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Strom und Licht

4.296 Quadratmeter Photovoltaikhaut breiten sich wie ein dünner Stoff über 33 robuste Stahlträger aus. Durch sie hindurch sieht man die Wolken vorüberziehen. In unregelmäßigen Abständen, scheinbar zufällig eingestreut, gibt ein Klarglaselement den direkten Blick in den Himmel frei. Wenn die Schüler und Lehrer der Herwig-Blankertz-Schule zum nächsten Schuljahr ihre neuen Klassenräume beziehen, werden sie diese umgebaute Panzerhalle der ehemaligen Pommern-Kaserne im hessischen Wolfhagen durchqueren, deren Lichtstimmung von transparenten Modulen erzeugt wird.

Das Kassler Architektenbüro HHS hat die Stahlkonstruktion der Panzerhalle erhalten, die Dacheindeckung durch Solarmodule ersetzt und die Schulräume „daruntergestellt“. Die strukturierten Solarmodule lassen zehn Prozent des Sonnenlichts in die Halle sickern. Der Eindruck der Dachhaut ist verblüffend. Von unten wirkt sie fast filigran.

Feingliedrige Struktur

„Die Dünnschichtmodule bilden eine sehr feine Struktur. Diese Feingliedrigkeit wollten wir haben“, erklärt Projektleiter Markus Meinlschmidt. Außerdem sollte die Photovoltaikfläche nicht perfekt und gleichförmig wirken, sondern auch Brüche zeigen. In unregelmäßigen Abständen ersetzten die Planer deshalb ein Solarmodul durch ein Klarglaselement. Und erzielen damit den Effekt „kaputter Dachziegel auf einem Scheunendach“ – Lichtflecken und punktuelle Durchblicke.

Besonders Italien und Frankreich beleben den Markt transparenter Module mit einer höheren Vergütung für gebäudeintegrierte Photovoltaik. Nach einer Studie des EuPD haben sie an dem noch relativ kleinen französischen Markt sogar einen Anteil von 59 Prozent. Aber auch für Deutschland erwartet der EuPD nach einer aktuellen Umfrage unter Installateuren ein Wachstum in diesem Segment von heute drei auf sieben Prozent Anteil am Gesamtmarkt im Jahr 2012. Der Markt wird also nicht nur für Architekten interessanter, die immer leichtere Konstruktionen – oft mit Dünnschichtmodulen wie in der Wolfhagener Schule – entwerfen, sondern auch für Hersteller, die Produkte für neue Gestaltungsmöglichkeiten entwickeln.

Gut bekannt und weit verbreitet sind Glas-Glas-Module, bei denen kristalline Zellen mit frei gewähltem Abstand zueinander platziert werden. Durch mehr oder weniger große Zwischenräume fällt das Licht ins Gebäude. Auch die Kasseler HHS-Architekten nutzen diese Technik. Sie ist immer noch attraktiv, denn sie führt zu einem markanten Schattenwurf der handtellergroßen Zellen, den Architekten in den Innenräumen nutzen können – beispielsweise in der Fassade des Hauptgebäudes des Wechselrichterherstellers SMA. Dort strukturieren Isolierglaselemente mit monokristallinen Zellen in unterschiedlichen Formaten die Fassade. Das Ergebnis ist eine Glasfassade mit starken Hell-Dunkel-Kontrasten.

Eine andere Spielart von Transparenz bietet auch die Lochung von kristallinen Zellen, wie es Sunways anbietet. Die Firma erzeugt damit auf ihren monokristallinen Zellen ein Muster von 64 quadratischen, fünf mal fünf Millimeter großen Löchern. Sie führen zu einer Transparenz von zehn Prozent und vor allem zu einem gleichmäßigen Lichteinfall durch die gesamte Modulfäche. Der Wirkungsgrad liegt nach Firmenangaben trotzdem bei 13,7 Prozent.

Mit diesen Zellen hat Stararchitekt Frank O'Gehry sein Ganzglasgebäude für das Pharmaunternehmen Novartis in Basel realisiert. Der Glaskörper ist rundum mit Solarzellen überzogen, und durch die dichte Zellbelegung, die nur zehn Prozent des Sonnenlichts ins Gebäude hineinlässt, vor Überhitzung geschützt. Trotzdem strahlt das Licht über alle Fassadenflächen gleichmäßig in den Innenraum hinein, mit einer hervorragenden Lichtqualität. Hierfür orderte der kalifornische Architekt Solarzellen mit runden Ausschnitten – mit nur zwei Millimetern Durchmesser.

Es geht also nicht nur um die Funktion – Sonnenschutz, der gleichzeitig Strom erzeugt. Die transparenten Module haben gegenüber konventionellem Sonnenschutz den Vorteil der besonderen Lichtfarbe. Denn das durch strukturierte Solarmodule gefilterte Sonnenlicht behält seinen natürlichen Farbton. Wenn die Belegungsdichte gut auf die Einbausituation abgestimmt ist, erübrigt sich unter Umständen der Einsatz getönter Gläser in den Fassaden und Atriendächern.

Allerdings muss es nicht immer so sein, dass die Strukturen kleiner werden, um einen gleichmäßigen Lichteinfall zu erzeugen. „Wir machen mit Photovoltaik genau das Gegenteil von dem, was Menschen von einem Fenster erwarten“, sagt Christof Erban von Schüco. Schaue man durch eine Photovoltaikfassade von drinnen nach draußen, nehme man dunkle Flächen mit heller Rahmung wahr. Warum also den Effekt nicht nutzen und mit den Formen spielen? Erban arbeitet an neuen Mustern für Fassadenmodule auf Basis kristalliner Zellen – mit größeren Klarglasflächen und Streifen aus rechteckigen Zellen, die als schmalere, dunkle Rahmen fungieren, als eine Art Webmuster.

Einfacher geht das vermutlich bei Dünnschichtmodulen. Auf den großflächig beschichteten Glasscheiben kann in einem zweiten Arbeitsschritt nach der Abscheidung der photovoltaisch aktiven Halbleiterschichten ein Laser Transparenz herstellen. Dafür trägt er stellenweise die schwarze oder rötliche Photovoltaikbeschichtung wieder vom Rohmodul ab. Streifen, Rauten, Punktstrukturen, aber auch frei entworfene Muster können so auf der aktiven Fläche entstehen. Die Leistungsverluste entsprechen in etwa dem Anteil der entfernten Fläche. Ein Modul mit zehn Prozent Transparenz bringt also ein Zehntel weniger Leistung als ein vergleichbares opakes Modul.

Dünnschichtmodule bevorzugt

„Für das Projekt der umgenutzten Panzerhalle in Wolfhagen hatten wir die Wahl zwischen Modulen mit kristallinen Zellen und Dünnschichtmodulen“, sagt Markus Meinlschmidt von HHS. Gemeinsam mit dem Bauherrn haben sich die Architekten für Dünnschichtmodule aus amorphem Silizium mit 90 Prozent Belegungsdichte entschieden. Das bedeutet: Zehn Prozent des Sonnenlichts fallen in die Halle. Außerdem kann man hinausschauen und dabei die Umgebung schemenhaft wahrnehmen. Da die vorhandenen Dachflächen nicht optimal zur Sonne ausgerichtet sind, verspricht die Dünnschichttechnik hier, prozentual zur Nennleistung betrachtet, höhere Erträge. Denn Dünnschichtmodule wandeln auch diffuses Sonnenlicht gut in Strom um.

Mit Abmessungen von je 100 auf 60 Zentimeter liegen die Glaselemente auf einer Sekundärkonstruktion aus Holzsparren auf. Während Halteleisten die Längsseiten fixieren, sind die Glasstöße in Fließrichtung des Regenwassers lediglich mit Silikonband abgedeckt. Die Verkabelung der Module verläuft in Aluminiumprofilen parallel zur Regenrinne und zu den Wechselrichtern, die an den Stahlstützen befestigt sind. Insgesamt bringen die 7.160 Dünnschichtmodule aus amorphem Silizium, gefertigt von Schott Solar in Alzenau, 220 Kilowatt Spitzenleistung.

Bei Dünnschichtzellen lässt sich auch leicht ein Verlauf in der Transparenz von dunkel nach hell herstellen, wie das Beispiel einer Schulfassade mit CIS-Modulen von Würth Solar zeigt. 132 Module auf Basis von Kupfer, Indium und Selen wurden speziell für den Einsatz im Isolierglasverbund entworfen. Im unteren Bereich befinden sich 20 opake schwarze Module. Darüber wurden 108 transparente Module eingesetzt, deren Linienstruktur sich nach oben immer weiter verfeinert, so dass die Lichtdurchlässigkeit zunimmt. Sieben Kilowatt Spitzenleistung erreicht die 92 Quadratmeter große Fassade, was einer Leistungsdichte von 76 Watt pro Quadratmeter entspricht. Zum Vergleich: Die opaken, also lichtundurchlässigen CIS-Module kommen auf 111 Watt pro Quadratmeter. Wie viel Ertrag die Anlage bringt, hängt vom Transparenzgrad ab. Bis zu 50 Prozent bietet Würth Solar an. Das komme allerdings eher selten vor. Üblicher seien lichtdurchlässige Bereiche zwischen 10 und 30 Prozent der Modulfläche.

Der Produktmanager von Würth Solar Timo Bauer sieht das Thema Semitransparenz weiter im Kommen. Mehrere Projekte habe er im vergangenen Jahr in Zusammenarbeit mit Architekten realisieren können. Das läuft immer ähnlich ab. „Wir erheben Einmalkosten für die Layouterstellung“, erklärt Bauer. „Dann kann in Absprache ein individuelles Design hergestellt werden.“ Bei dem meistverkauften transparenten Modulen aus Schwäbisch Hall wechseln sich klare und opake Bereiche mit einer Breite von jeweils drei Zentimetern ab. Bauer selbst arbeitet derzeit an der Entwicklung einer filigraneren Streifenstruktur. „Ich stelle mir zwei bis drei Millimeter schmale Streifen vor, um dadurch ein homogenes Bild zu erzielen, ohne Zebraeffekt.”

Variable Muster

Bisher ist die freie Gestaltung transparenter Bereiche nur mit CIS-Modulen von Würth Solar möglich, obwohl die Lasertechnik jede der Dünnschichttechniken transparent machen kann. Schott Solar beispielsweise stellt seine Dünnschichtmodule ASI Thru mit zehn Prozent Transparenz nur in der festen Größe von 60 auf 100 Zentimeter her und variiert das Gitterraster für die Transparenz nicht. Für den Einsatz in großen Isolierglasscheiben setzen die Fensterbauer die Module nebeneinander ein, die Stöße bleiben dabei sichtbar. Ebenfalls nur knapp einen Quadratmeter groß sind die transparenten Module von der japanischen Kaneka mit Sitz in Wiesbaden.

Dagegen will Signet Solar aus dem sächsischen Mochau andere Wege gehen. Knapp sechs Quadtratmeter große Module baut Signet, mit Kantenlängen von bis zu 2,20 auf 2,60 Meter. In Kooperation mit dem Laserspezialisten Jenoptik aus Jena und einem Industriepartner aus dem Fensterbau bereitet Signet für 2010 den Markteintritt für transparente Module mit variablen Mustern vor. Auch der sächsische Dünnschichthersteller klopft vorher den Markt ab, um zu prüfen, ob die Kundenwünsche mit diesen Produkten bedient werden können. „Mit der Lasertechnik von Jenoptik sind individuelle Einstellungen für die Modulentschichtung einfach umzusetzen“, sagt Signet-Vertriebsleiter Matthias Gerhardt. „Doch bei aller Flexibilität muss das Preis-Leistungs-Verhältnis am Ende stimmen“, fügt Gerhardt hinzu. Sprich: Das Modul soll nicht nur schön aussehen, sondern auch noch Strom erzeugen. Deshalb hat Signet Solar eine Transparenz bis zu maximal 20 Prozent anvisiert. Architekten und Bauherren wird also in Zukunft eine noch breitere Palette an photovoltaischen Gläsern zur Verfügung stehen.

Anja Riedel

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