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Ferngespräche für jeden

Als die Bell Laboratories die Silizium-Solarzelle vorstellten, sagte Gorden Raisbeck, Direktor des Transistor-Programms: „Einsatzmöglichkeiten sehen wir bei der Kommunikation. Telefon, Radio und Fernsehen brauchen wenig Strom und werden oft an abgelegenen Orten benötigt, wo keine Anbindung ans Stromnetz gegeben ist.“ Der erste kommerzielle Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, schon bald wurden Solarzellen bei der Kommunikation zwischen Satelliten und der Erde eingesetzt. Was könnte weiter als der Weltraum entfernt sein?

Das Signal Corps der US-Army, Wegbereiter der Nutzung von Solarenergie im Weltraum, brachte die Photovoltaik im Juni 1960 auf die Erde. Bei der Funküber tragung von Küste zu Küste wurde ertmals ausschließlich auf Sonnenenergie zurückgegriffen. Die Kommunikation fand zwischen einer Station in Ft. Monmouth (New Jersey) und einer in El Monte (Kalifornien) statt – beide mit Solarstrom betrieben. In El Monte befand sich der Sitz der Firma Hoffman Electronics, die für die Entwicklung der Solarmodule der Vanguard-Satelliten und vieler Nachfolgesatelliten verantwortlich war. Colonel Leon Rouge, der Forschungsdirektor des Corps, präsentierte das Solar-Funkprojekt zum 100-jährigen Jubiläum der Organisation. Die New York Times berichtete über den Colonel, dass er den Testfunkbetrieb als Vorläufer für die praktische Umsetzung von Funk- und Telefonverkehr an abgelegenen Orten Asiens und Afrikas sah, wo die Sonne stets scheint und die Versorgung ans Stromversorgungsnetz wirtschaftlich nicht gegeben ist.

Stromfressende Repeater

Es gab bereits Richtfunknetzwerke zur Übertragung von Funk- und Telefonsignalen über weite Strecken. Hierbei kamen schalenförmige Repeater zum Einsatz, die die Signale empfingen und verstärkten. Derartige Netzwerke bestehen in der Regel aus einer Reihe von Parabolantennen-Repeatern, die auf hohen Sendetürmen angebracht wie Relais funktionieren. Der Abstand zwischen den Stationen beträgt etwa 30 Meilen (48 Kilometer).

Jede Station ist mit zwei Schüsseln ausgestattet, zwischen denen eine Kabelverbindung besteht. Eine Schüssel dient als Empfänger, die andere als Sender für Funk-, Telefon- und TV-Signale, die gebündelt in Mikrowellen per Richtfunk zur nächsten Station übertragen werden. Bei der kabelgebundenen Übertragung von einer Schüssel zur nächsten muss das Mikrowellensignal auf eine andere Frequenz verschoben werden, damit sich das eingehende und das ausgehende Signal nicht stören. Die Frequenzmodulation benötigte eine Vielzahl komplexer und temperaturempfindlicher elektronischer Schaltungen, die intensiver Feinabstimmung bedurften. Der Betrieb erforderte ein relativ großes Stromaggregat, große Batterien beziehungsweise einen Generator. Zudem waren Klimaanlage und Heizung nötig, um für die in einem Häuschen untergebrachte Elektronik die angemessene Betriebstemperatur zu gewährleisten.

John Oades, Ingenieur für Mikrowellen-Systeme bei GTE Lenkurt (damals eine Zweigniederlassung des ehemaligen Telekommunikations-Giganten GTE), war sich der Unzulänglichkeiten der Schüssel-Repeater wohl bewusst. In den 1960er Jahren hatte er an etlichen gearbeitet. „Viele waren auf Berggipfeln in den abgelegensten Gebieten installiert. Die Apparaturen waren so komplex, dass jederzeit Probleme auftreten konnten. So wurden Verbindungen zu den Stationen wie etwa Seilbahnen oder Straßen benö tigt“, erinnerte sich Oades. „Der Bau von Straßen konnte sehr kostspielig sein und die Schneebeseitigung im Winter ebenso. Dazu kam die benötigte Stromversorgung. Unzugängliche Richtfunkstationen, bei denen eine Anbindung ans Stromversorgungsnetz nicht möglich war, mussten per Hubschrauber mit Kraftstoff beziehungsweise Ersatzbatterien versorgt werden.“

Meditation im Sessellift

Bei einem Skiurlaub in den frühen 1970er Jahren sann Oades über eine Lösung dieses scheinbar unlösbaren Problems nach. Die Fahrt im Sessellift stimmte ihn stets nachdenklich. So dachte er über die Folge der alten Fernsehserie „Dragnet“ nach, in der sich ein paar Kinder in einem Kühlschrank eingeschlossen hatten. Er überlegte sich, wofür ausgediente Kühlschränke noch eingesetzt werden könnten, und kam zu dem Ergebnis, dass sie aufgrund ihrer Isolierung gegen Feuchtigkeit und Strahlung hervorragend als Behältnisse für Mikrowellen-Repeater dienen würden. Diese Erkenntnis ließ ihn über die benötigte Elektronik nachdenken, woraufhin er begann, sich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Plötzlich kam er zu einem verblüffenden Schluss: Vielleicht war diese komplexe Vorrichtung überhaupt nicht notwendig.

Die Meditation im Sessellift mündete in eine Revolution in der Mikrowellentechnik. Oades entwarf und paten tierte einen Repeater, der ein Signal lediglich empfängt, verstärkt und weitersendet, ohne das lästige Ändern beziehungsweise Modulieren der Frequenzen. Er fand heraus, dass die Interferenz zwischen Eingangs- und Ausgangssignal durch den Einsatz von Filtern und eines Metallschutzes auf der Schüssel entfällt. Dadurch konnte auf viel Elektronik verzichtet werden. Bill Hampton, Oades‘ damaliger Vorgesetzter, beschrieb den Unterschied zwischen Oades‘ Erfindung und der alten Technik wie den Wechsel von einem kompletten Ausrüstungsregal zu einer Lösung, die in eine Tasche passt. Oder mit den Worten des Erfinders: „Diese Lösung ist am minimalistischsten. Ich habe die Technik so weit wie möglich vereinfacht.“ Für die verbleibende Ausstattung bediente sich Oades der Transistortechnik, die für die Satellitenkommunikation zur Erde entwickelt worden war. Die Ausrüstung zum Betrieb seines Repeaters passt in Gehäuse so groß wie ein Sicherungskasten. Der Einsatz ist bei allen Temperaturen auf der Erde möglich – bei geringem Energie- und Wartungsbedarf.

Oades machte sich auf die Suche nach einer verlässlichen und kompakten Energiequelle, die im Einklang war mit dem niedrigen Energiebedarf von nur wenigen Watt und der jahrelangen Betriebsdauer, die das Gerät ohne Wartung aus kam. Somit fiel die Wahl gleich zu Beginn auf Solarzellen. „Ohne Solarenergie“, versicherte Oades, „wäre ich wahrscheinlich nie auf den Bau solch eines Repeaters gekommen.“

Hampton war für Oades‘ Ideen zur Revolutionierung der Mikrowellentechnologie sehr empfänglich und schlug vor, zunächst den Einsatz zu testen und dann zu versuchen, die Führungsriege bei GTE zu einer Finanzierung zu bewegen. Wie versprochen stellte Hampton 1974 Mittel aus seinem Entwicklungsetat für Entwicklung und Test eines Prototyps zur Verfügung. In ihrer Freizeit richteten die beiden nach Oades‘ Repeater-Entwurf ein Mini-Mikrowellen-Telefonnetzwerk ein. Glückliche Umstände vereinfachten das Vorhaben. Hamptons Haus lag auf einem Berg mit Blick auf das Betriebsgelände, wo seine Mitarbeiter beschäftigt waren. Den Prototyp des Repeaters installierten die beiden Männer an einem Mikrowellenturm an der Spitze des Firmendaches und übermittelten dann Telefonanrufe zu und von Hamptons Haus sowie zu und von seinem Hangar am nahegelegenen Flughafen.

Als das System lief, stellte Hampton es seinem Vorgesetzten und dem Produktionsleiter bei GTE vor. Sie wurden Zeuge, wie der Repeater dasselbe leistete wie ein herkömmlicher Repeater, jedoch nur so viel Strom wie ein Nachtlicht benötigte.

Interessanterweise waren keine Generatoren oder Stromleitungen zu erkennen. Auf die Frage nach der Stromversorgung deutete Hampton auf zwei Module der Solar Power Corporation, die über den Schüsseln angebracht waren. Der niedrige Energiebedarf des Repeaters – ein Hundertstel des Bedarfs der alten Technologie – war „ein großer Vorteil“, erklärte Hampton. „Der Repeater kann ausschließlich mit Solarenergie betrieben werden und ist somit autonom an Orten einsetzbar, wo herkömmliche Repeater entweder nicht einsetzbar sind oder unverhältnismäßig kostspielig wären.“

Bei GTE war man von der Präsentation mehr als angetan. „Sie waren überwältigt“, erinnerte sich Hampton. Es dauerte nicht lange, bis GTE den „solarbetriebenen, autonomen, supersparsamen Repeater“ der Telekommunikationsbranche in ganzseitigen Anzeigen vorstellte und ihn als „bedeutendsten Durchbruch bei der Mikrowellenübertragung in den letzten 30 Jahren“ pries. Die Behauptung rief in der gesamten Branche Stirnrunzeln hervor. GTE schrieb Oades‘ Erfindung sogar dieselbe Bedeutung wie der Erfindung des Radars zu. Als Folge des neuen Repeaters verkündete GTE kühn: „Die Tage, als Nachrichtentechniker sich Gedanken über hohe Türme, Energiebedarf, Klimatisierung, Zugangswege und all die Schwierigkeiten beim Bau und der Wartung von Repeatern Gedanken machen mussten, neigen sich dem Ende zu. Die ersten Einheiten sind versandbereit.“

Premiere in Utah

Die Navajo Communications Corporation kaufte die erste Einheit. Das Unternehmen wollte die Menschen in Mexican Hat (Utah) per Telefon mit dem Rest der Welt verbinden. Das zerklüftete und unzugängliche Gelände mit tiefen Canyons und steilen Hängen, von dem die Stadt umgeben ist, stand der Anbindung ans Ferngesprächsnetz im Wege, während der Service für die meisten Nordamerikaner in den 1970er Jahren bereits selbstverständlich war. „Es war einer dieser unmöglichen Fälle, wo kilometerlange Kabel in den Bergen auf und ab hätten verlegt werden müssen, um wenige Menschen in einem Tal zu erreichen“, so ein leitender GTE-Mitarbeiter. „Die Investition in solch ein Projekt hätte sich wohl niemals ausgezahlt. Mobiltelefone hätten auch nicht eingesetzt werden können, da die hohen Wände der nahegele genen Canyons die meisten Signale blockiert hätten.“

So wurde Oades‘ Repeater auf Hunts Mesa über dem malerischen Monument Valley installiert. Vom Aufstellungsort aus hatte der Repeater eine direkte Sichtverbindung zur Relaisstation in Mayenta (Arizona), die ans nationale Telefonnetz angeschlossen war. Die Kosten für den Repeater samt Installation beliefen sich für Navajo Communications auf einen Bruchteil der sonstigen Kosten. „Nach weniger als zwei Tagen war der Mast errichtet, die Technik installiert und der Betrieb aufgenommen“, berichtete J. Shepherd, Geschäftsführer von Navajo Communications. Im Herbst 1976 wurde Hunts Mesa zum Standort der ersten solarbetriebenen Relaisstation in Nordamerika und gehörte auch weltweit zu den ersten.

Der Repeater enttäuschte die Menschen in Mexican Hat nicht. Wie versprochen war der Wartungsaufwand minimal. Das ersparte dem Wartungspersonal die beschwerliche Anreise von 17 Meilen (28 Kilometer) zum Aufstellungsort, für die man bei idealen Bedingungen mit Vierradantrieb fast drei Stunden benötigte, so Shepherd. Zum Glück hatten sich Oades und Hampton bereits an ihrem Hauptsitz über alle möglichen Komplikationen Gedanken gemacht. In der Testphase hatten sie lernen müssen, dass Batterien vom Solarmodul überladen werden können. „Schließlich mussten wir Regulatoren entwickeln, um eine Überladung zu vermeiden“, berichtete Hampton. Der Solarbetrieb auf Hunts Mesa wurde nur durch einen Vorfall getrübt: Eine Schweißstelle hatte sich gelöst. Die Reparatur dauerte gerade mal zehn Minuten. „Ansonsten“, so Hampton, „laufen die anfänglichen Solarmodule immer noch einwandfrei!“

Wirtschaftlicher Durchbruch

Für Oades war Hunts Mesa der ideale Aufstellungsort für den Repeater. „Es ist wirklich isoliert und eine sonnige Gegend“, erklärte er. Nach Einschätzung von Navajo-Geschäftsführer Shepherd bedeutete die Installation auf Hunts Mesa einen großen Durchbruch bei der Wirtschaftlichkeit von Anbindungen kleiner Ballungszentren mit Richtfunk. Der Erfolg stärkte zudem das Vertrauen in die Photovoltaik als Energiequelle für Repeater und andere autonome Anwendungen. „Das Problem“, so Oades, „waren Beden ken bezüglich der langfristigen Zuverlässigkeit. Repeater müssen äußerst zuverlässig sein. Sie werden an abgelegenen Orten betrieben, wo sie Eis und Schnee ausgesetzt sind. Das sind harte Bedingungen. Am Anfang war nicht bekannt, wie robust Solarzellen hier sein würden. Als der Betrieb auf Hunts Mesa dann ein Jahr lang erfolgreich gelaufen war, wusste man mehr.“

„Es dauerte nicht lange, bis über den Repeater und dessen Stromquelle gesprochen wurde“, so Oades. „Es gibt im Westen viele isolierte kleine Ortschaften und Dörfer, die von Bergen umschlossen sind. Die Einrichtung eines herkömmlichen Mikrowellensystems oder die Verlegung von Telefonkabeln wäre dort schlichtweg zu teuer.“ Dank des solarbetriebenen Repeaters ist nun die Anbindung ans Telefonnetz wie in Großstädten möglich. Eine andere Stadt, die von Oades‘ Erfindung profitierte, war Cuprum (Idaho). Der Erfinder konnte direkt miterleben, welche positiven Auswirkungen sein Repeater in der kleinen Bergenklave hatte. „Als ich mit dem Geschäftsführer der örtlichen Telefongesellschaft im Auto unterwegs war, kamen die Leute auf die Straße, hielten ihn an und dankten ihm dafür, dass sie jetzt Ferngespräche führen können“, erinnerte sich Oades. Bevor der Solar-Repeater in Betrieb genommen wurde, mussten die Bewohner des 100-Seelen-Dorfs Cuprum eine 55-minütige Reise ins benachbarte Bear antreten, um ein Ferngespräch zu führen.

Auf dem Snow Mountain über Palm Springs wurde ein verbesserter Solar-Repeater installiert, der 1.200 Gespräche gleichzeitig verarbeiten konnte. Dadurch wurde die Wüstengemeinde mit Ontario (Kalifornien) verbunden, wo die GTE-Fernleitungen für Palm Springs endeten. Im Gegensatz zu Hunts Mesa und Smith Mountain, wo der Repeater für Cuprum stand, war das Stromversorgungsnetz bei der Installation von Palm Springs in Reichweite. „Es arbeitete jedoch nicht mit der gewünschten Zuverlässigkeit“, erklärte Hampton. „Probleme gab es besonders im Winter bei starkem Wind, Regen, Eis usw. Auf dem Snow Mountain ist die Sonne viel verlässlicher als Southern California Edison!“

johnperlin@physics.ucsb.edu

Das nächste Kapitel handelt von dem Bau eines zum Teil solarbetriebenen Telefonnetzes in Australien.

John Perlin

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