das System vor Vandalismus geschützt ist.

Als Insellösung rentabel

Der Lübecker Anbieter Solar-Trak kombiniert in seinem Modell „Eutin“ LED-Technologie mit einer Elf-Watt-Kompaktleuchtstoffröhre, ein 130-Watt-Solarmodul übernimmt die Stromversorgung. In der Zeit zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens, in der in der Regel ein relativ schwaches Orientierungslicht ausreicht, kommen nur die LEDs mit einem Verbrauch von drei Watt zum Einsatz; außerhalb dieser Zeit sorgt das zusätzliche konventionelle Leuchtmittel für die nötige Helligkeit. So lassen sich auch mehrere Schwachlichttage hintereinander überbrücken: Die vollständig geladene 135-Amperestunden-Batterie liefert ohne Aufladung bis zu zehn Tage Strom. Bei den Solar-Trak-Produkten wird der Akku unterirdisch am Sockel der Leuchten angebracht. „Damit ist er sicher vor mutwilliger Zerstörung“, sagt Karl-Heinz Seifert. „Außerdem herrschen im Erdboden die besten Temperaturbedingungen für die Akkus, denn sie können nicht von der Sonne erwärmt werden.“

Wenn die solaren Straßenlaternen technologisch ausgereift und bereits punktuell erfolgreich im Einsatz sind: Warum setzen nicht mehr Städte und Gemeinden auf die klimaschonende Solartechnologie – etwa zur Beleuchtung von Wohnstraßen, Bushaltestellen oder Spielplätzen? Der wichtigste Grund ist der Preis: Die Anschaffungskosten sind doppelt bis dreimal so hoch wie bei den konventionellen Lampen. Ein Preisunterschied, der auch über die deutlich geringeren Unterhaltskosten und durch den Gratis-Energiespender Sonne kaum wieder hereinzuholen ist. Anders dagegen sieht es aus, wenn der Netzanschluss bei der Kalkulation mit berücksichtigt wird. Wie beim Beispiel aus der Steiermark können die netzunabhängigen Solarleuchten hier Vorteile haben, da der teure Bau einer Zuleitung entfällt. Schon ab einer Entfernung von 50 Metern zum Stromnetz, so der Hersteller Solar-Trak, ist die Installation einer Insellösung wirtschaftlicher.

Auch Christoph Schiller vom Fachbereich Lichttechnik der TU Darmstadt sieht trotz aller Skepsis durchaus Potenzial für solare Leuchten an netzunabhängigen Standorten: „In einem Park zum Beispiel können Solarleuchten als Unterstützung bei der Beleuchtung gute Dienste leisten.“ Geht es also darum, den neuen Feldweg zwischen Kleinkleckersdorf und Hintertupfingen oder den einsamen Wanderparkplatz bei Hinterwaldhausen zu beleuchten, kann sich der Einsatz einer Solarlampe durchaus rechnen.

Doch auch innerhalb von Siedlungsgebieten lässt sich Solartechnologie sinnvoll zur Straßenbeleuchtung nutzen, wie das Beispiel aus dem österreichischen Dietmanns zeigt. In der Gemeinde mit 1.200 Einwohnern, etwa hundert Kilometer nordöstlich von Linz gelegen, wurde eine konventionelle Lampe wegen eines Kabelbruchs finster. „Für die Reparatur hätten wir rund 20 Meter Straße aufreißen müssen. Die hatten wir jedoch erst kurz zuvor frisch asphaltiert“, erläutert Bürgermeister Karl Brunner. Da erinnerte sich Brunner an eine Anzeige in einer Fachzeitschrift, mit der Ecolights seine Solarleuchten bewarb. Der Bürgermeister, im Hauptberuf Polizeibeamter, kaufte ein LED-Modell mit einem 60-Watt-Solarmodul und sparte sich so die Kabelreparatur. Bislang ist Brunner begeistert von der neuen Technologie: „Seit diesem Frühjahr leuchtet die Solarlaterne zuverlässig acht Stunden in der Nacht, sechs Stunden nach Sonnenuntergang und zwei Stunden vor Sonnenaufgang.“ Der Blei-Gel-Akku mit einer Kapazität von 48 Amperestunden reicht aus, um neun Wolken- und Regentage zu überbrücken – „das verspricht zumindest der Hersteller“, so Brunner. Zwar ist etwa alle sechs Jahre ein neuer Akku zum Preis von 250 Euro fällig. Dennoch amortisiert sich der höhere Anschaffungspreis schnell – nicht nur wegen des Verzichts auf die Erdarbeiten: „Der Strom kommt gratis vom Himmel, das hält die Betriebskosten natürlich niedrig“, sagt Brunner. Deshalb möchte Brunner weitere Lampen aufstellen, wenn unabhängig vom bestehenden Stromnetz Licht ins Dunkel gebracht werden soll. Vorausgesetzt natürlich, die Leuchte bewährt sich auch im Winter: „Bei uns im nördlichen Waldviertel sind die Winter sehr hart, hier liegt oft viel Schnee. Wenn die Lampe auch dann die garantierte Leistung bringt, werden wir sicher über den Einsatz weiterer Solarleuchten diskutieren.“

Ralph Diermann

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