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Nebeneffekt Netzwerk

Harald Kaplick hat der Solarteurausbildung am Solar Energie Zentrum (SEZ) in Stuttgart so einiges zu verdanken. 2007 erwarb der Elektromeister aus Nürtingen dort das Fachwissen, um sich mit einem Photovoltaikplanungs- und Installationsbetrieb selbstständig zu machen. Rund 21 Megawatt Photovoltaikleistung gingen seither über seinen Schreibtisch. Allein schafft ein Mann so etwas nicht. Deshalb stellte er gleich noch drei Kollegen aus seinem Kurs am SEZ ein. „Die Weiterbildung war sehr, sehr nützlich für mich“, sagt er mit Nachdruck. Doch nicht immer entwickeln sich aus ersten losen Kontakten durch gemeinsam besuchte Weiterbildungen so fruchtbare Kooperationen.

Netzwerke sind das A und O, um im Geschäftsleben zu bestehen. Das steht in jedem Existenzgründerhandbuch, und es wird in den entsprechenden Seminaren gelehrt. Dabei ist es eigentlich Allgemeinwissen. „Das Netzwerken beginnt im Kindergarten“, sagt Jörg Veit, Schulleiter des SEZ, „und setzt sich ein Leben lang fort.“ In der Schule, im Fußball- und im Schützenverein, in Berufsverbänden, im Chor und in der Partei. Die jüngste Variante sind soziale Netzwerke im Internet wie Xing und Facebook. An all diesen realen und digitalen Orten wird das berühmte Vitamin B für Beziehungen gebildet. Wer würde nicht zuerst an seine Vereinskollegen oder Netzwerkpartner denken, wenn er einen Auftrag zu vergeben hat, selber akquirieren will oder eine neue Stelle sucht?

Deshalb erstaunt es nicht, wenn Weiterbildungen zur Fachkraft Solartechnik, zum Solarteur und ähnliche Kurse als ideale Kontaktbörsen betrachtet werden für alle, die in die Solarbranche einsteigen wollen. „Schon nach den ersten Stunden verselbstständigt sich das Netzwerken“, weiß Jörg Veit von den Solarteurweiterbildungen, die das SEZ seit 1996 veranstaltet. Peter Lückerath, Dozent für Energie- und Umwelttechnik aus Velbert, beobachtet das Gleiche in den Kursen am Umweltzentrum der Handwerkskammer Düsseldorf, wo er lehrt. „Kontakte zu knüpfen ist ein wichtiges Standbein von Lehrgängen“, sagt er. Auf die Frage, was wichtiger sei, die Vermittlung des fachlichen Wissens oder die Möglichkeit, Netzwerke zu bilden, antwortet er, ohne zu zögern: „Ich finde beides gleichwertig.“

Wer 200 oder 240 Stunden zusammen die Schulbank drückt, in Kleingruppen die erste Photovoltaikanlage auf dem Versuchsdach der Schule baut oder durch einen Stadtteil streift, um für Übungszwecke geeignete Dächer zu erspähen, kommt nicht darum herum, sich über die eigene berufliche Situation auszutauschen. Das geschieht ganz zwanglos, in der Pause oder beim Feierabendbier.

Solarteur-Club

Manche Schul- und Kursleiter unterstützen das Netzwerken, so zum Beispiel Jörg Veit. Vor drei Jahren rief das Solar Energie Zentrum den Solarteur-Club ins Leben. Einen verbindlichen Charakter mit Vereinssatzung und Mitgliedsbeitrag hat dieses Netzwerk nicht. „Mit dem Bestehen der Prüfung werden unsere Absolventen ordentliches Mitglied des Solarteur-Clubs“, sagt Veit. Über 550 Mitglieder habe der Club bereits, ergänzt er. Einmal im Monat laden Veit und seine Dozenten zum Treffen in den Räumlichkeiten der Innung für Elektro- und Informationstechnik Stuttgart im Stadtteil Bad Cannstatt ein. Zwischen 20 und 30 Solarteure kommen im Schnitt zusammen. Auf dem Programm stehen Fachvorträge, zum Beispiel von Herstellern, die Diskussion mit den Referenten und der Erfahrungsaustausch unter Kollegen. „Wir sind auch schon mal zu Firmen gegangen“, erzählt Veit. Doch das sei schwer zu organisieren und koste Zeit und Geld. Er selbst ist schon dankbar, dass der Geschäftsführer des Solar Energie Zentrums, Jürgen Jarosch, es möglich macht, „den Solarteur-Club zu halten“. Er stellt ein Budget für das Netzwerk zur Verfügung. Davon können Jörg Veit und seine Kollegen vorbereitende Gespräche mit den Referenten führen, den Newsletter schreiben und das Internetforum am Laufen halten. Außerdem nehmen in der Regel zwei Mitarbeiter des SEZ auf Honorarbasis an den abendlichen Treffen, die etwa vier bis fünf Stunden dauern, teil.

Für den größten Vorteil von Solarweiterbildungen und außerschulischen Treffen halten Veit und Lückerath es, dass hier Männer und Frauen aus den unterschiedlichsten Gewerken zusammenkommen. „Auf einer Veranstaltung der Innung sitzt man mit seinem direkten Mitbewerber zusammen, wer würde sich da schon frei austauschen“, stellt Lückerath in den Raum. In Solarweiterbildungen hingegen treffen Elektrotechniker, Heizungsbauer, Dachdecker und Zimmerer aufeinander. Architekten, Planer, Ingenieure der unterschiedlichsten Fachrichtungen, Qualitätsmanager und Vertriebler ergänzen die Runde. Hin und wieder gesellt sich auch ein Journalist dazu, der an einer Solarteurschule und einer Handwerkskammer fachliches Hintergrundwissen für seinen Beruf erwerben möchte.

Gewerke kooperieren

„In solchen Runden entstehen disziplinäre und interdisziplinäre Kooperationen“, berichtet Jörg Veit. Um Ersteres handelt es sich beispielsweise, wenn Elektrotechniker sich zusammenschließen, um gemeinsam groß in das Photovoltaikgeschäft einzusteigen. Wegen der bunten Zusammensetzung der Klassen sind Kooperationen zwischen den Gewerken noch wahrscheinlicher. Da hilft der Elektromeister dem Heizungsbauer, der nun Solarstromanlagen mit anbietet, die Anlagen anzuschließen. Der Dachdecker übernimmt die Indachmontage von Modulen, an die ein Elektrotechniker sich nicht heranwagt. Oder ein Zimmerer und frisch qualifizierter Solarteur kooperiert mit einem Wärmepumpenfachmann.

Wohl jeder Absolvent einer Solarweiterbildung hat schon den einen oder anderen Kontakt geknüpft. Oder auf diese Weise den Einstieg in ein neues Berufsfeld geschafft. „Weiterbildungen sind absolut gut für Kontakte“, bestätigt Cigdem Sanalmis. Die Betriebswirtin und Qualitätsmanagerin besuchte 2004 die Solarteurausbildung am Bildungszentrum für Solartechnik (BZS) in München. Durch einen Mitschüler lernte sie einen Elektrohandwerker kennen, der sich an der Handwerkskammer München zur Geprüften Fachkraft für Solartechnik hat ausbilden lassen. Mit ihm kooperierte sie, als sie sich nach bestandener Prüfung als Photovoltaikplanerin und -installateurin selbstständig machte.

Gut als Sprungbrett

Der zu Beginn erwähnte Harald Kaplick stellte eineinhalb Jahre nach Ende der Solarteurausbildung einen Klassenkameraden für die Technik ein. „Das war unser Klassenprimus“, erinnert er sich. „Willi war Projektleiter in einem Elektrobetrieb und wollte sich beruflich verändern. Ich konnte ihn für die Technik gut gebrauchen.“ Einen anderen Kollegen beauftragte er, Anlagen zu montieren. Eine weitere Kooperation fällt ihm ein. In der Klasse war ein Mitarbeiter aus der Windkraftbranche, der danach zu einem Solargroßhändler wechselte. „Bei dem hätte ich sonst nie eingekauft“, sagt Kaplick. „Aber weil ich den Kollegen kannte, habe ich es dann doch getan.“

Weiterbildung als Sprungbrett in die Solarbranche: Für immer mehr Teilnehmer ist das eine Motivation, solch einen Kurs, der immerhin über 1.000 Euro kostet, zu besuchen. Sanalmis, die zwischenzeitlich als Qualitätsbeauftragte bei einem Systemanbieter arbeitete und sich gerade wieder mit ihrer Firma Sansolar Solartechnik und Energieberatung in München selbstständig gemacht hat, hielt auch den Kontakt zu ihrer Ausbildungsstätte aufrecht. Für das BZS ist sie seit 2009 als Dozentin für das Unterrichtsmodul „Energie und Umwelt“ tätig. Außerdem organisiert sie Veranstaltungen für das Bauzentrum München. Hierhin hat sie wiederum eine Schülerin vom BZS vermittelt.

Bei Handwerkskammern machen die Teilnehmer, die sich hier zur „Geprüften Fachkraft Solartechnik“ ausbilden lassen, ähnliche Erfahrungen. Wolfgang Aigner aus dem bayerischen Windach zum Beispiel. Der gelernte Elektroniker und Inhaber des Photovoltaikfachbetriebes Aigner Energie besuchte 2002/2003 die erste Weiterbildung zur Fachkraft für Solartechnik, die die HWK München anbot. Direkt danach gründete Aigner mit einem anderen Teilnehmer eine Firma für die Planung und Installation von Photovoltaikanlagen. So fiel der Einstieg in das neue Geschäftsfeld leichter. „Ich glaube, alleine kann man in die Branche kaum einsteigen“, sagt er rückblickend. Die Zusammenarbeit währte zwar nur ein Jahr. Dennoch ist er froh, dass sie den Schritt gewagt haben. „Man muss solche Erfahrungen machen, sonst kommt man nicht weiter“, ist Aigner überzeugt. Wertvolle Kontakte und Adressen habe ihm die erste Firma auch gebracht.

Alltag als Bewährungsprobe

Dies ist die andere Seite der Medaille. Kontakte zu knüpfen und eine Zusammenarbeit zu starten ist vergleichsweise einfach. Doch mit dem Arbeitsalltag kommen die Bewährungsproben. „Es müssen konkrete Geschäfte zustande kommen“, nennt Peter Zetzsche, Fachkraft für Solartechnik mit Zertifikat der HWK München, einen Erfolgsfaktor. Doch genau diese gemeinsamen Geschäfte werden dann zum Prüfstein. „Dann entstehen Probleme, und die Zusammenarbeit muss sich bewähren“, weiß Zetzsche aus eigener Erfahrung

„Wenn es nicht läuft oder die Zusammenarbeit mit einer Firma schlecht ist für das eigene Renommee, muss man sich trennen“, schlussfolgerte er für sich. Nach acht Jahren in der Solarbranche sagt er: „Ich habe viele kennen gelernt, mit denen ich nicht mehr zusammenarbeiten möchte.“ Gerade in letzter Zeit seien aber „sehr verlässliche Geschäftspartner“ neu dazugekommen, stellt er dann doch zufrieden fest.

Gleiche Wellenlänge

Ob eine Zusammenarbeit glückt oder nicht, hängt von mehreren Faktoren ab. Zunächst einmal muss die Chemie stimmen. Ein Hinweis darauf kann ein gemeinsames Hobby sein. Dozent Lückerath lässt seine Kursteilnehmer deshalb in der Vorstellungsrunde etwas über ihre Hobbys erzählen. Wenn zwei Teilnehmer beispielsweise Motorrad fahren, ist der erste Anknüpfungspunkt schon einmal gegeben.

„Will man sich in einer größeren Runde treffen, so muss es jemand in die Hand nehmen, planen und konsequent organisieren“, meint Cigdem Sanalmis. „Häufig scheitert dies an der Zeit“, bedauert sie. Besser haben es die Teilnehmer von Kursen, die feste Einrichtungen wie einen Solarteur-Club haben.

„Gemeinsame Aufgaben sind der beste Weg“, sagt Wolfgang Aigner. Dem stimmt Energiedozent Peter Lückerath zu. „Man sollte sich konkret etwas vornehmen“, rät dieser. „Wer einfach nur sagt, wir müssen uns mal treffen“, werde wenig erreichen. Besser sei es, gleich einen Ort und Zeitpunkt abzumachen. Montag um 20 Uhr beim Kramer-Wirt: So funktioniere es schon eher. Harald Kaplick sieht es nicht so verbindlich. Zu Kollegen, mit denen er sich auf der gleichen Wellenlänge fühlt, hält er Kontakt. Wenn es gerade passt, klingelt er einfach durch. Deshalb ist er überzeugt: „Anrufen, hören, was der andere macht – so ein Gespräch bringt immer etwas.“ Auch wenn man schon länger im Geschäft ist.

Ina Röpcke

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