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Lohnende Sekundenklauberei

Der Kostendruck nimmt in allen Bereichen der Wertschöpfung zu. Wie viel Effizienzsteigerung ist in der Fertigung der Wechselrichter noch möglich?

Aus unserer Sicht ist noch viel Luft, zumindest was die Endmontage anbelangt. Schätzungsweise kann sie in vielen Firmen 30 bis 50 Prozent effizienter werden.

Wie kommen Sie zu dem Schluss?

Wir haben uns eine Endmontagelinie bei einem Wechselrichterhersteller angeschaut mit Hilfe von Videoaufnahmen und einer Software, mit der wir die Filme dann analysieren. Wir nehmen den Prozess auf und errechnen, wie wir die Arbeitsweise verbessern können. Da hat sich gezeigt, dass wir wesentliche Verbesserungen herbeiführen können.

Was passiert an dieser Montagelinie, die Sie betrachten?

An der Endmontagelinie werden die fertigen Platinen und Bauteile wie Kühlkörper und Gehäuse zusammengesetzt. Sie hat im Wesentlichen drei Arbeitsstationen, eine Vormontage, einen Prüfplatz und eine Endmontage, mit jeweils einer Arbeitskraft. Die Bauteile kommen an und werden auf einem Montagetisch auf einen Werkstückträger gelegt. Dann werden andere Bauteile zugeführt und verschraubt.

Wie können Sie die Geschwindigkeit beeinflussen?

Diese Art der Montage wird teilweise mit normalen Akku-Schraubern gemacht. Da können wir aber auch Schraubsysteme verwenden, die unter anderem gleich eine Drehmomentüberprüfung mit dabeihaben. Wenn man zum Beispiel einen Druckluftschrauber über den Arbeitsplatz hängt, braucht man ihn nur noch zu nehmen und an die Schraube zu halten. Das ist vielergonomischer für den Mitarbeiter, und es geht schneller. Außerdem verbessern wir die Arbeitsweise, zum Beispiel indem wir die Greifwege verkürzen. Wenn ein Mitarbeiter eine Schraube holen muss, platzieren wir sie näher an der Stelle, wo sie am Ende hin muss. Wir achten darauf, dass die Materialien nicht mehr zwei Meter von seinem Platz entfernt, sondern direkt neben ihm stehen, dann muss er keine unnötigen Schritte mehr machen.

Das hört sich einleuchtend und sehr einfach an. Warum merken die Beschäftigten nicht selber, wie sie ihre Arbeit am besten organisieren, sondern benötigen den Rat von außen?

Man kann das im Prinzip mit dem Arbeiter erarbeiten. Er selber hat vielleicht auch schon mal das eine oder andere gesagt, ist dann aber vielleicht nicht so gehört worden. Oder aber, was oft vorkommt, 60 bis 70 Prozent der Betroffenen machen sich darüber keinen Kopf und nehmen die Situation hin, wie sie ist. Auch die Unternehmen kommen meist nicht selber darauf, weil sie im Tagesgeschäft einfach gar nicht daran denken. Und oft zweifeln sie, was es ihnen am Ende bringt. Wir können es mit dem Video und den Analysen genau vorrechnen. Wir können sagen: Ein Schritt dauert 0,7 Sekunden. Jede Person, die hier arbeitet, vermeidet pro Wechselrichtermontage zum Beispiel drei Schritte, das sind 2,1 Sekunden. Sie montiert im Jahr 50.000 Wechselrichter. 50.000 mal 2,1 Sekunden macht im Jahr 29 Stunden Zeitersparnis. Durch eine einfache Maßnahme gewinnen Sie eine dreiviertel Arbeitswoche.

Welche Rolle spielt die Videoanalyse?

Damit fallen Dinge auf, die Ihnen sonst nicht auffallen. Wenn Sie irgendwo hingehen, egal wo, einfach in eine Produktion, und sich einen Prozess anschauen, dann erkennen Sie irgendwo vielleicht was Grobes und sagen: Das könnte anders sein. Wenn Sie das aber als Film haben, dann können Sie sich Details ansehen, die Produktion Bild für Bild anschauen, auch in Zeitlupe. Mit einer Software rechnen wir dann die nötigen Zeiten dieser Prozesse und möglicher Alternativen aus.

Wie kommen Sie am Ende auf 30 bis 50 Prozent Zeitersparnis, also mindestens zwölf Wochen?

Ein anderes Beispiel: Sie nehmen den Akku-Schrauber und wechseln immer die Einsätze, damit man einmal eine Schraube mit einem Sechskant verschrauben kann, ein anderes Mal eine mit dem Kreuzschlitz. Das dauert jedes Mal sechs Sekunden. Wenn Sie jetzt den Mitarbeitern einen zweiten Schrauber geben, dann dauert der Wechsel von einem Schrauber zum anderen nur zwei Sekunden. Das heißt, der Arbeiter gewinnt vier Sekunden. Das Ganze muss er wieder 50.000 Mal im Jahr machen. Da das drei Arbeitsplätze sind, muss man das mal drei nehmen. Und die müssen das vielleicht nicht bloß einmal pro Gerät machen, sondern vielleicht fünfmal. Dann haben Sie Dimensionen, bei denen man dann sagt: Das sind vier Sekunden Differenz mal 50.000 mal drei Arbeitsstationen, mal vielleicht fünfmal pro Gerät. Das sind 2,4 Millionen Sekunden oder 16 Wochen für alle drei Mitarbeiter zusammen, die wir gewinnen.

Wie können Sie die Taktung verbessern?

Also, wir nehmen wieder unseren Film. Und dann sehen wir, dass zum Beispiel der Mitarbeiter in der Vormontage 18 Minuten für ein Gerät braucht. In der Prüfstation braucht der Mitarbeiter, um alles zu machen, etwa zwölf Minuten. Und der Mitarbeiter am Endarbeitsplatz braucht 13 Minuten. Jetzt hat der Takt die 18 Minuten von der Vormontage, die anderen beiden Arbeiter drehen sechs Minuten Däumchen. Der eine ist belastet, die anderen sind eher unterbelastet. Wir haben die Arbeiten in sehr kleine Sequenzen eingeteilt und schauen jetzt, welche dieser Begrenzungen können wir denn an welchen Arbeitsplatz legen, damit alle zum Beispiel eine Taktung von 15 Minuten haben? Das heißt, der Mensch am Prüfplatz muss vielleicht noch die letzte Schraube andrehen, die vorher der Mitarbeiter in der Vormontage eingedreht hat. Und wenn wir das hinbekommen, dann erhöhen wir die Ausbringung um 17 Prozent. Zusammen mit den anderen Maßnahmen kommen wir dann auf 50 Prozent Effizienzgewinn.

Sie konkurrieren mit der Automatisierung. Ist es nicht besser, gleich alles automatisch montieren zu lassen?

Ich halte eine Teil-Automatisierung für sinnvoller. Denn sobald Produktvarianten kommen und Ergänzungen, wird es sonst kompliziert. Der Photovoltaikmarkt ist ja erst im Aufbau, so dass sich die Anforderungen schnell ändern. Wenn man jetzt schon in eine hochtechnische, automatisierte Anlage investiert, dann hat man einfach ein Problem mit den neuen Entwicklungen.

Lohnt sich die Beratung, die Sie anbieten?

Im Allgemeinen kommt bei einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung heraus – und das ist nicht nur auf die Photovoltaikbranche bezogen –, dass die Amortisationszeit zwischen drei und sechs Monaten liegt. Auch die hohen Effizienzgewinne, die möglich sind, sind nicht branchenspezifisch. Selbst die Automobilhersteller, bei denen wir auch tätig sind, haben die beschriebenen Probleme noch nicht gelöst. Wir finden auch dort Optimierungsmöglichkeiten von bis zu 30 Prozent.

Erhöht sich durch Ihre Optimierung der Stress für die Arbeiter?

Die verlieren nicht, sondern gewinnen mehrfach. Sie müssen nicht schneller arbeiten, weil die Zeiten so berechnet sind, dass sie diese Tätigkeit acht Stunden ohne Probleme durchführen können. Das ist das eine. Das andere ist, dass die Ergonomie verbessert wird. Außerdem nehmen wir Stress raus. Der, der bisher am längsten für seinen Arbeitsschritt brauchte, hatte Stress. Wenn wir die Taktung richtig berechnen, hat er diesen Stress nicht mehr und wird nicht mehr von den anderen getrieben.

Das Gespräch führte Michael Fuhs.

Zitat

„Mit der Videoanalyse fallen Dinge auf, die sonst nicht auffallen.“

Michael Fuhs

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