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Barfuß-PV

Eine Bank, die vollkommen unberührt blieb von der Finanzkrise, ist die Grameen Bank mit Hauptsitz in Dhaka, Bangladesch und einer Bilanzsumme von 1,2 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr. Ebenso unerschüttert blieb die Energie-Tochter dieser Bank, Grameen Shakti (GS), die vor allem „Solar Home Systems“ finanziert, netzunabhängige Photovoltaiksysteme, weil sie, wie GS-Chef Dipal Chandra Barua sagt, „langlebig, einfach, sicher, gesundheits- und umweltfreundlich sind und überall im Land eingesetzt werden können“. Grameen Shakti ist der größte Anbieter von Offgrid-PV-Systemen in Bangladesch, einem Land in der Energiekrise, und wächst so rasant, dass das Unternehmen das anfangs erklärte Fernziel, eine Million Solarsysteme in die ländlichen Gebieten Bangladeschs zu bringen, von 2015 auf 2010 vordatieren konnte. In den vergangenen zwei Jahren verdoppelten sich die Installationen auf 10.000 Anlagen im Monat. Installiert werden vorrangig Kleinstanlagen, 10- bis 150-Watt-Systeme, die von den Kreditnehmern innerhalb von drei Jahren abbezahlt werden, zu einem Preis, der mit den Kosten von Kerosin vergleichbar ist – eine echte Alternative zur Luftverschmutzung.

Doch eigentlich ist die Krisenresistenz der Grameen Bank und ihrer Spin-offs wie Grameen Shakti nicht wirklich ein Wunder. Die Bank setzt auf einen Kundenstamm, der nichts mit den großen Kapitalflüssen zu tun hat und vom Finanzsektor normalerweise links liegen gelassen wird: Die Grameen Bank leiht Geld an Leute, die keine Sicherheiten anbieten können, vor allem an Frauen (97 Prozent der Kreditnehmer sind weiblich), an Landbewohner mit einem Fleckchen Boden, aber ohne Ersparnisse, sogar an Bettler. Zinsloses Startkapital für Bettler ohne festgelegte Rückzahlungsfrist ist ein Programm der Bank, das 2003 gestartet wurde. Bis heute machten 111.645 Bettler mit, 136,56 Millionen Taka wurden ausgegeben, 102,26 Millionen zurückgezahlt (100 Taka sind etwa 1,46 US-Dollar).

Vor drei Jahren wurde Muhammad Yunus, der Gründer der Bank, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, wobei der Preis zu gleichen Teilen an ihn und an die Grameen Bank verliehen wurde. Die Grundprinzipien der 1983 gegründeten Bank: Es werden Kleinstkredite vergeben an unternehmerische, aber mittellose Menschen in ländlichen Gebieten, ohne Sicherheiten und unter Verzicht auf gerichtliche Schritte, falls der Betrag nicht zurückbezahlt werden kann. Kreditnehmer müssen sich in fünfköpfigen Gruppen zusammenfinden, die jedoch nicht für die Kredite ihrer Mitglieder haften. Auch die Familien haften nicht für Restschulden, wenn ein Kreditnehmer stirbt. Wenn jemand seinen Kredit nicht zurückzahlen kann, wird dieser flexibler gestaltet. Trotzdem realisiert die Bank eine vorbildliche Rückzahlungsquote von 97,86 Prozent.

Den Debitoren werden Ziele vorgeschlagen, die während der Gründungsphase der Bank in Workshops mit Kreditnehmern festgelegt wurden: die „Sechzehn Entscheidungen“, unter anderem für eine gute Ausbildung der Kinder, kleinere Familien, Instandhaltung der Häuser, mehr Gemüseanbau und -konsum, für die Teilnahme an kollektiven Aktivitäten und für „Disziplin, Einigkeit, Mut und harte Arbeit“. Ziel ist die Förderung von kleinen Selbstständigen, von „social business“ (sozialem Wirtschaften), das nicht nur an Profitmaximierung orientiert ist, sondern auch an den menschlichen und umweltbezogenen Dimensionen des Lebens.

Entwickelt hat der heute 69-jährige Ökonomieprofessor Muhammad Yunus sein Mikrokredit-Konzept Anfang der 1970er Jahre in Exkursionen, die er mit seinen Studenten in benachbarte Dörfer unternahm – inspiriert durch seine Erfahrungen an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee, wo er in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre mit einem Fulbright-Stipendium promoviert hatte. Das Leitmotiv damals, kurz nach der Aufhebung der Rassentrennung in den USA, war „Freiheit“, erzählt Yunus in einem Interview mit der Organisation Ashoka. Es gab Teach-ins und „action research“, Feldforschung statt Lehrbuchwissen. Besonders beeindruckt habe ihn Professor Nicholas Georgescu-Rogan. Von ihm, sagt Yunus, habe er vor allem eines gelernt: „Realität ist das Höchste, Theorie imitiert nur die Realität. Wenn etwas nicht zur Realität passt, revidiere die Theorie und entwickle eine neue, die erklärt, was hier passiert.“

Die Dorfbank

Zurück in Bangladesch, kurz nach Ende des Befreiungskriegs, wurde Yunus Direktor des Wirtschaftsinstituts an der Universität seiner Heimatstadt Chittagong und ging mit seinen Studenten auf Feldforschung in die benachbarten Dörfer. Die Idee, eine Bank zu gründen, entstand 1976, als er mit seinen Studenten im Dorf Jobra war. Im Interview mit einer Frau, die vor ihrer Hütte saß und geflochtene Bambushocker herstellte, erfuhren sie, dass sie für umgerechnet zwei US-Cent am Tag für den Kreditgeber arbeitete, der ihr das Geld für den Einkauf von Bambus lieh und ihr verbot, die Hocker an andere teurer zu verkaufen, sonst hätte er ihr keine weiteren Kredite für das Material gegeben. Nach weiteren Befragungen hatten sie schließlich eine Liste von 42 Menschen, die zusammen 27 Dollar ausgeliehen hatten und dadurch zu Zwangsarbeitern ihrer Gläubiger geworden waren. Yunus gab ihnen das Geld und bat sie, es zurückzuzahlen, wann es ihnen möglich wird. Was dann passierte, überraschte den Ökonomen: Die Leute reagierten, als sei ein Wunder geschehen. Das brachte Yunus, wie er im Video auf den Ashoka-Internetseiten erzählt, auf den nächsten Gedanken: „Wieso sollte man das nicht öfter machen? Vielleicht sollte ich sie in Verbindung bringen mit der lokalen Bank.“ Er sprach mit der Bank, die zunächst ablehnte, die Kredite dann aber doch bewilligte, nachdem Yunus sich als Garantiegeber anbot. Das Experiment funktionierte, die Kreditnehmer konnten selbstständig arbeiten und zahlten ihre Kredite immer pünktlich ab. Es funktionierte auch in weiteren Dörfern und Yunus begann, über eine Bank für die Armen nachzudenken. 1983 gründete er, nach einer entsprechenden Änderung des Bankgesetzes, die Grameen Bank (Deutsch: Dorfbank). Die Bank, die zunächst durch die Zentralbank und staatliche Banken finanziert wurde, war bald unabhängig von diesen Finanzquellen. Seit Mitte der 90er Jahre überwiegen die Spareinlagen der Grameen-Kunden die Kredite. Das Vermögen der Bank gehört inzwischen zu 95 Prozent den Kreditnehmern und zu fünf Prozent der Regierung.

Das Grameen-Netzwerk

Aus der Grameen Bank ist ein diversifiziertes Netzwerk von 25 Unternehmen entstanden. Ein besonders erfolgreiches Spin-off, neben Grameen Shakti, ist Grameen Phone, heute die größte Telefonfirma in Bangladesch, ein Joint-Venture mit dem norwegischen Unternehmen Telenor. Grameen Cybernet ist seit der Gründung 1996 der führende Internet- Serviceprovider des Landes. Weitere „Grameen Families Organizations“ sind unter anderem Grameen Solutions (Software-Entwicklung für Telekommunikationstechnik), Grameen Shikkha (Bildung), Grameen Knitwear (ein Textilunternehmen), Grameen Krishi (Landwirtschaft), der Treuhandfond Grameen Trust und die Stiftung Grameen Fund. Nach dem Friedensnobelpreis kamen internationale Joint-Ventures dazu, zum Beispiel Grameen Danone und Grameen Veolia, und internationale Partnerschaften wie die Grameen Crédit Agricole Microfinance Foundation.

Als sie 2006 den Nobelpreis in Oslo entgegennahmen, Muhammad Yunus und drei ehemalige Schüler, darunter Dipal Chandra Barua, der Mann, der die Solar Home Systems in Bangladesch verbreitet, da hatten sie den Beweis geliefert, dass das „Milleniumsziel“ der Vereinten Nationen, die Armut bis 2015 zu halbieren, machbar ist, durch die Ausgabe von Mikrokrediten – laut Yunus „ein ganz einfacher Gedanke“, der im Dialog mit jenen Dorfbewohnern in Jobra entstanden war. Es gibt im Internet viele Videos von Vorträgen des Ökonomen Yunus, und immer ist ihm anzusehen, dass es ihm Vergnügen bereitet, ähnlich wie Georgescu-Rogan etablierte Vorstellungen von Wirtschaft in Frage zu stellen und neu zu formulieren, in den einfachen Worten der Realwirtschaft, die auch von Marktfrauen verstanden werden.

Das PV-Spin-off Grameen Shakti

Schön, dass Solartechnologie dabei eine Rolle spielt. Der Photovoltaik-Experte bei Grameen ist Dipal Chandra Barua, 55, der zweite Mann in der Grameen Bank, der eine ganze Reihe von internationalen Auszeichnungen erhalten hat für das Energie-Unternehmen, das er 1996 gründete, unter anderem 2007 den Right Livelihood Award und dieses Jahr den mit 1,5 Millionen US-Dollar dotierten Zayed Future Energy Prize. Barua hat nicht das Teach-in-Talent seines ehemaligen Lehrers – er war wissenschaftlicher Assistent bei Yunus von 1974 bis 1978 –, sondern lässt in seinen Reden lieber Zahlen für sich sprechen: Grameen Shakti („Shakti“ heißt Energie) hat mehr als 250.000 Solar Home Systems in Bangladesch installiert, ein Netzwerk von 750 Zweigstellen aufgebaut sowie 45 Grameen Technology Centers, in denen vorwiegend weibliche Ingenieure Anlagen montieren, reparieren und PV-Technikerinnen ausbilden (bis heute 5.000), damit sie selbstständig Anlagen installieren und instand halten können. Seit 2005 baut Grameen Shakti auch Biogasanlagen (7.000 bis heute) und seit 2006 auch umweltfreundliche Herde zum Kochen (bis heute 40.000). Über 10.000 Bäume wurden gepflanzt, um die Bodenerosion einzudämmen.

Barua war der Hauptredner beim zweitägigen Symposium „Small PV-Applications – rural electrification and commercial use“, das im Mai vom Ostbayerischen Technologie-Transfer-Institut (OTTI) an der Hochschule Ulm veranstaltet wurde. Referenten von fünf verschiedenen Kontinenten informierten dort dicht hintereinander weg über ihre Strategien, Erfolge und Schwierigkeiten. Die wichtigsten Aussagen vom ersten, für die Presse offenen Konferenztag: Bis alle Menschen Zugang zu einem Stromnetz haben, könnte es noch 50 Jahre dauern, drei Generationen. Für die meisten Menschen ohne Strom ist Solarenergie die beste und kostengünstigste Lösung, also ist der Bedarf an Offgrid-PV enorm. In der Praxis sind die Batterien das große Problem. Abgeraten wurde von Förderprojekten, da sie wenig förderlich sind für den lokalen privaten Markt, ein wichtiges Umfeld für die Technik.

In Interviews mit photovoltaik im Mai und August erzählt Dipal Chandra Barua, wie Grameen Shakti zu den Erfolgszahlen kommt. Die Kunden leisten eine Anzahlung auf die PV-Systeme (15 oder 25 Prozent), nehmen einen Kredit mit festem Zinssatz auf (sechs bzw. vier Prozent) und zahlen die Anlagen innerhalb von zwei oder drei Jahren ab in monatlichen Raten, die in etwa den Ausgaben entsprechen, die ihnen sonst für Kerosin angefallen wären. Während dieser Zeit werden die Anlagen kostenlos gewartet, danach zu günstigen Konditionen. „Die Wartung ist zentral“, sagt Barua, „wenn das Licht nicht funktioniert, dann bezahlen die Leute nicht.“ Für die Batterien werden fünf Jahre Garantie geboten, kaputte Batterien werden ersetzt, tote Batterien sicher entsorgt. Wenn die letzte Kreditrate abbezahlt ist, erhalten die Besitzer der Solar Home Systems ein Zertifikat und ein Geschenk, zum Beispiel einen Grameen-Schirm. „Die Leute sind stolz darauf“, erzählt Barua, „überall kann man diese Schirme sehen.“

Am beliebtesten sind 50-Watt-Systeme. Die Hauptanwendungen für den Strom sind Licht, Fernsehen, Radios und Mobiltelefone. Das Unternehmen installiert auch größere Anlagen, zum Beispiel für Kliniken, Büros, ein Computer-Trainingszentrum oder für die Basisstationen des Schwesterunternehmens Grameen Phone. Doch die Nachfrage nach Minisystemen überwiegt in diesem Markt, der mit der Anwendung von Elektrogeräten in netzfernen Gebieten wächst. 60 Prozent der Einwohner des Landes haben keinen Anschluss ans Stromnetz. Für sie ist Solarenergie viel interessanter als Windenergie, erklärt Barua, da es nicht ganzjährig höhere Windgeschwindigkeiten gibt, zudem regnet es viel in zwei Monaten des Jahres. Grameen Shakti sei jedoch dabei, Wind-plus-Solar-Hybride zu untersuchen.

Die Frauen sind die Entscheider

Die Frauen in den Dörfern spielen auch bei Grameen Shakti die Hauptrolle. „Die Frauen sind die Entscheider in ländlichen Gebieten“, erklärt Barua. „Sie sind diejenigen, die Verantwortung übernehmen für ihre Familien und die Gemeinde. Sie verwalten die Haushaltsfinanzen und kümmern sich darum, dass ihre Kinder eine Zukunft haben.“ Das Angebot, das Grameen Shakti den Frauen machte, sich als Solartechnikerinnen ausbilden zu lassen oder zu lernen, die eigene Solaranlage zu warten, war ungewöhnlich, da Technik in Bangladesch nicht unbedingt Frauensache war. Doch die Solar Home Systems gehören zum Haus, fallen also ins Reich der Frauen. „Die Frauen arbeiten als Techniker im Haus und am Haus“, erklärt Barua. Wenn es um die GS-Biogasanlagen geht, seien mehr Männer dabei, „da überwiegt die Bauarbeit“. Die Frauen ergriffen die Gelegenheit in Scharen, nicht zuletzt, weil damit Verdienstmöglichkeiten verbunden sind, als Ingenieure, Techniker oder Serviceanbieter vor Ort. Die meisten der 20.000 grünen Jobs, die Grameen Shakti geschaffen hat, wurden von Frauen übernommen. Und es werden mehr: Mit dem Preisgeld des Zayed Future Energy Prize gründete Barua eine Stiftung, die an Frauen Stipendien für Ausbildungen als Technikerinnen und Unternehmerinnen vergibt. Bis Ende 2009, sagt Barua, werden 100 Technikerinnen Stipendien erhalten. Grameen Shakti bietet auch Schul-Stipendien für Kinder von Solar-anlagen-Besitzern an und Unterrichts-einheiten über erneuerbare Energie in Schulen. Kürzlich wurde GS vom Arbeitsministerium beauftragt, PV-Training für etwa 400 Jugendliche anzubieten.

Die Batterien für die GS-Anlagen werden von vier Unternehmen in Bangladesch produziert, wobei die Regierung einen hohen Qualitätsstandard und klare Richtlinien für die umweltfreundliche Benutzung und das Recycling vorgibt. Die Laderegler werden von Grameen Shakti selbst hergestellt. Ziel ist, immer weniger Komponenten zu importieren. Die Module kamen lange Zeit ausschließlich von der japanischen Firma Kyocera Solar, „jetzt kommen Unternehmen aus China auf uns zu“, sagt Barua.

Die Importbedingungen für Solartechnologie wurden von der neuen Regierung unter Premierministerin Sheikh Hasina entscheidend verbessert: Erneuerbare Energiequellen wurden von Zöllen und Steuern befreit. Steuerbefreiung für Erneuerbare war eine der Forderungen der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins „The Star“, die Barua aus Bangladesch nach Ulm mitgebracht hatte. Die Titelgeschichte „Our Solar Solution“ war eine kritische, entschieden positive Auseinandersetzung mit Grameen Shakti und dem „Vater der Solarenergie in Bangladesch“ Dipal Chandra Barua. Der Artikel forderte außerdem die Ausdehnung des Solarprogramms auf die Städte, da Bangladesch derzeit tief in der Energiekrise steckt.

Stadt und Land

In der Zwischenzeit hat Grameen Shakti tatsächlich begonnen, Solarmodule in Städten zu installieren und überschüssige Energie ins Stromnetz einzuspeisen. Das erste urbane PV-System von Grameen Shakti wurde auf das Dach eines Edelrestaurants montiert. Doch grundsätzlich ist Grameen Shakti immer noch im ländlichen Raum verankert und eingebunden in das nationale Elektrifizierungsprogramm, das „Rural Electrification and Renewable Energy Development Project“ (REREDP, Programm zur Elektrifizierung des ländlichen Raums durch erneuerbare Energie), das von der Organisation Infrastructure Development Company Limited (IDCOL) umgesetzt wird.

Baruas Ziel und Haupterfolg war der Nachweis, dass erneuerbare Energien eine tragfähige Option sind für die ländliche Bevölkerung, auch wenn ein marktorientierter Ansatz verwendet wird. Die erste Herausforderung, erklärt Barua, war der Aufbau eines ländlichen Netzwerks. Die zweite war die Entwicklung eines finanziellen und technischen Angebots, das zur ländlichen Bevölkerung passte. Barua entwickelte ein Ratenkaufmodell, das sich von den gruppenbasierten Mikrokrediten der Grameen Bank unterscheidet. Um Ingenieure zu rekrutieren und auszubilden, arbeitete das Unternehmen mit lokalen und internationalen Ingenieurvereinigungen zusammen. Anfangs gingen die GS-Ingenieure von Tür zu Tür, um die Leistungsfähigkeit der Solar Home Systems zu demonstrieren, doch bald „verkaufte sich das System von selbst“, erzählt Barua, und Grameen Shakti konnte die Overheadkosten kürzen. Die lokale Herstellung von PV-Zubehör sorgte für eine weitere Kostenreduktion. Als Grameen Shakti 2002 die Gewinnschwelle erreichte, wurde die Weltbank aufmerksam und sorgte dafür, dass Grameen Shakti zwischen 2002 und 2008 zinsgünstige Kredite von IDCOL erhielt, um ländliche Solarunternehmen nach dem Grameen-Shakti-Modell zu verbreiten. Zusätzlich schloss die Weltbank einen Vertrag mit IDCOL und Grameen Shakti, IDCOLs größter Partnerorganisation, der es beiden Organisationen ermöglichen wird, die von ihnen eingesparten Kohlendioxidemissionen im internationalen Emissionshandel abzurechnen.

Das „No subsidy“-Modell

Von Subventionen und Hilfe durch entwicklungspolitische Investmentfonds hält Barua, wie die anderen Offgrid-Experten bei der OTTI-Konferenz, nicht viel, sagt aber: „Das ist ein großes Thema, wie man Subventionen intelligent einsetzen könnte“. „Wir sind gewachsen in einem ‚No subsidy’-Modell“, sagt Dipal Chandra Barua. Dennoch sei es sinnvoll gewesen, am Elektrifizierungsprogramm der Weltbank teilzunehmen, das zinsgünstige Kredite bereitstellte, keine Subventionen. „Wir hatten ein nachhaltiges Modell geschaffen, die Ökonomen der Weltbank waren an den Subventionsmodellen in Indien orientiert. Sie änderten ihre Meinung. Jetzt unterstützen sie uns bei der Internationalisierung.“

Auch im eigenen Land hat Barua noch viel vor. Sein „Traum“, erklärt er, ist eine „grüne Ökonomie für Millionen von Bangladeschern, die in der nächsten Dekade vom Klimawandel betroffen sein werden“. Zu den Technologien, die er der ländlichen Bevölkerung zur Verfügung stellen will, zählen Solarpumpen für die künstliche Bewässerung, solarbetriebene Kühlschränke, große Biogasanlagen und Biogasmotoren für Fahrzeuge. Wichtig, erklärt Barua, sei der Schutz vor Naturkatastrophen, die mit dem Klimawandel einhergehen. Grameen Shakti werde Bäume pflanzen, neue landwirtschaftliche Methoden einführen sowie Zyklon-Schutzräume, Regenwasserauffangsysteme, Entsalzungs- und Wasseraufbereitungsanlagen aufbauen, die mit erneuerbaren Energiequellen ausgestattet sind. Das Unternehmen hat kürzlich mit der Regierung vereinbart, PV-Systeme in Schulen und andere große Institutionen zu bringen. Zudem will Barua mit der Regierung und internationalen Organisationen einen Klimafonds einrichten.

Die „Social Business“-Werber

Grameen Shakti und das Grameen-Businessmodell haben einen riesigen Freundeskreis in der ganzen Welt. Mikrokredite sind zum Buzzword geworden im Konferenzkarussell der großen Geberländer. Beim Weltwirtschaftsforum 2009 in Davos wurde Grameens „girl effect“ diskutiert. Doch der Wechsel vom Subsidy- zum No-subsidy-Modell, vom Wohlfahrtsdenken zur Partnerschaft, ist nicht ganz einfach, wie sich in Deutschland zeigt.

Da gibt es die Praktiker wie Peter Adelmann, Professor an der Hochschule Ulm, ehemals Chef der Phocos AG und der Steca GmbH, der seinen Geschäftspartner Barua zur Offgrid-PV-Tagung in Ulm einlädt. Und es gibt die Business-Philosophen, beispielsweise im Grameen Creative Lab, das Anfang dieses Jahres gegründet wurde als Joint-Venture zwischen der Forschungsstiftung von Muhammad Yunus, Yunus Centre, und Hans Reitz, Gründer und Chef der Werbe- und PR-Agentur Circ in Wiesbaden. Die Hauptaktivität des Lab besteht laut Website im Netzwerken und Beraten, konkret in der Herstellung eines Kontakts zwischen Yunus und dem Circ-Kunden BASF, der zu einem Joint-Venture führte, das nun Moskitonetze und Vitaminpulver in Bangladesch verkauft. Die Forschung für das deutsche Grameen Creative Lab findet in Kooperation mit der Freien Universität Berlin statt, im Arbeitsbereich Entrepreneurship unter Leitung von Günter Faltin, Professor am Fachbereich Erziehungswissenschaft. Doch auch in der Berliner Dependance des Grameen Creative Lab wird vorwiegend konferiert (nächster Vision Summit: 8. November) und diskutiert. Nicht etwa über Mikrokredit-Konzepte für Frauen in den absterbenden ostdeutschen Dörfern – nach Aussagen der Website soll das FU-Lab „vor allem große und mittelständische Unternehmen für die neue Social Business Denkweise gewinnen“.

In Deutschland zumindest liegen immer noch Welten zwischen der kleinen Welt der Mikrokredite und der großen Welt der Makroinvestitionen. Schön, dass Solartechnologie – und viele der großen Solarunternehmen – in beiden zuhause sind.

Eva Weber

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