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Jeder Fall ist ein Fall zu viel

Am schlimmsten war es im vergangenen Jahr am 3. Juli. Sage und schreibe 191.636 Mal blitzte und donnerte es an jenem Tag in Deutschland. Im ganzen Jahr fuhr die elektrische Ladung laut BLIDS, dem Blitz-Informations-Dienst von Siemens, sogar über 2,3 Millionen Mal in die Erde. Blitzschutz ist deshalb eines des Kernprobleme, das es beim Bau von Photovoltaikanlagen zu beachten gilt. Und obwohl es seit Jahren funktionierende Systeme gibt, präsentierten Hersteller auf der Intersolar neue Produkte mit kleinen Änderungen im Detail, die in speziellen Fällen Anlagen besser absichern. Voraussetzung ist jedoch, dass die Geräte richtig installiert werden.

Und das scheint erstaunlicherweise immer noch nicht durchgehend der Fall zu sein, wenn Photovoltaik ins Spiel kommt. So äußerten sich zumindest auf der Solarmesse Intersolar etliche Experten. Sie haben etwa beobachtet, dass Photovoltaikanlagen manchmal quer über einem Blitzableiter montiert werden oder dass das Verbindungskabel zwischen zwei Teilgeneratoren mit Kabelbinder am Blitzableiter befestigt wird. Schlägt der Blitz in ein solches Dach, ist nicht nur die Photovoltaikanlage hin, sondern sicherlich auch Teile der Hauselektronik, denn die hohen Spannungen fließen zu einem beträchtlichen Teil in die Elektrik statt gen Erde. Angeblich sei wegen eines solchen Zwischenfalls in einem deutschen Krankenhaus sogar der Operationssaal ausgefallen und habe umgerüstet werden müssen.

Besonders schlimm sehe es, so berichten übereinstimmend mehrere Fachleute, ausgerechnet auf den Dächern öffentlicher Gebäude aus. Denn hier sei aufgrund der Landesbauvorschriften grundsätzlich eine Blitzschutzanlage installiert. Kommt später eine Photovoltaikanlage hinzu, wird oft nicht berücksichtigt, beide aneinander anzupassen.

Klaus Gottschalk, Produktmanager Überspannungsschutz beim Blitzschutzspezialisten J. Pröpster GmbH, ist deshalb mit seiner Meinung bestimmt nicht allein, wenn er sagt, dass „der Blitzschutz unbedingt von einem Blitzschutzspezialisten ausgeführt werden sollte, sei das nun ein weiterer Handwerksbetrieb oder der Solarteur, der entsprechende Fachkunde nachweist“. Er muss wissen, wie man die Geräte dimensioniert und platziert. Allerdings muss er auch wissen, ob man auf einen Blitzschutz verzichten kann, denn nicht jedes Gerät oder jeder Raum brauche immer eigene Überspannungsschutz-Systeme. „Man muss nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen“, sagt Andreas König, zuständig für Transienten- und Blitzschutz bei Obo Bettermann.

Gefahrenfeld Dach

Erst letzten Herbst kam das Beiblatt 5 zur DIN EN 62305-3 (entspricht VDE 0185-305-3) heraus, das Berechnungsregeln zum äußeren Blitzschutz enthält, der vor direktem Blitzeinschlag schützt. Eine der wichtigsten Grundregeln heißt: Abstand halten. Die nötige Distanz zwischen Photovoltaikanlage und der Blitzschutzanlage lässt sich genau berechnen. Eine Faustregel fordert einen halben Meter Abstand zwischen Metallrahmen oder Gestänge und blitzführenden Leitern in jeder Richtung. Im Zweifel sollte man nachrechnen, da sich auch kleinere Werte ergeben können. Das spart Platz für die Module. Verbindungskabel zwischen Generatoren müssen im Zweifel in entsprechender Entfernung und Höhe über Blitzschutzkabel hinweg gezogen werden, um Überspannungseinkopplungen zu vermeiden.

Wird der nötige Abstand unterschritten, etwa weil das Dach ungünstig geschnitten ist, gehört ein Potenzialausgleichskabel aus Kupfer mit einer Querschnittsfläche von 16 Quadratmillimetern zwischen Anlage und Blitzableiter. Außerdem ist die Photovoltaikanlage dann mit einem ausreichend starken Kabel an eine Potenzialausgleichsschiene des Hauses anzubinden.

Die Positionierung der Blitzfänger ist eine Wissenschaft für sich. Richtig ausgeführt, kann dadurch die Photovoltaikanlage bei Einhaltung der nötigen Abstände in den Schutzbereich des Gesamtsystems einbezogen werden, so dass nur wenig Zusatzaufwand erforderlich ist. Es ist auch möglich, die Photovoltaikanlage selbst mit zusätzlichen Blitzfangeinrichtungen auszurüsten. Gleichzeitig ist darauf zu achten, dass die Blitzfänger die Anlage möglichst nicht mit Kernschatten belegen, der zu Verlusten führt. Auch dazu liefert das erwähnte Normbeiblatt Berechnungsverfahren.

Während es beim äußeren Blitzschutz darum geht, den direkten Einschlag eines Blitzes auf die Anlage zu verhindern, geht es beim inneren Blitzschutz darum, Schäden durch Blitze in der Umgebung abzuwenden. Denn auch wenn sie nicht direkt einschlagen, erzeugen sie ein starkes elektromagnetisches Feld, das in Leiterschleifen der Anlage hohe Ströme induzieren kann.

Es ist deshalb ein häufiger Fehler beim inneren Blitzschutz, dass Kabelmaschen der Anlagenverkabelung nicht so klein wie möglich ausfallen. Denn je größer

die Maschen, desto höher die Impedanz und desto größer die Strombelastung,

die bei Blitzeinschlag in der Umgebung in die Leitungen eingekoppelt wird.

Hier hilft es, Plus- und Minusleiter möglichst zu verdrillen und zu schirmen. Wer dabei am Kabelmeter spart, tut es am falschen Ende, denn die Kosten defekter Module sind erheblich höher als die des Kabels. Werden geschirmte Leitungen verwendet, gehört der Schirm an den Potenzialausgleich.

SPD als Alternative und Ergänzung

Versicherungen verlangen bei Solargeneratoren mit einer Leistung von über zehn Kilowattpeak generell einen äußeren Blitzschutz. Ist er wegen der geringen Größe der Anlage nicht vorhanden, können Überspannungsschutzsysteme, auf Englisch „Surge Protection Devices“ , kurz SPD, die gesamte Schutzaufgabe übernehmen. Sonst werden sie nur für den inneren Blitzschutz, also als nachgelagerte Schutzstufen gegen direkt ins Gebäude einschlagende Blitze, und als Schutz gegen Einkopplungen aus entfernten Blitzeinschlägen verwendet, und zwar sowohl auf der Gleich- als auch auf der Wechselstromseite.

Diese Geräte gibt es in je drei Typen für Gleich- und Wechselstrom. Typ I ist für die höchsten Belastungen ausgelegt. Er wird verwendet, wenn das Haus einen äußeren Blitzschutz besitzt. Überspannungsschutz Typ II ist für geringere Ableitströme ausgelegt. Ihn installiert man beispielsweise vor und nach dem Wechselrichter, Typ III schützt einzelne untergeordnete Segmente oder Geräte. In vielen Wechselrichtern ist heute bereits ein Überspannungsschutz integriert, der aber häufig nur für die internen Strukturen ausreicht.

Während Überspannungsschutz-Systeme für Wechselstrom grundsätzlich in jedem Hausstromnetz vorhanden sein sollten, brauchen Photovoltaik systeme spezielle Lösungen, weil sie Gleichstrom erzeugen. In Gleichstromkreisen können Lichtbögen entstehen, die zum Brand führen. Denn dem Gleichstrom fehlt der Nulldurchgang, der beim Wechselstrom einen entstandenen Flammenbogen sofort nach dem Aufflackern wieder erlöschen lässt. Hier liegt einer der Gründe für das besondere Brandrisiko bei Photovoltaikanlagen.

Schutz für Photovoltaikanlagen

Die Hersteller von Überspannungsschutz-Systemen profilieren sich mit unterschiedlichen Lösungskonzepten für den Photovoltaikmarkt. Die Unterschiede liegen allerdings, wie sich auf der Messe zeigte, eher tief im Detail, obwohl sie im Falle eines Falles durchaus praktische Auswirkungen haben können.

Der grundsätzliche Aufbau der Systeme ist immer ähnlich. Varistoren, das sind Halbleiter-Bauelemente, werden zwischen den zu schützenden Wechselrichtereingang und Erde geschaltet. Bei den Betriebspannungen im Gleichstromkreis isolieren sie; wenn die Spannung steigt, werden sie leitend und begrenzen dadurch die Überspannungen (siehe Grafik). Doch leider fließen selbst bei den Betriebsspannungen kleine Leckströme. Dadurch altern die Varistoren, und ein Teufelskreis beginnt. Die Leckströme steigen an, und der Varistor wird wärmer. Die Ableiter enthalten deshalb eine thermische Trennvorrichtung, die abschaltet, bevor es gefährlich wird. Dann muss der Ableiter ausgetauscht werden (siehe photovoltaik08/2009).

Zu einem Problem wird diese Alterung aber, wenn der Varistor durch Überlastung zu schnell leitend wird. Dann schaltet die automatische Abtrennvorrichtung erst, wenn schon ein Strom fließt, den sie nicht mehr beherrschen kann, und beim Schaltvorgang ein Lichtbogen entsteht. Sehr verbreitet ist als Gegenmittel eine Y-Schaltung aus drei Varistoren, bei der zwei Varistoren in zwei Schaltungsebenen ausfallen müssen, um zu einem solchen Zwischenfall zu führen. Das kann zwar geschehen, allerdings ist die große Frage, wie wahrscheinlich solche Fälle wirklich auftreten.

„Ein Fall ist aber bereits ein Fall zu viel“, sagt dazu Bernd Leibig, Produktmanager bei der Firma Dehn + Söhne, die Blitz- und Überspannungsschutzgeräte anbietet. Solche Fälle seien auch nicht konstruiert, sie seien in der Praxis durchaus schon aufgetreten. Denn wenn der Generatoranschlusskasten ausbrenne und die Wärmeentwicklung von dem Ableiter ausgehe, könne man davon ausgehen, dass nicht ein Installationsfehler die Ursache gewesen sei, sondern ein defekter Ableiter, der nicht in der Lage war, den DC-Strom durch seine Abtrennvorrichtung abzuschalten.

Die Firma Dehn hatte deshalb schon im vergangenen Jahr eine Alternative vorgestellt, bei der in solch einem Fall der Lichtbogen gelöscht wird, indem die Abtrennvorrichtung nicht nur ausschaltet, sondern stattdessen auf einen Kurzschlusspfad umschaltet. Damit

hat sie sogar einen Innovationspreis auf dem Photovoltaiksymposium in Bad Staffelstein gewonnen. Jetzt bietet die Firma die Geräte auch für maximale Photovoltaikspannungen von 600 Volt und 1.200 Volt an. Außerdem sind die Ableiter jetzt UL-zertifiziert.

Mehr Geld für Sicherheit

Im Mai hat Dehn die älteren Modelle vom Markt genommen und bietet nur noch die preisgekrönte Schaltung an. Sie sei etwas teurer als die früheren konventionellen Ableiter, da sie technisch anspruchsvoller sei. „Unsere Kunden gehen den Weg aber mit“, sagt Bernd Leibig. „Es ist grundsätzlich eine Bereitschaft da, für mehr Sicherheit auch mehr Geld auszugeben.“

Allerdings sind viele Experten immer noch der Meinung, dass man keine Alternativen zum klassischen Varistor-Y braucht. „Wir verwenden die bewährte Schaltung weiter und trennen einen alternden Varistor durch das Aufschmelzen eines temperatursensiblen Lots bei zu hoher Verlustleistung rechtzeitig ab“, erklärt etwa Andreas Christ, zuständig fürs Marketing bei Phoenix Contact.

Das alleine hilft allerdings nicht unbedingt gegen den unwahrscheinlichen Fehler, den die Dehn-Schaltung absichert. Dieser Fehler tritt nämlich dann auf, wenn der Varistor so stark gealtert ist, dass er sich nicht langsam erwärmt, sondern nach einem Kurzschluss sehr schnell heiß wird. Nur dann kann in der thermischen Abtrennvorrichtung ein Lichtbogen entstehen.

Phoenix Contact plant Verbesserungen an anderer Stelle. Die Überspannungs schutz-Systeme für die neue Produktprüfnorm PR EN 50539, die bereits im Entwurf vorliegt, werden schneller gemacht. Nach der bisherigen Fassung muss eine Abtrennzeit von 25 Sekunden eingehalten werden. „Dafür feilen wir zum Beispiel am Lot“, sagt Christ.

Auch Obo Bettermann sieht keinen Grund, sich von der Y-Schaltung zu verabschieden. „Alternativen bringen keinen funktionalen oder preislichen Vorteil“, meint er. Dafür hat er Neues für Metalldächer im Programm: ein Fangstangensystem, das nicht nur für flache Dächer taugt, sondern auch mit Dachschrägen von zehn Grad fertig wird.

Konzept gegen Leckströme

So unwahrscheinlich es ist, dass die Varistoren durchbrennen, ausschließen will das ja niemand. Konsequent an der Ursache geht das Problem ein neues Produkt von Citel an. Die Firma bietet einen Überspannungsschutz an, in dem zusätzlich zum Varistor und zur thermischen Abtrennvorrichtung eine gasgefüllte Funkenstrecke integriert ist. In einer Funkenstrecke schlägt ein Funken über, wenn eine hohe Spannung anliegt. Das ionisiert das Gas, so dass die Funkenstrecke leitend wird und sich ein Lichtbogen ausbildet, der in diesem Fall gewollt ist. Schlägt ein Blitz in die Photovoltaikanlage ein, die durch das Bauteil geschützt ist, werden Varistor und Funkenstrecke leitend, und es erfolgt ein Potenzialausgleich. Liegt die Überspannung nicht mehr an, sperrt der Varistor, und auch der Lichtbogen in der Funkenstrecke verlischt. „Im Normalbetrieb fließt durch die Funkenstrecke aber, anders als durch den Varistor, kein Leck- beziehungsweise Betriebsstrom“, erklärt Mirko Harbott, Vertriebsingenieur bei Citel. Es treten keine Verluste auf, und der Varistor altert langsamer, als wenn im täglichen Betrieb Ströme fließen.

Diese Art Überspannungsschutz gibt es in zwei Versionen. Einmal als Kombination aus einem Typ-I- und einem Typ-II-Ableiter mit der Bezeichnung DS60 VGPV, zum anderen als reiner Typ-II-Ableiter mit der Bezeichnung DS50 VGPV. Da die Geräte die gasgefüllte Funkenstrecke zusätzlich enthalten, kosten sie natürlich mehr als die Standardgeräte, die Citel auch anbietet. Citel gibt auf der Messe zwar keine Preise bekannt, ist sich aber sicher, dass sich die Mehrkosten rentieren. „Wir haben beschleunigte Alte rungstests mit den Geräten gemacht, die keine Funkenstrecke enthalten“, sagt Mirko Harbott. „Unter extremen Bedingungen halten sie aber keine 20 Jahre, sondern müssen ausgetauscht werden.“

Die Firma Leutron bietet ebenfalls Systeme mit Funkenstrecke an. Anders als Citel sieht Leutron vor, nur den unteren Ableiter der Y-Schaltung durch eine Funkenstrecke zu ersetzen. Das verhindert Leckströme zum Erdungsanschluss, allerdings fließt, anders als bei der Citel-Schaltung, nach wie vor der übliche kleine Fehlstrom vom Plus- zum Minuspol im Gleichstromkreis durch die zwei verbleibenden Ableiter der Y-Schaltung.

Leutron zeigte auf der Intersolar außerdem, wie ihr „Single-Entry-Point-Konzept für Photovoltaikanlagen in einem Generatoranschlusskasten umgesetzt werden kann. Hinter dem Namen verbirgt sich etwas, wozu auch andere Hersteller raten: die Erdungspunkte der Ableiter für die verschiedenen Zuleitungen zum Wechselrichter – Gleichstromzuleitungen, Wechselstromzuleitungen und Datenleitungen – müssen nahe beieinanderliegen. Wenn man das nicht macht, kann bei einem Blitzschlag zwischen den Erdungspunkten eine hohe Spannung entstehen. Diese Potenzialdifferenz liegt dann auch an den zu schützenden Geräten an und kann sie schädigen.

Der Installateur kann selber darauf achten, dass die Erdungspunkte auf einer Schutzpotenzialausgleichsschiene nahe beieinanderliegen, oder den Generatoranschlusskasten von Leutron mit dem Single-Entry-Point-Konzept nehmen. Durch ihn laufen sämtliche Leitungen, die den Wechselrichter und eventuell Zusatzgeräte mit der Außenwelt verbinden. „Damit lassen sich Installationsfehler vermeiden“, sagt Reiner Linder, Leiter des Produktmanagements.

Wenn eine Anlage einen Fehler aufweist und man nicht weiß, ob er durch einen Blitz entstanden ist, hilft übrigens eine Anfrage bei einem der akribisch zählenden Blitzinformationsdienste. Sie können Auskunft darüber geben, ob es im fraglichen Zeitraum an dem Ort überhaupt geblitzt hat. Diese Information holen sich in der Regel auch die Versicherungen ein. „Bevor sie zahlen, fragen sie in der Regel immer bei einem Blitzinformationsdienst nach“, sagt Jens Werdin, verantwortlich für die Technik bei BLIDS.

Ariane Rüdiger

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