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Keine Dose für alle

Jeder Handgriff sitzt: Mit einer Flachzange fasst der Mitarbeiter des Modulherstellers Aleo Solar zwei Kabelenden, die aus einem Ausschnitt der weiß laminierten Rückseite eines Solarmoduls ragen. Er steckt sie in die seitlichen Öffnungen der brieftaschengroßen Anschlussdose aus schwarzem Kunststoff und verlötet die Kontaktstellen.

In der Aleo-Produktionshalle im brandenburgischen Prenzlau ist die Dosenmontage zurzeit noch zu 100 Prozent Handarbeit. Allerdings nicht mehr lange. „Wir sind mitten in der Umstellung“, berichtet der Betriebsleiter Martin Mack. Schon in wenigen Monaten sollen Robotergreifer statt Menschenhände die Kabel in die Dose bringen und Kosten sparen.

Es sind zwar nur ein paar Handgriffe, mit der die kleinen Kunststoffkästchen am Modul befestigt werden. Und doch gehört diese Montage in vielen Solarfabriken erstaunlicherweise zu den letzten mit der Hand geführten Produktionsschritten.

Neue Anforderungen

Erst jetzt scheint sich das zu ändern. Anbieter von Anschlussdosen preisen automatisierungsfähige Produkte an, ohne dass allerdings oft klar ist, was nun das entscheidende Detail ist. Und Modulhersteller wie Aleo steigen um oder evaluieren zumindest Vor- und Nachteile eines Umstiegs.

In der Tat stellt die automatische Dosenmontage selbst die Hightech-erprobte Photovoltaikindustrie vor einige Herausforderungen. „Die Entwicklung geeigneter Dosen und Technik ist hoch komplex“, sagt Florian Orth, Vertriebsmitarbeiter für den Bereich Solar bei ABB Automatisation in Friedberg. So habe ein Roboter keine Augen und sei gegebenenfalls auf eine ausgefeilte Sensorik angewiesen, gerade wenn wie hier millimeterdünne Kabel in ebenso kleine Löcher gefädelt werden. Und selbst Bauteile, die mit der Dosenmontage eigentlich gar nichts zu tun haben, müssen automatisationsgerecht ausgelegt werden. Zum Beispiel die rund einen halben Meter langen Kabel, die an vielen Dosen hängen und mit denen sie in den Strängen der Solaranlage verschaltet werden. „Sie müssen so gerollt und befestigt werden, dass sie sich nicht verheddern können“, sagt Orth. Eine andere Möglichkeit sei es, die Dose mit Steckverbindungen auszustatten, in die die Kabel nachträglich montiert werden können.

Es ist aber nicht nur entscheidend, die Möglichkeiten der Automatisierungstechnik bei der Entwicklung einer Dose genauestens zu berücksichtigen. Die Experten müssen auch den modulseitigen Kontakt auf die Montage einer Dose abstimmen. Am Dosendesign feilen deshalb Produzent, Modulhersteller, Automatisierer und Anlagenbauer in der Regel gemeinsam.

Das Ergebnis solcher Bemühungen kann sehr unterschiedlich ausfallen. Zwar haben alle Dosen die gleiche Funktion: Sie stellen später den elektrischen Kontakt zwischen Modulen und Wechselrichter her und enthalten eine Schutzschaltung mit Bypassdioden, die sicherstellt, dass im Fehlerfall kein Strom zurück in das Modul fließt. Das ist besonders bei Teilverschattungen problematisch, bei denen der Strom der in Reihe geschalteten Module durch die Bypassdioden in der Anschlussdose des verschatteten Moduls geleitet wird. Sie können sich dabei stark erwärmen, weshalb die Hersteller Sorge dafür tragen müssen, dass die Wärme von den Bypassdioden gut abgeleitet wird.

Doch trotz der Gemeinsamkeiten ist die Design-Vielfalt der Dosen, die seit etwa zwei Jahren auf den Markt drängen, enorm. Die bereits erhältlichen Dosen unterscheiden sich vor allem im Gehäusedesign und in den Kontaktierungsmethoden. „Zurzeit gibt es weltweit zwischen 50 und 100 Anschlussdosenhersteller und noch mehr unterschiedliche Dosentypen“, sagt Orth. „Von einer Standardisierung sind wir hier weit entfernt.“

Variation bei der Kontaktierung

Die meisten Dosen nehmen die Anschlussbändchen des Moduls durch seitliche Öffnungen auf. Anschließend werden sie angelötet, wie etwa im Fall der Anschlussdosen von Huber + Suhner, oder einfach nur geklemmt, wie zum Beispiel in den Dosen der Firma Spelsberg. In den Dosen des Industrieelektrik-Unternehmens Kostal in Hagen, die nach Herstellerangaben mit einem Bemessungsstrom von zehn Ampere auf besonders hohe Modulleistungen ausgelegt sind, werden die Kontakte dagegen geschweißt. Alle diese Hersteller werben jetzt mit Dosen, die automatisiert montiert werden können.

Ganz ohne Einfädelei durch seitliche Öffnungen kommt die Dose des Elektronikunternehmens Molex aus. Sie soll im August auf den Markt kommen und kann mit lötbaren Federkontakten direkt auf flache Anschlusskabel des Moduls aufgesetzt werden, ohne dass diese zuvor hochgebogen werden müssen. „Weil die Modulkabel nicht geknickt werden, können Bestückungsfehler weitgehend ausgeschlossen werden“, sagt Uli Schöttle von Molex. Der Vorteil: Die Dose sei ohne aufgerichtete Kabel deutlich einfacher zu positionieren. Allerdings müssten dabei die vorgegebenen Kabelabstände eingehalten werden. Bei Bedarf liefert Molex die Dosen bereits mit Lötpaste bestückt, was den Prozess noch weiter vereinfacht.

Allein ein gemeinsamer Trend zeichnet sich ab: Bisher bestanden die Dosen häufig ausDie Dosen von FPE Fischer können automatisiert montiert werden, indem Roboter zunächst auf die Rückseite des Moduls einen Kunststoffblock aufsetzen. Dann werden die Bändchen gefasst und auf den Kunststoffblock gelegt. Im zweiten Schritt wird die geschlossene Dose aufgesetzt und automatisch kontaktiert. Sie besteht aus Aluminium, das die in Bypassdioden entstehende Wärme gut ableitet und nicht brennbar ist.

einem kompakten Kunststoffgehäuse mit Löchern an der Oberseite, durch die gelötet wurde und die anschließend mit Silikon verschlossen werden mussten. Mittlerweile sind die meisten automatisch montierbaren Dosen zweiteilig. Im Sockel sitzen die Kontakte und im Deckel die eigentlichen elektronischen Komponenten der Dose, wie etwa die Bypassdioden. Die Zweiteiligkeit der Dose vereinfacht nach Angaben der Hersteller einen Eingriff im Servicefall sowie das Kontaktieren während des Produktionsprozesses. Als einer der letzten Schritte testen die Modulhersteller nämlich ihre Module unter einem Flasher. Dazu müssen Strom und Spannung gemessen werden – die Schnellkontaktierung geht einfacher mit zweigeteilten Dosen.

Erfahrung in Frankfurt

Huber + Suhner gehören zu den Pionieren, was den neuen Markt der automatisch montierbaren Dosen angeht. Die Dosen dieses Herstellers sind unter anderem schon seit zwei Jahren im Conergy-Werk in Frankfurt (Oder) im Einsatz. „Die Dosen werden nach der Anlieferung manuell in eine spezielle Box umgeladen. Ab hier läuft dann alles vollautomatisch“, sagt Conergy-Sprecherin Katja Newe.

Ein weiß lackierter, stählerner Roboterarm nimmt die Dosen einzeln aus der Box und legt sie auf einem Förderband ab. Darauf werden sie durch einen Dosierautomaten geleitet, der die Lötpaste auf die Kontakte drückt. Dann pickt ein zweiter Roboter die Dose auf, bestückt sie an der Unterseite mit einem Doppelklebeband und klebt sie mit einem Druck von 30 Kilogramm auf das Modul. Ein dritter Roboter verlötet die Anschlussbänder mit den Kontaktflächen der Anschlussdose. „Das alles funktioniert allerdings nur, weil die Positionen der modulseitigen Anschlussbänder mit Sensoren ganz genau überwacht werden und Modul- sowie und Zuliefermaterialien Fertigungstoleranzen von weniger als einem Millimeter haben“, sagt Newe.

Für die Betreuung der automatischen Dosenmontage ist nach Newes Angaben nur ein Mitarbeiter erforderlich, der Material bereitstellen und im Notfall eingreifen muss. „Weil wir die Dosen auf diese Art sehr präzise positionieren und mit einer definierten Kraft aufbringen, können wir eine gleichbleibend hohe Qualität garantieren“, betont sie. Zudem sei ein sehr hoher Durchsatz möglich. Mit einer Taktzeit pro Modul von rund 20 Sekunden ist die Dose per Roboter mindestens fünfmal schneller gesetzt als mit der Hand. Dennoch gebe es kaum Ausschuss. „Die Quote liegt unter einem Prozent“, so Newe.

Allein die beiden letzten Schritte der Dosenmontage, das Setzen eines Dosendeckels und das Vergießen der Kontakte, um diese zu isolieren, erfolgen bei Conergy noch mit der Hand. Dazu die Sprecherin: „Wir suchen mittelfristig nach einer geeigneten Lösung, um auch diese Schritte zu automatisieren.“

Kosten sparen ist das Hauptmotiv bei der Umstellung auf die automatische Dosenmontage. „Ein Roboter kann bei uns gut ein Dutzend Mitarbeiter ersetzen, die dann in anderen, anspruchsvolleren Bereichen der Produktion arbeiten können“, sagt etwa Aleo-Betriebsleiter Mack. So könne Aleo auf die Einstellung neuer Mitarbeiter verzichten, die das Unternehmen ansonsten wegen des starken Wachstums der Branche dringend bräuchte.

Kostenreduktion unklar

Detaillierte Berechnungen zu den Investitionskosten für die Automatisation und den eingesparten Summen im Vergleich zur manuellen Montage geben allerdings weder Modul- noch Anschlussdosenhersteller oder Anlagenbauer gerne preis. Nach Angaben der ABB Robotics-Experten kann man aber für die automatische Dosenmontage mit Amortisationszeiten rechnen, die zwischen ein und zwei Jahren liegen, sofern die Jahresproduktion eines Werks mindestens 200 Megawatt beträgt.

Dass hier eine Art Wirtschaftlichkeitsgrenze liegt, belegen auch die Auskünfte des Modulherstellers Solon in Berlin, dessen Solarfabriken über Kapazitäten bis zu 200 Megawatt verfügen. „Wir können zurzeit eher nicht von einer Umstellung profitieren“, sagt Kai Siemer von Solon.

Das Unternehmen hat die automatische Montage unterschiedlicher Dosentypen auf wirtschaftliche Vorteile geprüft. „Wir haben Abschreibungssummen, Investitions-, Wartungs- und Personalkosten zur Überwachung der Roboter und die Kosten für das übliche Personal über einen Abschreibungszeitraum von fünf Jahren gegeneinander gerechnet“, sagt der Produktentwickler. Diese Berechnungen zeigten zurzeit noch keinen eindeutigen Vorteil für die Automatisierung. Nur ein ganz neuer Dosentyp, der sich aktuell noch in der Bewertung befindet, habe Chancen, in absehbarer Zeit zum Einsatz zu kommen. „Auf die Modulpreise würde sich eine Umstellung aber nicht auswirken“, gibt Siemer zu bedenken. „Dafür ist der Anteil dieses Prozessschritts an den Gesamtkosten viel zu gering und liegt pro Modul bei etwa 50 Cent.“

Mitarbeiter flexibler als Roboter

Seiner Meinung nach hat gut geschultes Fachpersonal gegenüber den Arbeitern aus Stahl in einigen Punkten ohnehin die Nase vorne. „Wir sind mit unseren Mitarbeitern und gegebenenfalls Zeitarbeitern flexibler und können die Produktion besser dem Bedarf anpassen“, erklärt er. Und Ausschuss gebe es dank der manuellen Montage praktisch nicht. Wenn ein Fehler festgestellt werde, könne er gleich an Ort und Stelle behoben werden.

Eine weitere Unwägbarkeit für eine Umstellung ist aus Solon-Sicht, dass sich die Produkte ständig weiterentwickeln. „Wir gehen davon aus, dass es im Bereich der Modultechnologie und den verwendeten Materialien weitere Entwicklungen geben wird. Müssten wir aber unsere Produktion schon in zwei Jahren wieder auf andere Dosen umstellen, kämen noch erhebliche Kosten hinzu“, befürchtet Siemer.

Standardisierung nötig

Nicht zuletzt wegen solcher Befürchtungen und um die Umstellung noch wirtschaftlicher zu machen, würden sich die Automationsexperten von ABB eine Begrenzung der Dosenvielfalt auf eine überschaubare Zahl standardisierter Modelle wünschen. Ließe sich doch dadurch noch deutlich mehr sparen, denn teure Entwicklungskosten würden schlicht entfallen. „Die Modul- und Dosenhersteller wollen aber ihre Alleinstellungsmerkmale nicht verlieren und ein einzigartiges Komplettpaket liefern“, sagt Orth. Das ist ein Dilemma, denn nicht alle Modulhersteller möchten allein von einem Dosenhersteller abhängig sein. Aleo Solar zum Beispiel will deshalb schon bald einen Adapter für verschiedene Dosentypen entwickeln.

Orth ist überzeugt, dass vieles ganz neu gedacht werden muss, um den Prozess weiter zu vereinfachen. „Zum Beispiel wäre es wünschenswert, das Dosengehäuse mit einem stapelbaren Design zu versehen“, sagt er. Dann könnten die Roboter die Dosen direkt aus der Transportkiste greifen.

Im Idealfall umfasst das Automatisierungskonzept seiner Meinung nach sämtliche Schritte, vom Ausladen des Lkws über die verwendeten Materialien bis zur Entsorgung. Nur so können der Materialfluss kontrolliert, Abfälle, Packmittel und damit weitere Kosten gespart werden. „Um das zu erreichen, ist allerdings ein Umdenken in der Herangehensweise unbedingt erforderlich“, sagt der Vertriebsmann. Noch tendiere man zu sehr dazu, die manuellen Prozesse eins zu eins auf Roboter zu übertragen. „Davon muss man sich lösen und schon viel früher im Prozess zusammenarbeiten“, fordert Orth. „Am besten schon, wenn es noch gar keine konkreten Pläne gibt und die Idee einer neuen Modullinie gerade erst geboren ist.“

Andrea Hoferichter

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