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Von null auf hundert

Bei offenem Verdeck der Sonne entgegen, Fahrtwind im Gesicht, links und rechts der Autobahn Photovoltaikanlagen, so weit das Auge reicht – diese Vorstellung könnte bald schon Wirklichkeit werden. Die neuen Pläne der Regierung machen es möglich. Voraussichtlich ab Juli 2010 werden erstmals Photovoltaikanlagen entlang von Autobahnen und Bahngleisen gesetzlich gefördert. Freigegeben ist ein 110 Meter breiter Flächenkorridor links und rechts der Autobahnen und Bahntrassen. Dabei hat die Regierung auf das ursprünglich geplante Maximum von 100 Metern sogar noch ein kleines Plus von zehn Metern draufgesetzt, um Abstandsgebote zur Fahrbahn zu berücksichtigen. Mit der Einführung solcher Flächen soll der Wegfall der Förderung von Anlagen auf Ackerland kompensiert werden.

In Mittelfranken an der A 9 befindet sich bereits ein zukunftsweisendes Beispiel für Photovoltaikanlagen an der Autobahn. Kurz nach dem Kreuz Nürnberg, Richtung Berlin, bietet sich dem Autofahrer das Bild einer 3,3 Hektar großen Freiflächenanlage direkt an der Autobahn. Mit einer Gesamtleistung von einem Megawatt ist in der Gemeinde Neunkirchen am Sand die bislang größte Freiflächenanlage des Landkreises Nürnberger Land entstanden. Auf dem Gelände der ehemaligen Kreismülldeponie ging sie am 30. Dezember 2009 ans Netz. Wie der erste Bürgermeister der Gemeinde Kurt Sägmüller berichtet, reicht die Leistung der Anlage aus, ganz Neunkirchen an den Wochenenden mit Strom zu versorgen. Nach seinen Angaben hat die Gemeinde nur gute Erfahrungen mit der zuständigen Straßenbaubehörde gemacht: „Die Abstandsflächen sind eingehalten worden. Blendwirkungen der Photovoltaikanlage wurden als unproblematisch eingestuft.“ Auch das Landratsamt des Landkreises Nürnberger Land bestätigt dies. Siegfried Schwab, der beim Landratsamt unter anderem für die Prüfung der Anlage zuständig war, fügt hinzu, dass die Anlage vor allem durch die Unterstützung der Regierung von Mittelfranken so reibungslos umgesetzt werden konnte.

Die Förderung von Photovoltaikanlagen entlang von Autobahnen und Bahngleisen macht Sinn und könnte der Motor für eine Vielzahl neuer Anlagen sein. Denn diese Flächen sind bereits durch Lärm und Abgase des Straßen- und Schienenverkehrs belastet und damit zum Großteil sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch weniger wertvoll.

Riesiges Potenzial

Eigentümer solcher Flächen werden eher bereit sein, ihr Grundstück für Photovoltaikanlagen zur Verfügung zu stellen, als Landwirte von Ackerflächen, die ihr Land auch noch anders nutzbar machen können. Oftmals wird dies sogar die einzige Möglichkeit sein, die vorbelasteten Flächen sinnvoll zu nutzen. Der Anreiz, Flächen zur Gewinnung von Solarenergie bereitzustellen, wird daher größer sein als bei normalem Ackerland.

Zudem bieten die Flächen entlang des deutschen Autobahn- und Schienennetzes mit ihren mehreren zehntausend Kilometern ein riesiges Potenzial, das es auszuschöpfen gilt. Bevor dort jedoch mit der Errichtung von Photovoltaikanlagen richtig Gas gegeben werden kann, sollten sich Projektentwickler, Generalunternehmer und Anlagenbetreiber bei ihrer Planung die zusätzlichen Anforderungen bewusst machen. Wie bereits bei Freiflächenanlagen auf Ackerland bedarf es auch bei Anlagen längs von Autobahnen und Bahntrassen eines Bebauungsplans, der ausweist, dass diese Flächen zur Erzeugung von Solarstrom genutzt werden dürfen. Ohne Bebauungsplan erhält der Anlagenbetreiber keine Vergütung nach dem EEG. Darüber hinaus dürfen die Anlagen keinen anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegen-stehen.

Bei der Aufstellung des Bebauungsplans müssen die Planungsbehörden die besonderen Sicherheitsaspekte beachten und die Belange des Umwelt- und Naturschutzes berücksichtigen. Bei Autobahnen ist insbesondere die zuständige Straßenbaubehörde einzubeziehen. Diese wird Vorgaben zu Abstandsflächen machen und die Blendwirkung der Photovoltaikanlage prüfen, weil diese den Verkehr beeinträchtigen könnte. Bei Autobahnen gibt es klare gesetzliche Richtlinien, die einzuhalten sind. Innerhalb eines Korridors von 40 Metern vom äußeren Fahrbahnrand aus besteht ein generelles Bauverbot. Photovoltaikanlagen dürfen hier nicht errichtet werden.

Gesetzeswirrwar an Gleisen

Bei Schienenwegen ist die Rechtslage nicht ganz so eindeutig. Zum einen wird danach unterschieden, ob es sich bei den Schienenwegen um solche der Bundesbahn handelt oder nicht. Für Schienenwege, die nicht der Bundesbahn gehören, haben die Bundesländer jeweils eigene, unterschiedliche Regelungen zu den Abstandsflächen erlassen. Für jedes Bundesland ist diese Frage deshalb gesondert zu prüfen. Bei Schienenwegen der Bundesbahn gibt es ebenfalls keine klaren Vorgaben zu Abstandsflächen. Für das Eisenbahn-Bundesamt in Bonn war dieses Thema völlig neu. Es zeigte sich jedoch begeistert von der Idee, Photovoltaikanlagen entlang von Bahntrassen zu errichten. Bei der Planung von Photovoltaikanlagen an Autobahnen und Bahngleisen ist es deshalb ratsam, von Anfang an die zusätzlichen Anforderungen im Blick zu behalten und sich hierbei rechtlich beraten zu lassen, um am Ende nicht auf halber Strecke liegen zu bleiben.

Blaues Band

Mit einer sorgfältigen Planung können Photovoltaikanlagen an Autobahnen und Bahngleisen bald zum alltäglichen Bild gehören und sowohl Autofahrer als auch Bahnreisende am Wegesrand begleiten. Die Flächen stellen eine echte Alternative zu Ackerland dar, weil bereits vorbelastetes Land einer sinnvollen Nutzung zugeführt wird. Würden auch Lärmschutzwände und Einhausungen von Autobahnen und Bahngleisen optimal genutzt und mit Photovoltaikanlagen ausgestattet werden, könnte Deutschland bald von einem „blauen Band“ durchzogen sein. Sollten wir zudem in ein paar Jahren in Elektroautos fahren, wären stromliefernde Photovoltaikanlagen entlang der Autobahn die perfekte Ergänzung. Denn wer würde nicht gerne sein Auto an der nächsten „PV-Tankstelle“ aufladen, um dann kraftvoll von null auf hundert zu beschleunigen und dabei ganz ohne Reue Gas zu geben?

Rechtsanwältin bei Bissel + Partner, Erlangen

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