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Forsche Forscher

Sie sind keine Nobodys. Die Liste der zehn Unterzeichner liest sich wie ein „Who‘s Who“ der Energiewissenschaft. Es gibt dem Aufruf ein gewisses Gewicht – denn in die konservative Ecke lassen sie sich nicht stellen. Das zeigen die Namen der Institutionen, aus denen die Forscher kommen. Wenn gerade diese Wissenschaftler die Photovoltaikförderung frontal angreifen, ist ihnen die Aufmerksamkeit der Politiker sicher.

In ihrem „Dringenden Appell zur Rettung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ vom 15. Dezember fordern die Unterzeichner von den Politikern, das EEG grundsätzlich zu ändern – und zwar bitte sofort. Der prominente Kreis geht von der Prognose der Übertragungsnetzbetreiber aus, wonach 2010 9.500 Megawatt zugebaut wurden. Die Forscher befürchten, dass die Umlage durch den hohen Zubau und das sogenannte Grünstrom-Privileg (siehe Seite 20) im nächsten Jahr auf 4,5 Cent pro Kilowattstunde steigen könnte, „mit der Folge, dass das EEG und die Erneuerbaren Energien insgesamt an Akzeptanz verlieren und zur Disposition gestellt werden“.

Deshalb fordern sie in ihrem Appell an die Mitglieder des Umweltausschusses des Bundestages: „Beweisen Sie jetzt Mut und passen Sie die PV-Vergütungen dynamisch an.“ Die Regierung müsse sicherstellen, dass ab sofort nicht mehr als 3,5 Gigawatt pro Jahr zugebaut werden. Dies solle erreicht werden durch „eine deutliche, über die festgeschriebene Degression hinausgehende Absenkung der Vergütungssätze zu Beginn des Jahres 2011 oder eine quartalsweise Senkung der Vergütungssätze um drei bis fünf Prozent“.

Experten aus Politik, Marktforschung und Solarbranche setzen den Zubau 2010 allerdings wesentlich geringer an als die Unterzeichner des Appells. „Unsere Annahmen stammen aus den Berechnungen des Leipziger Instituts für Energie“, sagt Mitunterzeichner Mario Ragwitz vom Fraunhofer ISI in Karlsruhe. Die Studie ist am 15. Oktober 2010 veröffentlicht worden. Das Abflauen des Marktes in den vergangenen Wochen ist dort noch nicht enthalten.

In seiner „Roadmap Photovoltaik“ hat der BSW-Solar eine Selbstbeschränkung der Branche formuliert, so dass die Photovoltaikumlage künftig nicht über zwei Cent pro Kilowattstunde steigen soll. Die der Roadmap zugrunde gelegten künftigen Strompreise sind aus Sicht von Ragwitz aber „unrealistisch hoch“, woraus sich beim BSW eine geringere Umlage ergebe. Der Verband zeigt sich allerdings offen für eine Förderung, die sich stärker am Zubau orientiert: „Der große Vorteil der marktzubauabhängigen Degression ist es, auf eine Marktentwicklung in beide Richtungen reagieren zu können“, so der BSW-Solar.

„Schaffen Sie die Mitnahmeeffekte durch das ‚Grünstrom-Privileg‘ ab“, heißt es im Appell. Diese Regelung führe dazu, „dass die EEG-Vergütung auf weniger Schultern verteilt wird, ohne dass zusätzlicher EE-Strom ins Netz kommt“. Allein 2011 werde die EEG-Umlage durch das Grünstrom-Privileg um bis zu 0,5 Cent pro Kilowattstunde zusätzlich steigen.

Die Grünen halten eine „zeitnahe Gesetzeskorrektur“ für angebracht, um künftigen Missbrauch auszuschließen. „Eine Abschaffung des Grünstrom-Privilegs lehnen wir ab“, antwortet Energieexperte Hans-Josef Fell auf den Appell.

„Verlangen Sie von größeren PV-Anlagen Systemdienstleistungen“, so der dritte von fünf Punkten der Wissenschaftler. Alle Anlagen über 100 Kilowatt sollten zur Netzstabilität geregelt werden. Ragwitz bestätigt, dass mit der Mittelspannungsrichtlinie schon ein Instrument da ist, das einen Teil der Anlagenbetreiber zur Netzstabilisierung zwingt. Es sei aber nicht im EEG festgeschrieben, so Ragwitz. „Dafür ist der Anlagenbegriff in der Photovoltaik zu schwammig.“

„Handeln Sie schnell.“ Die Änderungen sollten möglichst umgehend in Kraft treten. „Ein Warten auf die große EEG-Novelle 2012 ist zu spät“, sagen die Wissenschaftler. Die Neuregelungen sollten gemeinsam mit dem Europarechtsanpassungsgesetz verabschiedet werden, so Ragwitz. Dieses sollte zum 1. Januar kommen, wird sich nun aber noch verzögern.Die Wissenschaftler fürchten, dass die „grundlegenden Förderelemente“ des EEG auf dem Spiel stehen, sollten die Politiker nicht umgehend handeln.

„Investoren brauchen Sicherheit“, heißt es abschließend. Ragwitz räumt ein, dass zu viele Förderkürzungen und Diskussionen darüber Investoren verunsichern könnten. Die Wissenschaftler hätten aber abgewägt. Sie halten weitere Einschnitte bei der Vergütung für sinnvoll, um bei einem weiterhin starken Zubau noch viel drastischere Konsequenzen mit der EEG-Novelle 2012 zu verhindern.

Ausführliche Reaktionen auf den Appell der Wissenschaftler finden Sie in unserem Spezial „Photovoltaik-Kürzungspläne“ unter www.photovoltaik.eu (Webcode 0015).

Die Unterzeichner

Prof. Georg Erdmann, TU Berlin
Prof. Manfred Fischedick, Wuppertal
Prof. Christian von Hirschhausen, TU Berlin
Prof. Olav Hohmeyer, Universität Flensburg
Prof. Eberhard Jochem, ETH Zürich
Prof. Claudia Kemfert, DIW, Berlin
Dr. Felix Matthes, Öko-Institut, Berlin
Dr. Martin Pehnt, ifeu, Heidelberg
Dr. Mario Ragwitz, Fraunhofer ISI, Karlsruhe
Prof. Jürgen Schmid, Fraunhofer IWES, Kassel

Sandra Enkhardt, William Vorsatz

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