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Vive la France

In Freiburg im Breisgau ist man ganz nah dran an Frankreich – nur 20 Kilometer sind es bis zum Rhein, der hier die Grenze markiert. Trotzdem war Helmut Godard, Inhaber der Freiburger PV-Installateurs Energossa, im letzten Jahr noch unschlüssig, ob er in Frankreich tätig werden sollte. Er wolle „lieber noch etwas abwarten“, sagte er damals (siehe photovoltaik 05/2008). Inzwischen hat man bei dem mittelständischen Betrieb mit elf Mitarbeitern Nägel mit Köpfen gemacht. Im Mai dieses Jahres eröffnete die französische Tochterfirma im elsässischen Straßburg. Zwei Drei-Kilowatt-Anlagen im Elsass sind zur Zeit in der Vorbereitungsphase, ein „wichtiger Erfolg“, wie Godard betont. Auch Christian Kühn, der den Frankreich-Vertrieb des ebenfalls in Freiburg beheimateten Elektroinstallationsbetriebs Müller GmbH mit rund 70 Mitarbeitern verantwortet, konnte Anfang September seine Straßburger Niederlassung Mueller Eco-énergies einweihen und hat auch schon einen Auftrag über eine 9,2-Kilowatt-Anlage auf einem Mehrfamilienhaus in der Tasche.

Höchster Einspeisetarif weltweit

Der Augenblick für ein Engagement im Nachbarland erscheint günstig: In Frankreich gibt es zur Zeit den höchsten Einspeisetarif weltweit – über 60 Cent pro Kilowattstunde bringt eine gebäudeintegrierte Photovoltaikanlage (Building-integrated Photovoltaics, BiPV) ihrem Eigentümer ein. Neben diesem, bisher schon bestehenden BiPV-Tarif sieht die von Umweltminister Jean-Louis Borloo für den 1. Januar 2010 angekündigte Neuregelung zwei neue Tarife für gewerbliche Photovoltaikanlagen vor: einen Tarif von 45 Cent für Anlagen mit „vereinfachter Gebäudeintegration“ („intégration simplifiée au bâti“). Was das im Detail bedeutet, soll bis Juni 2010 von einer Expertenkommission festgelegt werden. „Damit ist im Wesentlichen der bisherige BiPV-Standard gemeint“, hat Christian Kühn in Erfahrung gebracht.

An die „vollwertige“ Integration würden künftig noch höhere Ansprüche gestellt: Der 60-Cent-Tarif solle Modulen mit wasserdichten Rahmen vorbehalten bleiben, die ohne separate wasserführende Schicht auskommen. Alles andere gelte dann als „simplifié“. Ob auch die dachparallele Aufdachmontage die Kriterien des 45-Cent-Tarifs erfüllen wird, ist allerdings noch unklar. Das wäre ein „Supergeschenk“ für die deutschen Anbieter, so Kühn, der ihnen den „Sprung über den Rhein“ erleichtern würde. „Ich glaube aber nicht, dass uns die französische Administration diesen Gefallen tun wird.“

Nachdem in Frankreich bisher überwiegend Privatanlagen bis drei Kilowatt Leistung entstanden, soll mit dem neuen 45-Cent-Tarif ein neues Marktsegment für die Photovoltaik erschlossen werden. Dieser wird nämlich nur für Anlagen über drei Kilowatt Leistung gezahlt und ist deshalb insbesondere für größere Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlich oder gewerblich genutzten Gebäuden lukrativ. Mit einem weiteren neuen Tarif will die französische Regierung darüber hinaus den Bau großer Freilandanlagen fördern: Für Leistungen über 250 Kilowatt wird es künftig eine regionale Staffelung der Vergütung geben – im Norden werden dann fast 40 Cent gezahlt, im Süden sowie für kleinere Anlagen bleibt es wie bisher bei knapp 33 Cent. Jonas Doussal, der den Frankreich-Vertrieb des Freiburger Modulherstellers Solar-Fabrik leitet, ist überzeugt, dass auch viele deutsche Projektierer auf den französischen Markt drängen werden, denn in Nordfrankreich bekämen sie dann, bei vergleichbarer Sonneneinstrahlung, deutlich mehr pro Kilowattstunde als zuhause.

Die neuen Konditionen, die bis Ende 2012 garantiert werden, sind für deutsche Solarunternehmen allerdings kein genereller Anlass zum Aufbruch ins Nachbarland – die meisten sind ohnehin längst da (siehe photovoltaik 01/2009). Viele deutsche Modulhersteller und Systemanbieter wie Würth Solar, Solarwatt, Solar-Fabrik, Schott Solar, Schüco oder Aleo sind bereits seit Jahren mit eigenen Niederlassungen oder zumindest mit Vertriebspartnern in Frankreich aktiv. Meist werden auch spezielle Indachsysteme für den französischen Markt angeboten.

„Große Erwartungen in ausländische Märkte, darunter auch Frankreich“ setzt man auch bei Phoenix Solar, dem in Sulzemoos bei München beheimateten Projektierer von Solarkraftwerken und Anbieter von PV-Komplettanlagen und Solarmodulen. „Im Moment ist Deutschland zwar noch der wichtigste Markt, aber der wird einbrechen“, ist sich Pressesprecherin Andrea Wegner sicher. Im Jahr 2010 will man bereits die Hälfte des Umsatzes (im Jahr 2009 waren dies 520 Millionen Euro) im Ausland erzielen. Den französischen Markt sieht man bei Phoenix Solar als „einen der zukünftig wichtigsten europäischen Photovoltaikmärkte“ und handelt entsprechend: Im Okober eröffnete das Unternehmen eine eigene Niederlassung in Lyon, der Hauptstadt der Region Rhône-Alpes, die zu den Vorreitern im Bereich erneuerbare Energien zählt.

Großes Potenzial

Tatsächlich gibt es im französischen Photovoltaikmarkt noch reichlich Potenzial für die nächsten Jahre, denn erst ab 2013 ist mit einer Degression der aktuellen Tarife zu rechnen. Die installierte Photovoltaikleistung soll nach Berechnungen des europäischen Branchenverbandes EPIA in den nächsten Jahren schnell wachsen: Gingen im Jahr 2007 – dem Jahr eins nach Einführung des neuen französischen Einspeisegesetzes – nur elf Megawatt neu ans Netz, waren es 2008 bereits 46 Megawatt – installiert wurden noch deutlich mehr. Für 2009 rechnet man mit 250 bis 300 Megawatt, und bis 2013 soll sich die gesamte installierte Leistung im Vergleich zu heute mit 4.300 Gigawatt mehr als verzehnfacht haben. Damit könnte das im Rahmen des französischen Umweltprogramms Grenelle Environnement für das Jahr 2020 anvisierte Ziel von 5.400 Gigawatt noch deutlich übertroffen werden. Jonas Doussal von der Solar-Fabrik erwartet, dass Frankreich bei der jährlich installierten Leistung bereits 2011 oder 2012 mit Deutschland gleichziehen werde, ein Gigawatt sei bereits jetzt beantragt.

Ein großer Batzen für Phoenix Solar – nach eigener Angabe das erste Megawattprojekt des Unternehmens – war der Ende Oktober verkündete Auftrag von EON Climate & Renewables zur Planung und Errichtung eines Photovoltaikkraftwerks mit einer Leistung von 1,5 Megawatt im südfranzösischen Le Lauzet. Die erste Ausbaustufe des Kraftwerks mit einer Leistung von einem Megawatt war bereits im Juni in Betrieb gegangen, wobei 12.675 Dünnschichtmodule aus der Produktion des EON/Schüco-Joint-Ventures Malibu zum Einsatz kamen. Für den zweiten Bauabschnitt, der seit Mitte Oktober läuft, liefert Phoenix rund 6.700 kristalline Module des chinesischen Herstellers Trina Solar. Noch in diesem Jahr soll die Anlage ans Netz gehen.

Nach Angabe von EON kann Le Lauzet auf bis zu fünf Megawatt ausgebaut werden, sobald eine entsprechend leistungsfähige Netzanbindung hergestellt ist; weitere Anbieter könnten dann zum Zuge kommen. Um kurzfristig in den französischen Solarkraftwerksmarkt einzusteigen, hatte EON erst im Juli den französischen PV-Projektentwickler Conilhac übernommen. „Le Lauzet war das erste Projekt aus der von Conhilac übernommenen Pipeline“, sagt Christian Drepper, Pressesprecher von EON Climate & Renewables. Zahlen will er keine nennen, aber „die Perspektive in Frankreich ist gut, der Markt ist gut.“ So sieht das offenbar auch der französische Energiemonopolist Electricité de France (EDF): Dessen Tochter EDF Energies Nouvelles sorgte im Juli mit der Ankündigung für Aufsehen, gemeinsam mit dem US-amerikanischen Dünnschichtmodulhersteller First Solar eine Modulproduktion mit einer Kapazität von 100 Megawatt pro Jahr aufzubauen. Die Produktion der ersten zehn Jahre will EDF Energies Nouvelles komplett abnehmen. Gut möglich, dass sich bald auch weitere große Energieversorger am solaren Elefantenrennen in Frankreich beteiligen werden.

Hoher bürokratischer Aufwand

Trotz der grundsätzlich positiven Rahmenbedingungen und Entwicklungschancen hat der französische Photovoltaikmarkt allerdings auch seine Schattenseiten. Andrea Ocker von der Solar-Fabrik spricht von „aufwändigen und langwierigen Genehmigungsverfahren“, die für eine „gewisse Trägheit“ des Marktes sorgten. Auch Christian Kühn vom Freiburger PV-Installationsbetrieb Müller beklagt die „unglaubliche Bürokratie“ – im Vergleich zu Deutschland sei der Aufwand „dreimal so hoch“.

Für deutsche Solarfirmen ungewohnt sind vor allem die Verzögerungen beim Netzanschluss, den in Frankreich ausschließlich der zuständige Energieversorger – in der Regel der Monopolist EDF – vornehmen darf, so dass längere Wartezeiten entstehen. Dies lässt sich auch an den Zahlen für die installierte Leistung ablesen: Nach Angaben von EPIA waren von den im Jahr 2008 tatsächlich installierten 105 Megawatt zum Jahresende erst 46 Megawatt am Netz. Der französische Branchenverband SER-SOLER hat deshalb bereits ein vereinfachtes Prozedere vorgeschlagen für Anlagen bis 36 Kilowatt – das ist die Leistungsgrenze, oberhalb derer das Genehmigungsverfahren nochmals komplizierter wird. Dies soll einen Zeitgewinn von drei Monaten bringen und bis zum Jahresende umgesetzt werden. Eine substantielle Vereinfachung würde jedoch erst dann eintreten, wenn es den Installationsbetrieben – wie in Deutschland – erlaubt würde, den Anschluss selbst vorzunehmen.

Kostspielige Zertifzierung

Ein anderes Markthindernis für ausländische Anbieter, das im aktuellen „Praxisreport Solarmarkt Frankreich 2008/2009“ der Deutschen Energie-Agentur (dena) genannt wird, ist die kostspielige CSTB-Zertifizierung für Solarkomponenten, die von Auftraggebern und Installateuren aus Gründen der Gewährleistung verlangt wird. Ein vorhandenes EU-Zertifikat reicht hierfür nicht aus. Französische Versicherer verlangen das einheimische Zertifikat nämlich für den Abschluss der für Bauleistungen obligatorischen Gewährleistungsversicherung (siehe photovoltaik 05/2008).

Damit ist auch gleich ein weiteres Problem benannt: Trotz vielerlei Vorstöße auf verschiedenen politischen Ebenen haben ausländische PV-Installationsbetriebe bis heute keinen Zugang zu dieser Versicherung und können somit nicht legal in Frankreich arbeiten. Dass es viele trotzdem tun, steht auf einem anderen Blatt.Für Helmut Godard vom Freiburger PV-Installationsbetrieb Energossa war die leidige „Garantie“ der letzte Anlass, eine Firma auf der anderen Rheinseite zu gründen: „Wir haben alles probiert, sind aber nur auf der Stelle getreten.“

Auch Energossa-Wettbewerber Müller hat die begehrte Police erst via Mueller Strasbourg erhalten. Die Gründung einer französischen Gesellschaft empfiehlt auch Rechtsanwalt Marcus Lubnow vom deutsch-französischen Anwaltsbüro Epp, Gebauer & Kühl in Straßburg – und zwar nicht nur aus Versicherungsgründen: Ganz allgemein ließen sich Geschäftsvorgänge, von Baugenehmigungen über steuerliche Angelegenheiten bis zur Einholung von Forderungen, viel einfacher abwickeln. Von einem „Schreckgespenst Frankreich“ will Lubnow deshalb nicht sprechen.

Jonas Doussal, Regionalvertriebsleiter Frankreich bei der Solar-Fabrik, kann dem, was viele als französischen Protektionismus beklagen, sogar eine positive Seite abgewinnen: Dank der sehr spezifischen Regelungen sei ein „eigenständiger französischer Photovoltaikmarkt“ entstanden. Deshalb ist Doussal überzeugt, dass es in Frankreich, anders als etwa in Spanien, nicht nur ein Strohfeuer, sondern einen „längerfristigen Boom“ der Photovoltaik geben werde, von dem letztendlich auch deutsche Unternehmen profitierten. Auch Wolfram Seitz-Schüle von der Handwerkskammer Freiburg sieht Frankreich, trotz aller Schwierigkeiten, als Zukunftsmarkt: „Sicher ist, dass sich Hersteller und Händler dem französischen Markt sehr viel intensiver zuwenden werden, wenn der Auftragsberg von 2009 abgearbeitet ist und die befürchteten Marktrückgänge eintreten. Wenn dann Ersatzmärkte wie Italien auch straucheln, wird Frankreich eine Stütze des europäischen Photovoltaikmarktes sein, an dem alle teilhaben wollen.“

Geplante neue Einspeisevergütung

In einer Pressemitteilung vom September 2009 stellte der französische Umweltminister Jean-Louis Borloo einen Gesetzentwurf zur Neuregelung der französischen Einspeisetarife sowie der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Genehmigung von Photovoltaikanlagen vor. Der Vorschlag steht noch im Dezember zur Abstimmung an.

Ab 1. Januar 2010 sind folgende gesetzliche Einspeisetarife geplant:

• Für Aufdach- und Freilandanlagen werden 32,8 Cent/KWh Einspeisevergütung gezahlt.

• Für baulich voll integrierte (wasserdichte) Photovoltaikanlagen werden 60,2 Cent/KWh vergütet.

• Ein neuer Zwischentarif in Höhe von 45 Cent/KWh ist vorgesehen für „vereinfacht integrierte“ Anlagen auf Gebäuden, die landwirtschaftlich, industriell oder

gewerblich genutzt werden. Dieser Tarif gilt nur für Anlagen über 3 kW Leistung.

• Für Freilandanlagen mit mehr als 250 kWp Leistung wird es einen regional abgestuften Einspeisetarif zwischen 39,4 Cent/KWh in sonnenärmeren und 32,8 Cent/KWh in sonnenverwöhnten Regionen in Kontinentalfrankreich geben.

• Die neuen Einspeisetarife bleiben bis Ende 2012 unverändert in Kraft. Ab 2013 ist eine degressive Entwicklung wahrscheinlich.

• Für Korsika und die französischen Überseegebiete gelten zum Teil abweichende Tarife.

Auch eine Vereinfachung und Vereinheitlichung des Baugenehmigungsverfahrens ist geplant. Detaillierte technische Anforderungen an Module und Komponenten für gebäudeintegrierte und vereinfacht integrierte Anlagen soll eine Expertenkommission bis zum 1. Juni 2010 festlegen.

Indach-Systeme für den französischen Markt

Etliche deutsche Hersteller bieten Indach-Systeme und Module für den französischen Markt an. Einige Beispiele:
• Solarwatt: Easy-in
• Solarfabrik: SF Incell
• Schott Solar: ASI Opak, ASI Through
• Schüco: PV-Xlight
• Aleo Solar: Kit 3000

Reinhard Huschke

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