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Durch die Hintertür

Auf den Tag genau ein Jahr ist es her, dass Bundesumweltminister Norbert Röttgen seine Pläne für eine zusätzliche Kürzung der Photovoltaik-Einspeisevergütung öffentlich präsentierte. Damals löste sein Vorschlag heftige Kritik in der Branche aus. Am 20. Januar 2011 tritt er erneut vor die Kameras – doch diesmal ist alles anders. Im Vorfeld war der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) auf den Minister zugegangen, um ihm einen Vorschlag zu unterbreiten, wie die Solarförderung weiter ausgestaltet werden könnte. Vorausgegangen waren heftige Angriffe auf die Solarbranche wegen der hohen Kosten des Photovoltaikausbaus. Röttgen bezeichnete es denn auch als „Novum“ und „einmaligen Vorgang“, dass ein Wirtschaftsverband einer in der Entwicklung befindlichen Branche auf ihn zugekommen sei, um „aktiv“ und „konstruktiv“ zu beraten, wie man die Kosten in den Griff bekommen könne.

Der Umweltminister präsentierte den Vorschlag denn auch gemeinsam mit Günther Cramer, Präsident des BSW-Solar, wonach die Einspeisevergütung zur Jahresmitte um bis zu 15 Prozent gekürzt werden soll. Die genaue Höhe soll sich an der weiteren Marktentwicklung orientieren. Die Bundesnetzagentur wird auf Grundlage der Photovoltaik-Zubauzahlen für die Monate März bis Mai eine Prognose für das Wachstum im Gesamtjahr abgeben. „Der variable Teil des atmenden Deckels wird vorgezogen“, fasst der Umweltminister die Entscheidung zusammen. Sollte sich der Zubau in ähnlichen Regionen wie 2010 bewegen, also bei etwa 7.000 Megawatt, dann könnte die vorgezogene Kürzung zwölf Prozent für Photovoltaik-Dachanlagen zum 1. Juli und für Freiflächenanlagen zum 1. September betragen. Zum Jahresende soll dann eine erneute Degression von neun Prozent erfolgen. Wenn sich die Bundesnetzagentur in ihrer Prognose für das Gesamtjahr allerdings verschätzt, könnte an dieser Stelle noch nachjustiert und eine geringere oder größere Absenkung vorgenommen werden. Insgesamt soll nach Röttgens Worten die Degression bis zum 1. Januar 2012 bei maximal 24 Prozent liegen.

Der Vorschlag des BSW-Solar sei „ein echtes Angebot an die Politik“, sagte der Minister. Er zeigte sich zuversichtlich, dass sein Vorschlag zügig umgesetzt wird. Die Regierungsfraktionen von Union und FDP hätten bereits Zustimmung signalisiert. Allerdings kam nur kurz nach der Präsentation heftige Kritik aus dem Wirtschaftsflügel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Wie schon vor einem Jahr fordern die Wirtschaftspolitiker tiefgreifendere Änderungen. Diese wollen sie nun im Zuge der Debatte über die EEG-Novelle 2012 durchsetzen.

Dabei könnte auch wieder eine Deckelung des Photovoltaikzubaus auf den Tisch kommen. Dies gilt beim Solarverband als Horrorszenario. „Mit der Einigung auf eine zubauabhängige Förderanpassung konnte die Einführung einer starren Mengenbegrenzung verhindert werden“, sagt Cramer. Dies sei dem BSW-Solar mit Blick auf die weitere Marktentwicklung besonders wichtig gewesen. Röttgen betont, dass es sich weder um eine Reform des EEG noch um ein neues Element handele. Der Vorschlang sei als „effektive Kostendämpfungsmaßnahme“ gedacht.

Die photovoltaikhat einige Stimmen aus der Branche zu den vorgezogenen Kürzungen gesammelt. Die vollständigen Aussagen finden Sie mit dem Webcode 0017 auf www.photovoltaik.eu.

Unternehmer

… Ralf Hofmann, Geschäftsführer der Kaco New Energy GmbH:

„Der BSW hat, statt der dummdreisten und wahrheitswidrigen Kampagne der Energiemonopolisten entschieden entgegenzutreten, sich in der Rolle des eifrig beipflichtenden und offensichtlich zu Recht angegriffenen, reuevollen Hauptschuldigen eingerichtet. Er hat die wahrheitswidrige Argumentation, dass die Photovoltaik an der Strompreiserhöhung jetzt und in Zukunft hauptverantwortlich ist, übernommen und aus dieser ‚Sicht‘ heraus ‚Lösungen‘ entwickelt und angeboten. Ein absolut tödlicher Fehler für einen Interessenverband und Verrat an seinen Mitgliedern.“

… Frank Asbeck, Vorstandsvorsitzender der Solarworld AG:

„Eine mengenabhängige Vergütungskürzung ist das richtige Instrument. Das gibt Sicherheit für Hersteller, Installateure und Kunden. Gleichzeitig bleiben damit die Kosten für die deutschen Stromverbraucher im Rahmen. Zukünftig kann kein Energieversorger mehr behaupten, er müsse die Preise wegen der Solarstromerzeugung erhöhen.“

… Christian Plesser, Vorstand der Inventux Technologies AG:

„Die erneute unplanmäßige und ungerechtfertigte Kürzung der Einspeisevergütung lehnen wir ab. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette wird ein zusätzlicher enormer Kostendruck entstehen. In den Verhandlungsprozess des BSW-Vorstandes mit der Politik waren wir als BSW-Mitglied bedauerlicherweise nicht mit eingebunden. Die Argumentation, dass man einem Akzeptanzproblem der erneuerbaren Energien in Deutschland entgegenwirken wollte, halten wir für verfehlt.“

Politiker

… Hans-Josef Fell, Energieexperte von Bündnis 90/Die Grünen:

„Wenn die Marktentwicklung in diesem Jahr tatsächlich stark ist, dann ist eine Sonderabsenkung auf jeden Fall sinnvoll. Wir kritisieren aber den Vorschlag des Ministers dahingehend, dass wir nicht eine Einmalvergütung mit einer starken Vergütungssenkung Mitte des Jahres wollen. Wir wünschen uns eher einen Gleitflug, so dass wir mit mehrfachen geringen Absenkungen auch eine verlässliche und gleichmäßige Entwicklung unterstützen können.“

… Joachim Pfeiffer, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion:

„Wenn selbst die Frösche im Teich nach Trockenlegung rufen, dann liegen die Dinge offensichtlich sehr im Argen! Der jetzige Vorschlag lindert das Problem, löst es aber nicht. Klar ist: Damit wird das Übel nicht an der Wurzel gepackt, es wird lediglich an Symptomen herumkuriert. Daher ist das Thema Photovoltaik im Rahmen der gesamten EEG-Novellierung auch nicht abgeschlossen. Hierbei kommen alle Optionen, Vergütungshöhe, Vergütungsdauer, atmender Deckel sowie andere Instrumente auf den Prüfstand.“

Installateure

… Udo Matschull von Hartmann Energietechnik:

„Ich denke, dass sich die Modulhersteller bisher eine goldene Nase verdient haben. Da ist bestimmt noch etwas drin. Komischerweise können die immer mit den Vergütungsabsenkungen mitgehen. Die Modulpreise sinken praktisch immer genauso viel, wie die Einspeisevergütung nach unten geht.“

… Wolfgang Noack von Schulzendorfer Elektro:

„Also wir sind mit dieser Beschlussfassung und dieser Festlegung überhaupt nicht einverstanden. Das ist ein Hohn. Vergütungssenkungen mehrmals pro Jahr sind völlig unklug. Da werden die kleinen Unternehmen richtig fertiggemacht. Wenn das so kommt, dann werden sich wohl die Arbeitsämter wieder füllen, weil die Leute dann keine Beschäftigung mehr finden oder die Beschäftigung einfach nicht ausreichend ist.“

Wissenschaftler

… Prof. Eicke Weber, Leiter des Fraunhofer-ISE:

„Sehr positiv ist zu bewerten, dass das BMU flexibel auf die Marktentwicklung reagiert und dass der Mechanismus des EEG nicht durch die Einführung einer Deckelung geändert wird. Vor zwölf Monaten hatte es doch kaum jemand für möglich gehalten, dass die Kosten und damit auch die Einspeisetarife so dramatisch gesenkt werden können. Wichtig ist aber auch, dass die deutsche Industrie in die Lage versetzt wird, die Kosten mit dieser Geschwindigkeit zu senken. Dazu ist aus unserer Sicht eine deutliche Stärkung von Forschung und Entwicklung erforderlich.“

… Prof. Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung:

„Die gemachten Schritte sind sinnvoll und notwendig. Aufgrund der starken Nachfrage ist die Umlage unverhältnismäßig stark angestiegen, die Belastungen müssen vereinbar sein mit der Wirtschaftlichkeit. In der Wirtschaftskrise waren Investitionen in Photovoltaik eine attraktive Geldanlage. Daher ist es zu einem sehr starken Zubau gekommen. Die Kürzung der Vergütungssätze ist richtig und dringend geboten, da sonst die Akzeptanz des EEG zu schwinden droht.“

Sandra Enkhardt

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