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Neid bei 90 Grad

Dienstag ist Stammtisch-Tag für Thomas Gampe, Leiter des Photovoltaik-Großhandels bei dem Systemanbieter Soleg. Seine Freunde und er gehen dann zusammen in die Sauna, und dort, auf engstem Raum, hören sie, was die bayerische Bevölkerung über die Photovoltaik denkt – und spricht. „Mein Nachbar hat eine Photovoltaikanlage gebaut: So beginnt das Gespräch oft“, erzählt Gampe. „Dann klinkt sich der Nächste ein und erzählt von seinem Bekannten, der sich auch eine Anlage gebaut hat.“ Damit nimmt ein Gespräch seinen Lauf, das oft in einer Schimpftirade endet. „Ich mische mich nicht immer ein, aber wenn es überhandnimmt, dann kann ich nicht anders und entkräfte die fadenscheinigen Argumente gegen die PV“, sagt Gampe. Zu 90 Prozent sei es negativ, was er über die Photovoltaik hört. Daran habe auch die Atomkatastrophe von Fukushima nichts geändert. Er selbst werde hin und wieder ebenfalls dafür angegriffen, dass er in der Photovoltaikbranche tätig ist.

Mit größer werdenden Vorbehalten gegen die Photovoltaik muss sich nichtnur Gampe herumschlagen. Das Image ist angeschlagen, wenngleich Umfragen von Branchenverbänden und Meinungsforschungsinstituten etwas anderes vermitteln.

Seitdem die Energiekonzerne im vergangenen Jahr die Strompreise erhöhten und dies auf den Netzausbau für die Photovoltaik schoben, hat diese einen deutlichen Sympathieverlust erlitten. So jedenfalls berichten es etliche Großhändler und Handwerksbetriebe. Auch wenn die Umlage auf die Stromverbraucher nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht als „Subvention“ bezeichnet werden darf, so hat sich genau dieses Wort in den Köpfen der Allgemeinheit festgesetzt. „Diese Subventionen! Die Allgemeinheit muss den teuren Strom für die Photovoltaik bezahlen.“ Das ist ein Satz, den Klaus Wiegert, Vertriebsmitarbeiter bei dem Solarfachbetrieb Gerold Weber Solartechnik in Baden, oft zu hören bekommt. Thomas Gampe von der Soleg kennt diesen Unmut. „Photovoltaik treibt die Strompreise in die Höhe. Ich bezahle die Anlagedes Nachbarn, und der schiebt die fette Rendite ein.“ Das sind Klagen, die auch Gampe immer wieder zu hören bekommt.

Umfragen stehen gegen Erfahrung

Der Neidfaktor spielt dabei eine große Rolle. Laut Wiegert sind es oft Mieter, die den Eigenheimbesitzern ihre Anlage und die Rendite neiden. Oft muss er sich dann anhören, dass es ohnehin schon vermögende Personen sind, die durch die Photovoltaikanlage nur noch reicher werden. Gemeint sind damit Professoren, Ärzte und andere gut verdienende Berufsgruppen, die sich ein Eigenheim leisten können und deshalb das Dach für eine Solaranlage haben.

Laut Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) ist das Stimmungsbild in der Bevölkerung jedoch viel positiver, als es diese Berichte erwarten lassen. Der BSW ließ das Meinungsforschungsinstitut Emnid Anfang April eine Umfrage durchführen. „Wie viel Cent pro Kilowattstunde wären Sie bereit für den weiteren Ausbau der Solarenergie zuzahlen?“ lautete eine Frage. 2,3 Cent im Schnitt, ermittelte Emnid unter 1.000 Befragten. Dies freut den BSW, denn momentan beträgt die Umlage für jeden Haushalt rund 1,5 Cent pro Kilowattstunde. Und so signalisiert die Umfrage, die am 6. und 7. April durchgeführt wurde, eine Zustimmung zum weiteren Ausbau der Photovoltaik nach dem Umlageverfahren.

Interessant ist, dass die Befragten mit zunehmendem Alter immer weniger zuzahlen wollen. Während die 14- bis 29-Jährigen noch bereit wären, 3 Cent je Kilowattstunde mehr zu zahlen, sind es bei den 30- bis 39-Jährigen nur noch 2,7 Cent. Die Gruppe der 40- bis 49-Jährigen würde 2,3 Cent mehr bezahlen, die 50- bis 59-Jährigen nur noch 1,7 Cent. Danach geht es wieder bergauf. In der Befragungsgruppe „60+“ sind es wieder 2,0 Cent je Kilowattstunde.

Aufschlussreich ist auch der Zusammenhang zwischen Schulbildung und durchschnittlichem Cent-Betrag. Schüler würden mit 3,1 Cent pro Kilowattstunde am meisten zuzahlen. Es folgen Menschen mit Abitur und Universitätsabschluss mit 2,4 Cent; nur knapp dahinter die Befragten mit Volksschulabschluss und Lehre sowie mittlerem Bildungsabschluss mit 2,3 Cent. Menschen mit Volksschulabschluss ohne Lehre könnten sich durchschnittlich 2,1 Cent vorstellen.

Noch kein Kaufhindernis

Bestätigt sieht sich der BSW durch eine Umfrage der GFK. Das Marktforschungsinstitut aus Nürnberg teilte nach dieser Umfrage im April mit: „Nur noch fünf Prozent der deutschen Verbraucher halten die Kernkraft für zukunftsfähig. Dagegen haben weitere Investitionen in den Ausbau der erneuerbaren Energien eine breite Unterstützung in der Bevölkerung.“ Die Atomkraft habe durch die Reaktorkatastrophe in Japan weiter an öffentlichem Ansehen verloren, schreibt die GFK in einer Pressemitteilung. „Die Bevölkerung sieht vor allem aus ökologischen Gründen eindeutig regenerative Energiequellen auf dem Vormarsch“, heißt es weiter. Sonnen- und Windenergie seien dabei „die großen Favoriten im zukünftigen Energiemix für Deutschland“. „Dabei nimmt die Solarenergie (Photovoltaik und Solarthermie) mit aktuell 86 Prozent laut GFK den Spitzenplatz ein.“ Im Januar waren es noch 83 Prozent.

Auch das dürfte Wasser auf die Mühlen jedes Mitarbeiters in der Photovoltaikbranche sein. Doch bis jene positive Haltung endlich bei ihnen angekommen ist, müssen sie weiter gegen Vorurteile und Misstrauen ankämpfen.„Wenn ein Interessent zu uns kommt, dann hat er sich meist schon entschieden und weiß, dass er eine Photovoltaikanlage will“, sagt Klaus Wiegert von Gerold Weber Solartechnik. Die Vorbehalte, die es zu diskutieren gibt, gehören dann zum Verkaufsgespräch, sind aber keine ernsthaften Hinderungsgründe. Auch Gampe von Soleg hält die Stammtischargumente für kein Kaufhindernis.

Auch über Renditen aufklären

„Die Leute sind der Meinung, dass die Renditen nicht mehr passen, das wirkt sich auf das Geschäft aus“, sagt Gaupe. Seiner Meinung nach ist die Frage der Rendite das größte Kaufhindernis im Moment. Deshalb müsse die Bevölkerung verstärkt darüber aufgeklärt werden, wie hoch die noch erreichbaren Renditen sind. „Sieben Prozent sind doch immer noch gut“, so Gampe.

Das Dilemma habe sich die Branche allerdings selbst zuzuschreiben, meint er. Zweistellige Renditen wie im vergangenen Jahr seien nicht nötig gewesen. „Eine gesunde Förderung hätte zu einem gesunden Wachstum geführt“, sagt Gampe. Und sie hätte wahrscheinlich eines unterbunden – dass Photovoltaik von der Allgemeinheit nur noch unter dem Gesichtspunkt der Rendite betrachtet wird. Denn das beobachtet Gampe zu seinem Entsetzen immer häufiger. „Der Grundgedanke, woher die Photovoltaik kommt und warum wir sie brauchen, ist überhaupt kein Thema mehr. Es geht nur noch um Zahlen, Renditen, Gewinne“, stellt er in seinen Verkaufsgesprächen fest. Dann erzählt er den potenziellen Kunden, dasssie mit Hilfe von Solaranlagen Kohlendioxid einsparen und für eine sichere Energieerzeugung sorgen. Wenn er die verständnislosen Blicke sieht und sich erlaubt zu fragen: „Wollen Sie denn wirklich nur wegen der Rendite eine Anlage bauen?“, bekommt er oft zu hören: „Klar!“ „Das ist eine komplett falsche Denk- und Herangehensweise“, bedauert Gampe. „Die Energiewende, die Kohlendioxideinsparung und der sichere Strom, das sollten die Beweggründe für den Kauf einer Anlage sein, die Rendite dürfte nur das Add-on sein“, ist seine Überzeugung.

Der Verunsicherung begegnen

Trudel Meier-Staude von der Erneuerbare-Energien-Initiative „Projekt 21 plus“ in München nimmt die aktuelle Stimmung nicht so negativ wahr, und vor allen Dingen sieht sie, anders als Gampe, Veränderungen durch das Unglück in Japan. Ihr Stammtisch ist ihr Chor. Akademiker, Gründer von mittelständischen Firmen, Handwerker, Lehrer – im Chor treffen sich alle möglichen Leute: „Vor dem Reaktorunglück konnte ich die Gespräche immer noch auf andere Themen lenken, aber seit der Atomkatastrophe ist das nicht mehr möglich. Jetzt wollen alle mit mir über Demos, Politiker und Energie reden“, sagt die Expertin für den Strommarkt. „Und alle haben einen extremen Gesprächsbedarf.“ Meier-Staude beobachtet eine größer werdende Unsicherheit. „Es gibt eine große Sorge wegen der Preisdiskussion, gepaart mit Verunsicherung, weil die Regierung transportiert hat, wir hättennicht genügend Strom.“ Damit werde durch fachlich falsche Aussagen Angst geschürt, beklagt Meier-Staude. Darüber hinaus würden sich die Leute fragen, wie eine 100-prozentige Energieversorgung durch erneuerbare Energien aussehen könnte. „Die Leute brauchen Szenarien. Die gibt es, aber die Regierung kommuniziert sie nicht.“ Hinzu kommen die Berichterstattungen über die Einkäufe von Atomstrom in Frankreich und in Tschechien. Sie führen dazu, dass die Menschen fürchten, dass zum einen der Strom dadurch teurer werde und dass die Nachbarländer an den Grenzen neue Atomkraftwerke bauen. „Unberechtigterweise“, wie Trudel Meier-Staude sagt.

Brand ist Riesenthema

Neben solchen politischen Faktoren beschäftigen die Menschen noch ganz andere Sorgen. Sie fürchten, dass die Feuerwehr ihr Haus abbrennen lässt, wenn eine Photovoltaikanlage auf dem Dach ist. Feuerwehren, die Häuser mit Anlage „kontrolliert abbrennen lassen“, durch heruntergestürzte Module verunglückte Einsatzkräfte und ähnliche Geschichten gingen im vergangenen Jahr durch Zeitungen, Fernsehen und große Onlineportale. Die Bedenken, dass an den Berichterstattungen etwas dran sein könnte, sind noch lange nicht aus dem Weg geräumt.

„Auch die Frage nach der Entsorgung kommt immer wieder“, sagt Wiegert von Gerold Weber Solartechnik. Die Leute wollen wissen: Was machen wir mit dem Sondermüll auf dem Dach nach 20 Jahren? Weitere Bedenken gebe es wegen der Optik, berichtet er weiter. „Die Module verschandeln mir mein Dach“, hört er hin und wieder. „Die Bürger wollen das Ortsbild nicht verschandeln.“ Und auch der Dauerbrenner unter den Einwänden kursiert noch – die Frage der Energierücklaufzeit. „Die Leute denken, dass es fünf bis zehn Jahre dauert, bis sie die Energie erzeugt haben, die in die Anlage hineingesteckt wurde“, erzählt Wiegert. Auf all diese Fragen hat er, ebenso wie Thomas Gampe, schon die Antworten parat. Denn egal ob bei potenziellen Kunden und Bekannten, am Stammtisch oder in der Sauna, am besten lässt sich mit Sachargumenten punkten, das wissen beide.

Argumente gegen die gängigen Einwände finden Sie auf der übernächsten Seite.

Ina Röpke

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