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Erlösung aus Rom

Das Bangen erfasste die gesamte Photovoltaikwelt, als die Regierung in Rom am 3. März die Notbremse zog. „Es baut sich gerade Druck im Kessel auf“, sagte kurz danach Analyst Dirk Morbitzer. Mit dem Stopp in Italien füllten sich die Lager mit Modulen weltweit, und die Preise kamen ins Rutschen. Dies mag zwar für Anlagenbauer in Deutschland auf den ersten Blick gut sein, für die Modulhersteller ist es aber schlecht. Das Tauziehen um eine Neuregelung dauerte bis in den Mai und zerrte auch an den Nerven der Minister. „Die Verrückte treibt mich in den Wahnsinn“, sagte der Minister für wirtschaftliche Entwicklung Paolo Romani laut der Tagesszeitung „La Repubblica“ über die Umweltkollegin Stefania Prestigiacomo am 30. April. Derweil zeigtensich die Investoren verunsichert, und die Banken weigerten sich, neue Anlagen zu finanzieren.

Der italienische Photovoltaikmarkt hat sich seit 2007 sukzessive entwickelt. Damals verabschiedete die Regierung in Rom das erste Conto Energia, das die Grundlage für einen enormen Aufschwung legte. Allein im vergangenen Jahr hat sich der Zubau mehr als verdreifacht und lag nach EPIA-Angaben bei etwa 2.300 Megawatt. Die Bedingungen für Investoren in Italien versprechen traumhafte Renditen. Nicht nur die Sonneneinstrahlung, auch die Fördertarife sind in dem südeuropäischen Land deutlich höher als etwa in Deutschland. Hinzu kommt, dass die Betreiber der Photovoltaikanlagen zusätzlich die Erlöse aus demStromverkauf erhalten. Diese liegen bei acht bis neun Cent je Kilowattstunde. Genau wie in Deutschland werden die Fördertarife 20 Jahre lang gezahlt.

Am 5. Mai ist es dann endlich so weit: Die beiden Minister Romani und Prestigiacomo einigen sich und unterzeichnen das neue Gesetz. Der Ministerrat in Rom billigt das Conto Energia IV. Die Grundzüge des neuen Gesetzes sind klar. Generell wird künftig zwischen „kleinen“ und „großen“ Anlagen unterschieden. Danach richtet sich, ob der Zubau begrenzt sein wird oder sich die Investoren nur auf eine stetig sinkende Einspeisevergütung einrichten müssen.

Es zeigt die Richtung auf, in die die Regierung den Photovoltaikmarkt treiben will. „Die Zukunft gehört denDachanlagen“, bestätigt Svenja Bartels, Partnerin in der Kanzlei Rödl & Partner in Padua. Zwar seien die „paradiesischen Zustände in Italien vorbei“, dennoch biete das Conto Energia IV eine gute Grundlage für Investitionen in Dachanlagen, lautet ihre Einschätzung. Allerdings ist die Definition für „kleine“ Anlagen irreführend: Darunter fallen Dachanlagen mit einer Leistung von bis zu einem Megawatt, außerdem Systeme, die auf Flächen oder Dächern der öffentlichen Hand stehen, sowie Freiflächenanlagen mit einer Leistung bis 200 Kilowatt mit Eigenverbrauch. Die italienische Regierung hat für ihren Zubau keine Begrenzung vorgesehen. Allerdings sinkt der Fördertarif ab dem 1. Juni bis zum Ende des Jahres monatlich um einige Prozentpunkte (siehe Tabelle). Für die kleinsten Dachanlagen wird dann ein Tarif von 29,8 Cent je Kilowattstunde gezahlt; für große Solarparks gibt es 17,2 Cent je Kilowattstunde, wobei jeweils der Erlös aus dem Stromverkauf noch obendrauf kommt. Für die kommenden Jahre hat die Regierung bereits die Höhe der Einspeisevergütung fixiert. Dann sind halbjährliche Degressionsschritte geplant.

Registerpflicht für Großanlagen

Komplizierter wird die Lage für Investoren, die „große“ Anlagen bauen wollen – allerdings erst ab Ende August. Alle Photovoltaikanlagen, die bis dahin ans Netz gehen, erhalten die zu dem Zeitpunkt gültige Einspeisevergütung. „Bis zum 31. August könnte es daher eine kleine Blase geben“, prognostiziert Carsten Steinhauer, Partner der Anwaltskanzlei McDermott, Will & Emery in Rom. Was danach passiert, ist allerdings noch unsicher. Die italienische Regierung hat eine Registerpflicht für Freiflächen- und Dachanlagen mit mehr als einem Megawatt Leistung eingeführt. Damit sollen die Kosten für die Solarförderung gezielt eingegrenzt werden. Die Regierung hat klare Vorgaben gesetzt, wie hoch der Kostenrahmen sein wird. Für das zweite Halbjahr 2011 stehen 300 Millionen Euro zur Verfügung, was in etwa einer geförderten Anlagenleistung von 1.200 Megawatt entspricht. Nach den vorliegenden Plänen soll die Netzagentur GSE die Kosten auf Grundlage der gemeldeten Anlagenleistungen und Standorte ermitteln und eine Rangliste erstellen.

Im kommenden Jahr gibt es dann im ersten Halbjahr noch 150 Millionen Euro und im zweiten Halbjahr 130 Millionen Euro. Insgesamt auf die Leistung von geförderten Anlagen umgerechnet entspricht dies ungefähr einer Kapazität von 1.490 Megawatt für das gesamte Jahr. Alle Investoren, die von dieser Förderung profitieren wollen, müssen sich allerdings zu genau festgelegten Zeiten in ein Register eintragen. Bis Ende kommenden Jahres sind insgesamt drei Bewerbungsrunden geplant. Die Investoren bewerben sich um eine Förderung ihrer Anlage in einem bestimmten Bezugszeitraum. Die erste Runde begann bereits am 20. Mai. Bis Ende Juni haben Investoren nun Zeit, ihre Unterlagen einzureichen. Die GSE wird dann Mitte Juli eine Rangliste veröffentlichen, welche Anlagen wirklich eine Einspeisevergütung erhalten. Dabei muss die Netzagentur jene Anlagen berücksichtigen, die bereits in der Übergangsfrist bis zum 31. August ans Netz gehen, wie Steinhauer bestätigt. Diese würden dann auf den gesamten Kostenrahmen angerechnet. Steinhauer geht davon aus, dass die Investoren ihre Photovoltaikanlagen alle vorsorglich melden werden. Nur so lasse sich das Risiko vermeiden, komplett aus der Förderung zu fallen wenn sie die Anlage nicht vor Anfang September ans Netz bringen.

Dennoch schwingt gerade bei den großen Freiflächenanlagen viel Unsicherheitmit. Die Zuteilung der Listenplätze wird nach Prioritäten erfolgen. Ganz oben stehen laut Gesetz die Anlagen, die bei Antragstellung bereits in Betrieb sind. Dann jene Anlagen, die bereits fertiggestellt, aber noch nicht am Netz sind. Danach zählt das Datum der Baugenehmigung, die Leistung der Anlage sowie der Tag der Antragstellung. Die Plätze im Register sind nicht übertragbar und gelten jeweils nur für die beantragte Anlage. Innerhalb von sieben Monaten nach Veröffentlichung der Rangliste muss die Anlage fertiggestellt sein, um wirklich eine Förderung zu erhalten. Immerhin ist mit der Neuregelung des Conto Energia festgeschrieben, dass der Netzbetreiber ENEL die Photovoltaikanlagen binnen 30 Arbeitstagen ans Netz anschließen muss. Andernfalls würden Entschädigungszahlungen fällig. Allerdings reichten diese nicht aus, um den Verlust zu kompensieren, heißt es bei Rödl & Partner.

Die Katze beißt sich an dieser Stelle allerdings in den Schwanz. Solange nicht klar ist, ob die Anlagen wirklich gefördert werden, wird keine Bank die Finanzierung übernehmen. Mit dem Platz auf der Rangliste ist zumindest in diesem Jahr auch nicht gesichert, wie hoch der Fördertarif sein wird. „Man kann die Anlagen nicht richtig planen und investieren, da nicht genau feststeht, welchen Tarif man erhält“, kritisiert Roberto Pera, Anwalt von Rödl & Partner in Rom. Er hält das Register insgesamt für sehr problematisch. Pera geht daher auch von einer deutlichen Schrumpfung des Freiflächenmarktes in Italien nach dem 31. August aus. Von der Neuregelung profitierten vor allem die Großen wie ENI und ENEL, so Peras Einschätzung. Sie hätten das Geld, um Anlagen zu bauen und die fertigen Solarparks dann für eine Förderung anzumelden. In der Rangliste würden diese Anlagen entsprechend weit oben stehen. Noch sei auch offen,ob der von der Regierung geschaffene Kostenrahmen genügend Kapazitäten für ein weiteres Marktwachstum in Italien biete, so der Anwalt von Rödl & Partner.

Dieses Problem mit der Finanzierung von Solarparks sieht auch Anwalt Carsten Steinhauer. „Nach dem Legislativdekret der Regierung waren sämtliche Investitionen blockiert, und die Finanzierungen wurden eingefroren“, sagt er. Bis zur endgültigen Einigung auf das Conto Energia IV habe sich daran nichts geändert. Nun müsse abgewartet werden, wie die Banken auf die Neuregelung reagierten.

Konkretisierung steht noch aus

Dabei bietet das Conto Energia IV noch weitere Unwägbarkeiten und auch „systematische Fehler“, die sich erst in den kommenden Wochen und Monaten lösen werden, sagt Steinhauer. Es schreibe fest, dass mehrere Photovoltaikanlagen, die auf einer Fläche oder einem Dach errichtet werden, zu einer Anlage zusammengefasst werden sollen. Damit will die Regierung verhindern, dass größereAnlagen in mehrere Systeme mit niedrigen Leistungen aufgeteilt werden und das Register unterlaufen. Allerdings ist laut Steinhauer unklar, wie die Anlagen behandelt werden, wenn sie von unterschiedlichen Investoren installiert wurden. Die GSE ist beauftragt, bis Ende Juni dazu weitere Richtlinien zu veröffentlichen und somit die Vorschrift zu konkretisieren.

Die italienische Regierung hat aber auch kleine Anreize in das Gesetz eingebaut, die weithin begrüßt werden. So sei unter verschiedenen Voraussetzungen eine Erhöhung des Fördertarifs möglich, wie Anwältin Svenja Bartels ausführt. Aufschläge von fünf Prozent gebe es für Anlagen auf Konversionsflächen und Kleinanlagen, die von Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern betrieben werden. Um fünf Cent je Kilowattstunde erhöht sich der Fördertarif, wenn die Dachanlagen beim Austausch von Eternit oder asbesthaltigen Abdeckungen installiert werden. Außerdem soll künftig gelten, dass zehn Prozent mehr Förderung gezahlt werden, wenn die Komponenten der Anlagen mindestens zu60 Prozent aus EU-Ländern stammen. Die Arbeitsleistung werde dabei nicht einberechnet, sagt Anwalt Steinhauer. Die genaue Definition stehe allerdings noch aus. Dennoch glaubt er, dass diese Klausel den europäischen Herstellern insgesamt Auftrieb geben könnte.

Die offenen Fragen muss die italienische Regierung noch klären. „Ich gehe davon aus, dass es noch einen Monat dauern wird, um endgültig Klarheit zu schaffen“, schätzt Carsten Steinhauer Mitte Mai. „Das Conto Energia IV ist gut“, so die erste Einschätzung des Analysten Dirk Morbitzer von Renewable Analytics. Er erwartet, dass der Markt nun wieder anspringen wird. Es könne ein Zubau von 3,5 Gigawatt in diesem Jahr in Italien realisiert werden, so seine Prognose.

Mit Blick auf Deutschland meint er, dass die Unternehmen nun wieder Ware ausliefern könnten. „Die Nachfrage aus Italien wird nicht hoch genug sein, um den Preisverfall zu stoppen“, sagt der Analyst. Sie werde aber helfen, die Lagerbestände in Europa abzubauen. Dennoch sieht Morbitzer prinzipiell Bedarf nachzusteuern. So sei es denkbar, dass sich die Regierung bei der Entwicklung des Dachanlagenmarktes verschätzt habe und noch eine Begrenzung einführe. Er rechnet bereits im kommenden Jahr mit ersten Änderungen. „Die Lebensdauer des Conto Energia IV dürfte bei etwa einem Jahr liegen“, sagt der Analyst.

Die italienische Regierung plant allerdings längerfristig. So soll ab 2013 die Einspeisevergütung nach deutschem Vorbild erfolgen. Dann wird es kein Register mehr geben und die Höhe der Tarife wird durch den Zubau geregelt. Je mehr Megawatt Photovoltaikleistung zugebaut werden, desto stärker werden die Fördertarife sinken. Bis Ende 2012 gilt allerdings das bisherige System weiter, bei dem die Betreiber neben der Einspeisevergütung auch noch die Erlöse aus dem Stromverkauf erhalten. Damit dürfte Italien trotz einiger bürokratischer Hürden ein weiterhin überaus attraktiver Markt für Investoren bleiben, zumal wenn sie auch große Anlagen aus der eigenen Tasche vorfinanzieren können. „Ab September wird alles etwas komplizierter, doch mit den festgelegten Einspeisevergütungen plus den Erlösen aus dem Stromverkauf ist das machbar“, lautet das Fazit von Anwalt Frank Geffers von der Kanzlei Puopolo Geffers Iacobelli & Partners in Rom.

Einspeisevergütung Italien 2011
AnlagengrößeJuniJuliAugustSeptemberOktoberNovemberDezember
1*2**1*2**1*2**1*2**1*2**1*2**1*2**1-3 kWp
0,3870,3440,3790,3370,3680,3270,3610,3160,3450,3020,320,2810,2980,2613-20 kWp
0,3560,3190,3490,3120,3390,3030,3250,2890,310,2760,2880,2560,2680,23820-200 kWp
0,3380,3060,3310,30,3210,2910,3070,2710,2930,2580,2720,240,2530,224200-1.000 kWp
0,3250,2910,3150,2760,3030,2630,2980,2450,2850,2330,2650,210,2460,1891.000-5.000 kWp
0,3140,2770,2980,2640,280,250,2780,2430,2560,2230,2330,2010,2120,181>5.000 kWp

Sandra Enkhardt