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Neue Namen für die Alte Welt

Beijing Corona Science & Technology Co., Zhicheng Champion, Nanjing First Second Power Equipment Co., Beijing Jike – das sind nur einige der Namen, an die sich Photovoltaikinstallateure in Deutschland vielleicht werden gewöhnen müssen. Dagegen muten selbst Chint, Sungrow und Aerosharp schon fast als alte Bekannte an. Alle diese Unternehmen haben zwei Dinge gemeinsam: Sie produzieren Wechselrichter, und sie kommen aus China. Etliche davon sind auch hierzulande schon erhältlich, wie die Marktübersicht ab Seite 92 zeigt.

Viel verkaufen sie aber noch nicht. Selbst der regionale Marktführer Sungrow, der auch den boomenden nationalen Windenergiemarkt bedient, lieferte 2009 nur eine Wechselrichterkapazität von 80 Megawatt – Zahlen für 2010 sind noch nicht bekannt. Das scheint wenig gegenüber den Platzhirschen: SMA hatte vor zwei Jahren bereits über drei Gigawatt, Fronius über 700 Megawatt und Kaco über 600 Megawatt verkauft (siehe photovoltaik 10/2010, Seite 30). Und trotzdem kann die Aufholjagd schneller gehen, als man denkt. Denn die chinesischen Unternehmen haben teilweise große Konzerne im Hintergrund, denen sowohl technologisch als auch im Bereich Vermarktung viel zuzutrauen ist.

Während das auch in Deutschland bekannte Unternehmen Sungrow eindeutig Marktführer ist, fällt es schwer, die anderen Produzenten genau einzuordnen. „Alle sehen sich auf dem zweiten Platz, was jedoch schwer zu verifizieren ist“, erklärt Jackey Wang, Solar-Analyst im Shanghaier Büro des Forschungsunternehmens IMS, das für Studien zum Wechselrichtermarkt bekannt ist. Sungrow habe einen Marktanteil von 50 bis 60 Prozent. Das in Peking ansässige Unternehmen QY Research hat letztes Jahr einen Bericht veröffentlicht, in dem es im Detail auf die einzelnen Unternehmen eingeht. Darin folgen auf Sungrow die Unternehmen Beijing Corona Science & Technology Co.,, Zhicheng Champion, Nanjing First Second Power Equipment Co. und Beijing Jike. Auch wenn genaue Zahlen fehlen, gibt es einige Kriterien, um die Unternehmen einzuschätzen. Dazu gehört, ob sie Technologie für andere Anwendungen zur Verfügung haben, die auf Wechselrichter übertragbar ist, ob sie starke Kooperationspartner haben, die ihnen unter die Arme greifen können, und ob sie Erfahrung im Marketing haben, am besten auf internationalen Märkten.

Indizien für den Erfolg

Jackey Wang glaubt deshalb, dass etwa Beijing Corona aufgrund seiner technologischen Basis großes Potenzial hat. Das Unternehmen nutzt Technologie aus dem Institut für Elektrotechnik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (IEECAS), hat in Tibet bereits viel an Offgrid-Wechselrichtern gearbeitet und auch schon Erfahrung mit größeren netzgekoppelten Installationen. Die Herausforderung liegt für Beijing Corona vermutlich woanders. „Was die Vermarktung betrifft, ist das Unternehmen noch schwach“, sagt Wang.

Noch bedient das Unternehmen nur den heimischen Markt. Dort war es zum Beispiel im Bieterprozess für das Golden-Sun-Programm erfolgreich (siehe dazu Meldung). Dieses Förderprogramm ist für westliche Beobachter auch deshalb interessant, weil die Unternehmen Preise nennen mussten. Beijing Corona bietet Wechselrichter im Rahmen des Programms für umgerechnet zehn Cent pro Watt an. Das ist deutlich weniger, als Wechselrichter hierzulande kosten.

Ein anderes Beispiel, das an Erfolg glauben lässt, ist Nanjing First Second. Das Unternehmen mit einem Umsatz von zehn Millionen US-Dollar im Jahr 2008 entwickelt nicht nur seit zehn Jahren Wechselrichter für Photovoltaik- und Windkraftanlagen, sondern erhielt auch eine Bestätigung aus der Welt des Risikokapitals. Milestone habe Geld zugeschossen, das ist derselbe Venture-Kapitalgeber, der auch in den Modulhersteller Trina investiert hat. Kevin Zhou, Marketing-Manager von Nanjing, sagt, dass sein Unternehmen über Milestone Kontakt zu internationalem Management und dadurch einen Vorteil auf den Exportmärkten habe. Ebenfalls ein Pluspunkt, will man das Potenzial der Firma einschätzen, dürfte die Kooperation mit Modulherstellern sein, insbesondere wenn sie international so erfolgreich sind wie Suntech. „Wir können dadurch dem Anlagenbauer einen attraktiven Preis bieten“, sagt Zhou. Beim Golden-Sun-Programm ist Nanjing außerdem mit zwölf Cent pro Watt dabei.

Allerdings haben nicht nur die Hersteller eine Chance, die im QY-Research-Bericht unter den ersten fünf sind. Das in Shanghai ansässige Unternehmen Macsolar hat zum Beispiel schon eine deutsche Webseite, wenn auch schlecht übersetzt, und plant nach Aussage von Pressesprecher Ellie Xu, sehr bald Büros in Deutschland und Italien zu eröffnen. Das ist sowieso das A und O, will ein Hersteller auf den Exportmärkten Erfolg haben (siehe Artikel Seite 88). Der Pluspunkt dieses Unternehmens ist außerdem, dass es ein Ableger von Linyang Electronics ist, einem bekannten Hersteller für elektronische Ausrüstung und Messtechnik, der auch an der Gründung des Modulherstellers beteiligt war. Das dürfte sowohl technologisch als auch finanziell helfen. Laut Wang zählen auch Jingyi Renewable Energy aus Peking und EHE, das sich auf Wechselrichter unter 100 Kilowatt Leistung konzentriert, zu den ersten zehn chinesischen Wechselrichterherstellern.

Große Pläne in Anhui

EHE aus Anhui hat große Pläne für den europäischen Markt und bereits Beziehungen nach Europa. Das Unternehmen unterhält Büros in Deutschland und Sydney und will auch Märkte in Schwellenländern erschließen. Auch dieses Unternehmen hat einen guten technologischen Hintergrund, weil es mit der Hefei-Universität in Anhui zusammenarbeitet, übrigens genauso wie Sungrow. Tony Xu, Sales-Manager für den Export, sagt, dass das Unternehmen die Produktionskapazität jetzt sogar auf ein Gigawatt erweitert habe. Das bedeute im China-internen Ranking Platz zwei. Das kanadische Unternehmen Astenik Solar, das auch in Deutschland eine Niederlassung hat, bietet die Wechselrichter an.

Ein anderes Unternehmen hat als Alleinstellungsmerkmal seine vermutlich gute Beziehung zum Militär, ansonsten auch Erfahrung in der Produktion elektronischer Geräte. Der Hauptinvestor von Guangdong Shengda ist eine Firma, die Sensoren und Telekommunikationsausstattung für die Armee herstellt. Dieser Mutterkonzern gründete Guangdong Shengda vor zwei Jahren, da der Militärmarkt begrenzt ist. Das Unternehmen plant ab 2012 die Produktion von jährlich 30.000 Wechselrichtern.

Unter den zehn ersten Wechselrichterunternehmen ist auch Chint Power. Der Mutterkonzern Chint selbst produziert unter anderem Hochspannungstransformatoren, Stromleitungen, Module für unterbrechungsfreie Stromversorgung und Sicherungs-Schaltschränke in sehr großen Stückzahlen, so dass Know-how für den Wechselrichterbau vorhanden ist. Das Unternehmen hat es geschafft, innerhalb von nur 18 Monaten eine ganze Palette von Wechselrichtern in verschiedenen Leistungsklassen zu entwickeln. Es beweist außerdem, dass auch das Industriedesign keine Domäne der europäischen Hersteller bleiben muss. Die Chint-Manager haben aus einer Reihe von Designentwürfen einen ausgewählt, für den sie dann auch gleich den Red Dot Award gewonnen haben, einen bekannten Preis für Industriedesign.

Auch Samil mit Sitz in Wuxi hat gute Chancen, international eine Rolle zu spielen. Es ist spezialisiert auf Netzwechselrichter zwischen 1,5 und 500 Kilowatt und hat nach eigenen Angaben eine ausgeprägte Entwicklungsaktivität. Es habe nicht nur Installateure in Amerika und Australien als Kunden, sondern auch den Modulhersteller Suntech. „Wir beliefern unsere Kunden gegenseitig. Das ist sehr vorteilhaft, da unsere Fabriken nebeneinanderliegen“, so Sales-Manager David Zhong.

Schwierig wird es für die chinesischen Hersteller, die nach Deutschland exportieren wollen, allerdings durch nationale Regularien wie die deutsche Nieder- und Mittelspannungsrichtlinie. Nicht weil die Ingenieure in China sie nicht umsetzen könnten. Das Problem besteht eher darin, dass sie die Anforderungen erst einmal detailliert auf Chinesisch erläutert bekommen müssen.

Warum gerade jetzt?

Es stellt sich die Frage, warum die chinesischen Wechselrichterhersteller erst jetzt durchstarten. Vermutlich war es bisher einfach viel lukrativer, den Modulmarkt aufzurollen. Wechselrichter machen nur zehn bis 20 Prozent des Wertes einer Solarstromanlage aus, und ihre Produktion steht deshalb nicht an erster Stelle auf der Investorenwunschliste.

Doch inzwischen gab es Warnungen der chinesischen Regierung vor Überkapazitäten in der Photovoltaikbranche. Premierminister Wen Jiabao sprach von „Redundanz“, die „kontrolliert“ werden müsse. Das hatte zur Folge, dass lokale Regierungen Modulhersteller weniger unterstützen als früher. So hat zum Beispiel das Wirtschaftsministerium der Region Jiangsu die Lizenzen für neue Modulproduzenten gestoppt. Investoren haben also einen Grund, sich dem Wechselrichtermarkt zuzuwenden. Und der ist ja trotz seines kleineren Anteils am Gesamt-Photovoltaikmarkt durchaus groß genug. Das Marktforschungsunternehmen iSuppli hat für das Jahr 2014 ein Volumen von 23,3 Millionen Wechselrichtern vorausgesagt, neunmal mehr als die für 2010 geschätzten 2,6 Millionen Einheiten, mit einem Umsatz von dann 8,9 Milliarden US-Dollar.

Knackpunkt Kosten

Der Anreiz, davon eine Scheibe abzubekommen, ist also da. Wenn man den Wechselrichtermarkt mit den Märkten ähnlicher Produkte vergleicht, ist auch nicht zu erwarten, dass langfristig die fünf größten Unternehmen wie zurzeit 70 Prozent des Marktes beliefern werden.

Die Indizien, dass die vielen im Westen unbekannten Hersteller Potenzial haben, auf dem Markt ernsthaft mitzuspielen, und ein ausreichendes kommerzielles Interesse haben sollten, sind jedoch nur hinreichend. Ebenso wichtig ist es, dass chinesische Firmen billiger produzieren können. Laut Catherine Shen, Vorstandssprecherin von Chint, besteht der Kostenvorteil vor allem bei den großen Bauteilen wie Chassis und Transformator. Die elektronischen Bauteile wie die IGBT-Schalttransistoren könnten dagegen die europäischen Unternehmen preiswerter beziehen, da sie größere Stückzahlen abnähmen. Die Arbeitskosten spielten auch keine große Rolle.

Neben den Vorteilen haben die chinesischen Hersteller aber einen Nachteil, zumindest wenn es um den europäischen Markt geht. „Chinesische Firmen brauchen 32 Tage, um ihre Wechselrichter auf den europäischen Markt zu liefern. Wenn sie die Geräte per Luftfracht schicken, was deutlich schneller geht, werden die Preise ebenso hoch sein wie die der europäischen Wettbewerber“, sagt Dominik Wertschek, ein Manager bei China Energie in Peking, einem Unternehmen, das Wechselrichter importiert, die von chinesischen OEM-Herstellern produziert werden.

Qualitätsprobleme?

Selbst wenn die chinesischen Wechselrichterunternehmen wie die chinesischen Modulhersteller die Kostenvorteile wirklich haben, was die beim Bieterverfahren für das Golden-Sun-Programm veröffentlichten Preise zeigen, müssen sie sich aber erst einmal das Vertrauen der Kunden erwerben. Das Problem ist ähnlich wie bei den Modulen vor einigen Jahren, dass sich die Produkte bisher noch nicht bewährt haben. Die chinesischen Modulhersteller, die inzwischen zu den großen Playern auf dem Markt zählen, haben vorgemacht, dass sich das schnell ändern kann. Auch die Wechselrichterhersteller sind auf dem Weg dorthin. Subventionen von Seiten der Regierung wie das Golden-Sun-Programm und die dabei vorherrschende Vergabepraxis haben es den chinesischen Herstellern ermöglicht, sich auf den Inlandsmarkt zu konzentrieren, ohne gegen SMA oder andere auf dem Exportmarkt etablierte Unternehmen antreten zu müssen. Laut IMS-Research-Analyst Jackey Wang waren die von der Regierung subventionierten Pilotprogramme hilfreich, um die Produkte der inländischen Firmen zu entwickeln und ihnen Referenzprojekte zu verschaffen.

Letztes Jahr konnten sie dann vom globalen Mangel an Wechselrichterkapazität profitieren. „Alle Firmen sagen auch für 2011 wirklich große Umsätze voraus“, sagt Wang. Er bleibt jedoch skeptisch. Zukünftiges Wachstum wird seiner Ansicht nach schwieriger sein als das in der Vergangenheit. Er beobachtet, dass sich viele Unternehmen auf Wechselrichter mit niedrigen Leistungen von 30 bis 50 Kilowatt konzentrieren.

Allerdings wird es voraussichtlich nicht bei dem einen staatlichen Förderprogramm bleiben. Laut Mike Hugh von Asia Cleantech Gateway könnte schon 2012 eine Einspeisevergütung eingeführt werden. Damit würde sich ein „riesiger neuer Markt“ für inländische Ausrüstungshersteller öffnen und ihnen „die Ausgangsposition für eine Marktdominanz“ bieten. Es wäre so also möglich, dass die chinesischen Wechselrichterhersteller gar nicht exportieren müssen, sondern Marktanteile gewinnen, indem sie im eigenen Land bleiben und von dem Photovoltaikausbau dort profitieren.

Probleme lösbar

Auch der Taiwan- oder Outsourcing-Faktor wird dazu beitragen, dass die Probleme der chinesischen Hersteller – ein vermeintlich niedriger Wirkungsgrad und Zweifel an der Haltbarkeit – lösbar sind. Taiwanesische Unternehmen wie Delta, Motech und Eaton Phoenix produzieren bereits außer unter ihrem eigenen Namen für andere große Marken. Entwickelt sich der Markt wie bei der Elektronik, dann werden taiwanesische Unternehmen die Kosten drücken, indem sie die Produktion teilweise auf das Festland verlegen und gleichzeitig Know-how dorthin bringen. Das gilt im Übrigen nicht nur für Taiwan, sondern auch für europäische Produzenten. Willie Teng von Digitimes, einer Forschungsgruppe für Technologie in Taipei, sagt voraus, dass das Outsourcing an asiatische OEM-Unternehmen zu einer Kostensenkung der wichtigsten Hersteller von Wechselrichtern führen werde.

Der Aufbau einer Wechselrichterproduktion geht außerdem leichter als zum Beispiel bei der Polysiliziumherstellung, wo viel Erfahrung nötig ist, um die chemischen Prozesse zu beherrschen. Laut Stephen Simko, Solar-Analyst des Forschungsunternehmens Morningstar, haben die chinesischen Wechselrichterhersteller durchaus die Expertise, um bei der Qualität mit den westlichen Wettbewerbern mitzuhalten. Die vergleichsweise kleinen chinesischen Unternehmen würden Kostenvorteile nutzen, um an europäische Wechselrichterhersteller heranzukommen, prophezeit Simko. „Niemand verfügt über ein Produktionsverfahren oder eine Kostenstruktur, die die chinesischen Mitbewerber letztendlich nicht verbessern könnten.“ Jetzt kommt es vor allem darauf an, dass sie mit gutem Marketing signifikante Marktanteile erreichen müssen.

Mark Godfrey