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Nicht alles sonnig in den Fabriken

Foxconn hat viel verändert. Im Jahr 2010 wurde der taiwanische Elektronikkonzern zum Synonym unmenschlicher Arbeitsbedingungen, nachdem mehr als ein Dutzend Mitarbeiter in einem chinesischen Werk Suizid begingen. Da Foxconn für namhafte Computerfirmen wie Apple, Hewlett-Packard und Dell fertigt, waren auch sie plötzlich von dem Imageschaden betroffen. Und so rückte damitmehr denn je die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen ins Blickfeld der Öffentlichkeit, heute oft als Corporate Social Responsibility (CSR) bezeichnet.

Aber was bedeutet das für die Photovoltaikbranche? Auch sie ist schließlich inzwischen stark in China verankert. Murphy & Spitz Research in Bonn hat sich dieses Thema nun vorgenommen –nicht nur in Bezug auf China, aber eben auch. Schließlich reiche es nicht aus, ein Produkt herzustellen, das nur während des Betriebs gut für die Umwelt ist: „Nachhaltige Unternehmen müssen über den gesamten Lebenszyklus nachhaltig arbeiten, sowohl bei der eigenen Produktion als auch insbesondere in ihrem Einflussbereich auf Lieferanten, Joint Ventures und andere Partner“,sagt Nicole Vormann, die Autorin der Studie.

Die Kriterien, die es anzusetzen gilt, sind dabei recht vielfältig. Es geht zum Beispiel um Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Einhaltung von Arbeitsnormen, um Umweltschutz im Betrieb und um die Korruptionsbekämpfung. Ein besonderes Thema ist der Energiebedarf: Die Herstellung von Reinstsilizium braucht viel Energie – womit auch deren Herkunft beachtet werden muss.

Die Analysten von Murphy & Spitz untersuchten nun sieben Unternehmen der Photovoltaikbranche. Die Auswahlkriterien: Es mussten „börsennotierte Pureplayer“ sein, wie es in der Studie heißt, also Unternehmen, die alleine im Solargeschäft zu Hause sind. Und es mussten Firmen sein, die zu den größten Herstellern der Welt zählen und in Amerika, Europa und Asien angesiedelt sind. Nach diesen Kriterien ergaben sich weltweit sieben Unternehmen, auch drei chinesische Unternehmen waren darunter.Am Ende waren die Analysten streckenweise ganz angetan von den Veränderungen. „Suntech hat sich im Vergleich zum Vorjahr enorm gesteigert und neue Maßstäbe gesetzt. Bezüglich der Transparenz wurde eine 180-Grad-Wendung vollzogen“, sagt Vormann. Und so stehen inzwischen mit Suntech und Yingli beim Thema CSR gleich zwei chinesische Unternehmen auf dem Siegertreppchen, zusammen mit der deutschen Firma Solarworld. Die drei Unternehmen liegen in der Gesamtwertung gleichauf, es folgen First Solar, Hanwha Solar One, Trina Solar und als Schlusslicht Sunpower.

China: Land der Extreme

Allerdings ist China auch in diesem Punkt ein Land der Extreme. Die Photovoltaikindustrie sei für China auch eine Vorzeige-Industrie, und das habe zur Folge, dass man darauf achte, die namhaften Fabriken unter sozialen Aspekten voranzubringen. Zugleich gebe es aber auch gerade unter den kleinerenBetrieben noch genug Standorte mit schlechten Arbeitsbedingungen und teilweise katastrophalen Umweltauswirkungen. Diese zu untersuchen war allerdings nicht Inhalt der Studie, weshalb sie dazu auch keine Namen nennt.

Die schlechten Arbeitsbedingungen und Umweltauswirkungen trifft man allerdings nicht nur in chinesischen Unternehmen und ihren Fabriken. Die US-Firma Sunpower zum Beispiel bekommt von den Analysten deutliche Worte zu hören: Das Unternehmen habe für seinen Produktionsstandort noch immer keine Zertifizierung nach der Umweltmanagementnorm ISO 14001, ebenso nicht für Arbeitssicherheit oder Sozialstandards. Damit sei „nicht einmal ein Minimum an Sicherheit für den Investor gegeben, dass die Produktion von Sunpower auf den Philippinen human und umweltfreundlich läuft“. Ferner attestieren die Analysten dem Unternehmen: „Null Transparenz, schlechter Kommunikationsstil, keine Informationen zu Umweltschutz, Arbeitssicherheit und Sozialaspekten.“ Eine diesbezügliche Stellungnahme von Sunpower lag bis zum Redaktionsschluss leider nicht vor.

Transparenz wichtig

Die Studie kritisiert auch die Transparenz bei Trina Solar. Man erfahre weder in Publikationen noch auf der Website etwas über Leistungen im Umwelt- und Arbeitsschutz und auch nicht über die Arbeitsbedingungen. Hanwha Solar One, früher als Solarfun bekannt, habe hingegen für beide Standorte die Zertifizierungen für Arbeitssicherheit und Umweltschutz und auch die Arbeitsbedingungen und sozialen Aspekte seien bei dem Vor-Ort-Besuch insgesamt sehr gut gewesen. Leider gebe es jedoch „keine Transparenz bezüglich von Leistungsindikatoren und konkreten Maßnahmen, die eine tiefere Bewertung zulassen würden.“ Solche Leistungsindikatoren sind zum Beispiel Kennzahlen aus der Produktion: Abfall pro erzeugtem Modul, Wasser- oder Energieverbrauch pro Modul. Bei solchen Kennziffern gebe sich die Solarbranche zum Teil sehr zugeknöpft, sagt Vormann. Das hänge damit zusammen, dass die Branche – anders alsetwa Chemieunternehmen – in der Öffentlichkeit mit viel Wohlwollen betrachtet werde und daher bislang weniger unter Rechtfertigungszwang stehe.

Solarworld unterdessen, so bilanziert Murphy & Spitz, sei „hinsichtlich Umweltschutz und Arbeitssicherheit gut aufgestellt“. Die Firma sei die einzige der untersuchten Firmen, die einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentliche. Alle Standorte und auch das Joint Venture seien mittlerweile zertifiziert nach der Umweltmanagementnorm ISO 14001. Für das Joint Venture brauche es aus Sicht von Murphy & Spitz Research allerdings noch mehr Informationen zu den Arbeits- und Sozialbedingungen. First Solar als weiterer Konzern mit Fertigung in Deutschland sei „erstklassig in den Bereichen Umweltschutz und Arbeitsschutz aufgestellt“. Allerdings könne man sich von dem Unternehmen im Bereich Social Responsibility kein klares Bild machen. Hierzu gebe es zu wenig konkrete Informationen, speziell auch zum Standort Kulim in Malaysia.

Viel Raum gibt die Studie auch dem Thema Cadmiumtellurid (CdTe). First Solar ist weltgrößter Produzent der betreffenden Module. „Nicht abschließend geklärt“ seien die Auswirkungen von CdTe „hinsichtlich des Brandverhaltens“, bilanziert Autorin Vormann. Aufgrund des Recyclings, wie es von First Solar betrieben wird – mit Erfassung jedes einzelnen Standortes und Rücknahmepflicht –, könne man die Module jedoch „unter Umweltgesichtspunkten empfehlen“.

Gut aufgestellt

Die Studie bilanziert am Ende, fünf der sieben untersuchten Photovoltaikunternehmen hätten gezeigt, „dass engagierte und fachkundige Menschen – ob in China, Deutschland oder den USA – auf mittlerem bis sehr hohem Niveau nachhaltig arbeiten“. Unter Nachhaltigkeitsansprüchen sei die Industrie somit „ein sehr gutes Investment“. Wenn auch nicht ohne Ausnahmen.

Eine Schwierigkeit: Die angewandten Standards sind sehr unterschiedlich und decken jeweils nur einen der drei relevanten Bereiche ab, nämlich Umweltschutz, Arbeitssicherheit und Soziales. Der schärfste und zugleich erste weltweit zertifizierbare Standard im Sozialbereich ist die SA8000. Die Norm wurde 1997 von der amerikanischen Nichtregierungsorganisation Social Accountability International (SAI) ins Leben gerufen.

Es gibt daneben die Global Reporting Initiative (GRI), die anhand von 120 Indikatoren ein Rating für die Unternehmen abgibt. Ferner steht die Business Social Compliance Initiative (BSCI) zur Auswahl, die allerdings keine unabhängige Kontrolle vornimmt; sie untersteht der Foreign Trade Association (FTA), das ist der europäische Verband des Handels. Weiterhin gibt es den Global Compact, der sich auf die freiwillige Selbstverpflichtung der Teilnehmer stützt, so wie die ISO 26000, die allerdings nur ein Leitfaden ist und keine zertifizierbare Managementsystem-Norm.

Ferner gibt es als angesehenes Label die Umweltmanagementnorm ISO 14001. Und bei der Arbeitssicherheit gilt die OHSAS 18001 als die wichtigste Auszeichnung. Wer sein Unternehmen in allen Bereichen verantwortlich führt und dies auch nach außen darstellen will, muss sich also dreifach zertifizieren lassen. Aus Sicht der Kunden und auch der Investoren wäre ein einheitliches Label, das alle drei Themen gleichermaßen abdeckt, natürlich einfacher, räumt auch Analystin Nicole Vormann ein. Wenn man bedenke, welche firmeninternen Umstrukturierungen oft für ein einzelnes Label nötig seien, dann sei ein Gesamtzertifikat jedoch zum jetzigen Zeitpunkt kaum praktikabel.Doch wen interessieren die Sozialstandard-Zertifikate nun? Dazu gibt es unterschiedliche Sichtweisen: „Es gibt Kunden, die darauf achten“, sagt Vormann. Auch für Investoren seien die Abläufe in den Unternehmen oft wichtig, zumal manche Fonds explizit Kriterien für ihre Investitionen festschreiben. Die Organisation „Brot für die Welt“ zum Beispiel hat für einen Investmentfonds mit dem Schwerpunkt Entwicklung die Auswahlkriterien erarbeitet und stützt sich dabei auch auf Zertifikate wie die ISO 14001.

Endkunden gefragt

Bei den Endkunden hingegen ist das Thema noch kaum relevant. „Man schaut auf das Preis-Leistungs-Verhältnis und auf solche Dinge wie die Garantie“, heißt es etwa beim Solarmarkt in Freiburg, einem Großhändler. Entsprechend habe das Thema auch für Großhändler eine „sehr untergeordnete Bedeutung“. Natürlich freue man sich, wenn man Produkte einer Firma verkaufe, die – wie etwa der Wechselrichterhersteller SMA – auch als guter Arbeitgeber gilt. Aber oft, sagt eine Solarmarkt-Sprecherin, sei das gar nicht möglich, dies zum entscheidenden Kriterium zu machen: „Manchmal zählt zum Beispiel ganz einfach die Frage der Verfügbarkeit von Modulen.“ So ist auch Philipp Rühle, Analyst bei Oekom Research in München, skeptisch: „Bei der Photovoltaik achten die Kundenoft weniger auf die Herstellungsbedingungen als bei anderen Produkten, weil sie sagen, die Technik sei ja an sich gut.“ Auch kritisiert Rühle, dass die Umweltorganisationen sich zu den Standards der Solarfabriken kaum zu Wort meldeten: „Die Cleantech-Hersteller haben immer einen Bonus.“ Da passt es ins Bild, dass eine Stellungnahme vom Bundesverband Solarwirtschaft zu diesem Thema auch nach Tagen noch ausstand.

Aufgeschlossen sind freilich jene Firmen, die ein gutes Sozialstandard-Rating erzielen. „Vor allem unsere Endkunden sind sehr interessiert an diesem Thema, da dies auch Ausdruck unserer Qualitätsversprechen ist“, sagt Anne Schneider, Sprecherin von Solarworld. Und mit dem Interesse der Endkunden entwickle sich auch das Interesse der Händler und Handwerker daran. Auch Investoren interessierten sich „in sehr hohem Maße“ für die Einhaltung der CSR-Kriterien, da diese „direkt in diverse Ratings einfließen und entsprechende Einstufungen der Solarworld-Aktie zur Folge haben“.

First Solar weist unterdessen darauf hin, dass der „Solarsektor ein relativ junger Industriezweig“ sei. Und so gesteht die Firma ein, dass andere Branchen weiter seien: „Beim CSR-Prozess kann die Solarindustrie von anderen Sektoren lernen, die bereits seit Jahren entsprechende Systeme und Schemata entwickelt haben.“

Bernward Janzing

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