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Zick-Zack-Förderung

Die Region Alentejo im südlichen Landesinnern Portugals: eine weite, hügelige Landschaft mit immergrünen, hundertjährigen Korkeichen, knorrigen Olivenbäumen, im Wind tanzenden Weizen- und Sonnenblumenfeldern und mittelalterlich anmutenden Kleinstädten. Nur wenige wissen, dass diese landwirtschaftlich geprägte Region fern der Industriezentren im Norden der Hauptstandort für die technologische Entwicklung der Solarenergie im Land ist.

Hier entstand 2007 das erste Photovoltaikprojekt im zweistelligen Megawattbereich, das Elf-Megawatt-Projekt von GE Energy in Brinches/Serpa, damals das größte der Welt. Und hier steht nah der spanischen Grenze der 2009 fertiggestellte 46-Megawatt-Park Amareleja. Abseits der aufsehenerregenden Millionen-Euro-Projekte ist der Alentejo auch die Heimat des ersten ModulherstellersPortugals: Open Renewables. Dessen Chef Rui Lobo ist ein Mann der Tat, nicht der Forderungen – auch wenn es um die Förderung der Solarenergie im Land geht. Der kurze Solarboom Spaniens zwischen 2007 und 2008 ist für ihn kein nachahmenswertes Beispiel: „Mir persönlich ist ein relativ kleines, aber effizientes Förderprogramm für die Photovoltaik lieber als Megaprogramme ohne nachhaltige Resultate für die Branche.“

Langjährige Erfahrung

Der Elektroingenieur weiß, wovon er spricht: Der im Jahr 1984 in Évora gegründete mittelständische Familienbetrieb Grupo Lobo mit seinem Kerngeschäft in feinmechanischen Komponenten für die Industrie kann auf eine 16-jährige Erfahrung in der Fertigung von Photovoltaiksystemen für führende Hersteller zurückblicken. In seinen Hallen montierte dasqualitätszertifizierte Unternehmen auf deutschen Produktionslinien bis 2006 über 800.000 OEM-PV-Module, erst exklusiv für das Joint Venture Siemens Solar/E.ON, dann für die Solarsparte des Mineralölkonzerns Shell. Als Shell 2006 seine Solarsparte an die Solarworld AG verkaufte, nutzte die Lobosolar Group die Gunst der Stunde und startete mit der neu gegründeten Open Renewables in die Produktion in Eigenregie. Von Anfang an war der erste Solarmodulproduzent des Landes auf den internationalen Markt fokussiert und suchte sich mit der Systemhaus SES 21 AG Ende 2006 einen Joint-Venture-Partner, der dem portugiesischen Unternehmen einen Zugang zum wachsenden deutschen Photovoltaikmarkt eröffnete. Für die Firma aus Weilheim in Oberbayern produziert die Open Renewables seitdem in ihrer 60-Megawatt-Produktionsliniemonokristalline Module der Marke „renewis“ auf Basis der Bosch-Solarzelle „3BB“ sowie eigene TÜV-zertifizierte mono- und polykristalline Module mit dem Label „Open“.

Von der Politik wünscht sich Lobo für die Photovoltaik eine langfristige, strategische Vision. Für ihn hat das Fehlen einer „klaren Kommunikation der mittel- und langfristigen Strategie für die Branche seitens der Regierung zu einem Mangel an Stabilität“ im Photovoltaikmarkt geführt. Dabei hat Portugal aufgrund staatlicher Förderprogramme für Erneuerbare, vor allem für Windenergie, seit 2005 einen rasanten Wachstumskurs eingeschlagen und sich bis 2020 weitere ehrgeizige Ziele für den Ausbau gesetzt. Der Mitte 2010 verabschiedete Aktionsplan für Energie (ENE 2020) sieht bis 2020 vor, dass 31 Prozent der Endenergie und 60 Prozent des Stroms aus regenerativen Quellen stammen sollen. Insgesamt scheint die Regierung trotz der Wirtschaftskrise auf dem richtigen Weg: Die Daten der nationalen Energiebehörde Direcção Geral de Energia e Geologia (DGEG) zeigen, dass sich der Stromverbrauch aus erneuerbaren Energien von 16,8 Prozent im Jahr 2005 auf 35 Prozent im Jahr 2009 mehr als verdoppelt hat. Für 2010 geht der Netzbetreiber REN (Redes Energéticas Nacionais) sogar von einem Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch von über 50 Prozent aus.Der bisherige Motor dieser positiven Bilanz ist die Windenergie. In ihrer Ankündigung des Energieplans ENE 2020 betont die Regierung jedoch, dass sie „nach ihrem starken Engagement für die Wasser- und Windkraft, jetzt die Sonnenenergie als die Technologie sieht, die das höchste Entwicklungspotenzial in den nächsten zehn Jahren hat.“ Obwohl Portugal mit einer durchschnittlichen jährlichen Sonnenscheindauer von circa 2.200 Stunden im Norden und 3.100 Stunden im Süden pro Jahr mit die höchsten Sonneneinstrahlungswerte in Europa bietet, spielte der Ausbau von Photovoltaik bisher nur eine geringe Rolle. Der Ausbau der Photovoltaik liegt nach den Daten der nationalen Energiebehörde DGEG im Oktober 2010 bei knapp 123 Megawatt.

Die Stunde der Sonne

Jetzt scheint die Stunde der Sonne im Südwestzipfel Europas gekommen zu sein, denn der ENE 2020 sieht einen sprunghaften Anstieg des Ausbaus von geförderten Solarenergieprojekten von 150 Megawatt (2010) auf 1.500 Megawatt im Jahr 2020 vor. Doch anstatt zu applaudieren, hagelt es Kritik von den Verbänden. Der Solarindustrieverband Apisolar (Associação Portuguesa da Indústria Solar) und der Photovoltaikverband APESF (Associação Portuguesa de Empresas de Solar Fotovoltaico) hattensich erhofft, dass die neue Zielmarke für Solarenergie für 2020 bei 2,5 Gigawatt gesetzt wird. António Sá da Costa, Präsident des Branchenverbandes für erneuerbare Energien (Associação de Energias Renováveis – APREN), spricht zwar von einem „totalen Paradigmenwechsel der Energiepolitik durch den Ausbau der regenerativen Energien“, ihm sind aber die verankerten Ziele für Solarenergie schlicht nicht ehrgeizig genug. „Andere Länder der Europäischen Union mit vergleichbarer Sonneneinstrahlung sind weit vor uns“, kritisiert Sá da Costa.

Die schwache Entwicklung des heimischen Marktes spüren auch die geschätzten eintausend Unternehmen im Bereich Photovoltaik und Solarthermie im Land. Gustavo Fernandes, Geschäftsführer der Martifer Solar, setzt trotz der Regierungspläne weiter „auf eine Internationalisierung des Unternehmens, weil es in Portugal nie einen richtigen Photovoltaikmarkt gab.“ Martifer Solar ist seit ihrer Gründung 2006 vor allem in den Ländern Italien, Spanien, Griechenland, Belgien und in den USA aktiv. Das Unternehmen verfügt über eine Modulproduktionskapazität von 50 Megawatt und hat sich auf das Angebot von schlüsselfertigen Lösungen für Solarparkbetreiber und BIPV-Projekte spezialisiert. Laut Fernandes konnte Martifer Solar durch eine starke internationale Ausrichtung bisher ein Projekt-Portfolio von circa 100 Megawatt realisieren.

Ein Grund für die zaghafte Entwicklung der Photovoltaik in Portugal dürfte in der bisherigen Ausbaudeckelung bei 150 Megawatt zu suchen sein. Allein die bisher realisierten großen Freilandprojekte, die am Netz sind, machten Ende 2008 mit knapp 60 Megawatt bereits ein Drittel davon aus. Guido Radel, Marketingleiter bei der Deutsch-Portugiesischen Außenhandelskammer (AHK) in Lissabon, glaubt, dass der Markt für Firmen aus dem Ausland aber wieder insgesamt interessanter wird – aufgrund der immer noch sehr hohen Einspeisevergütung und der angekündigten neuen Förderung für Freiland- und Dachanlagen bis 250 Kilowatt Leistung (siehe Kasten). „Interessant ist Portugal aber vor allem für kleinere mittelständische Firmen, die hier noch einen Markt erschließen können“, betont Radel, „nicht für große Projektierer oder Solarparkbetreiber.“ Problematisch sei aus der Sicht der interessierten Firmen, dass es immerwieder zu Verzögerungen bei den ohnehin nicht sonderlich transparenten Gesetzgebungsverfahren komme. Das schaffe auf Dauer kein Vertrauen bei potenziellen Interessenten aus dem Ausland. Und: Portugal wäre insgesamt auf einem noch besseren Weg, wenn die Irrungen der Bürokratie aus dem Fördersystem verschwinden würden.

So ist dem im April 2008 gestarteten Förderprogramm für dezentrale Kleinanlagen bis 3,68 Kilowatt die unerwartet starke Nachfrage und ein Zuviel an Bürokratie nach zwei Jahren zum Verhängnis geworden. Das alte Gesetz zur Kleinanlagenförderung sah für die ersten fünf Jahre eine Referenzvergütung von 65 Eurocent pro Kilowattstunde vor, außerdem einen ersten jährlichen Förderdeckel von zehn Megawatt. Nach dessen Ausschöpfung sollte der Ausbautopf jedes Jahr um 20 Prozent vergrößert und dafür die Vergütung um fünf Prozent abgesenkt werden. Der letzte so noch aus

geschriebene Vergütungssatz lag bei 56 Eurocent pro Kilowattstunde. Trotz der attraktiven Vergütung kam es aber zu immer mehr Beschwerden bei der Lizenzierungsbehörde DGEG, da die Online-Registrierungsplattform immer nur an bestimmten Tagen für eine neue Anmeldephase der nächsten 1,5 Megawatt geöffnet werden konnte. „Das Registrierungssystem war eine Katastrophe. An manchen Tagen war es schon nach zwei Stunden zu, weil die ausgeschriebene Kapazität ausgeschöpft war“, erinnert sich Birgit Herbers vom Photovoltaikverband APESF. Trotz des starken Interesses bezahlte aber nur etwa die Hälfte der Antragssteller auch tatsächlich fristgerecht die Anmelde- und Inspektionsgebühren. Das Resultat: Niemand wusste, wann seine Anlage zu welchem Einspeisetarif ans Netz kommen würde.

Trotz aller bürokratischen Hindernisse im Anmeldesystem gingen nach den DGEG-Statistiken gut 10.000 Anlagen mit einer Leistung von über 35 Megawatt ans Netz. Die Regierung kündigte Anfang 2010 ein neues „einfacheres, transparenteres Verfahren“ und ein neues Gesetz zur Kleinanlagenförderung an und schloss daraufhin im Februar 2010 die Anmelderegister. Sieben lange Monate mussten die Installationsbetriebe auf eine Neuregelung (Decreto-Lei 118-A/2010) warten. Angekündigt für September, trat das neue Gesetz für Kleinanlagen erst im Dezember 2010 in Kraft. „Manchen Installationsbetrieben stand das Wasser bis zum Hals“, erinnert sich Birgit Herbers, die jetzt erst einmal hauptsächlich damit beschäftigt ist, alte Anträge beim Installationsbetrieb FF Solar abzuarbeiten. Sie hofft, wie alle Branchenbeteiligten, dass sich durch die neue, höhere Jahresdeckelung von 25 Megawatt die Lage für alle deutlich entspannt. Eine Anmeldung ist jetzt an jedem Tag möglich, bis die Gesamtkapazität ausgeschöpft ist. Insgesamt soll so bis zum Jahr 2020 ein Ausbau von 250 Megawatt erreicht werden.

Damit, wie es am Ende mit der neuen Regelung der Kleinanlagenförderung gelaufen ist, zeigt sich Karl Moosdorf, Vizepräsident des Solarverbandes APESF, „alles in allem zufrieden“. „Wir haben alle unsere Forderungen umgesetzt, bis auf den Wegfall der Kopplung mit der Solarthermie.“ Das alte und neue Kleinanlagengesetz schreibt vor, dass zusätzlich ein Sonnenkollektor zurWarmwasserbereitung mit zwei Quadratmeter Fläche mit installiert werden muss. Auf dem Land, wo etwa Photovoltaik-Inselanlagen für Bewässerungspumpen installiert werden könnten, mache dies keinen Sinn. Der APESF-Vize wundert sich auch über die Neuerung, dass Solarkraftwerkslizenzen nun plötzlich im Bieterverfahren ausgeschrieben werden sollen: „ein geschickter Schachzug der Regierung, um das Haushaltsdefizit zu verringern.“

Kritik am Auktionsverfahren

Außer für Demonstrationsprojekte im Bereich der Konzentratortechnologie (CSP) hatte es seit 2004 keine regelmäßigen Wettbewerbsverfahren (PIP Solar) für große Kraftwerke mehr gegeben – bis die Regierung Ende Oktober kurzfristig ein Volumen von 150 Megawatt für kleinere Photovoltaik- oder CPV-Kraftwerksprojekte in der Nähe von Ballungszentren mit einer maximalen Leistung von zwei Megawatt ausschrieb. Organisiert war die Ausschreibung wie eine Auktion nach dem Prinzip „nur das höchste Gebot gewinnt“. Jeder Interessent musste jedoch ein Mindestgebot von 800.000 Euro für jede Zwei-Megawatt-Lizenz abgeben, was nach der Vergabe mindestens 60 Millionen Euro in die defizitäre Staatskasse der Regierung spülen dürfte. Nach Annahmeschluss Mitte November teilte der Staatssekretär für Energie Carlos Zorrinho der Presse mit, dass „200 Angebote von circa 70 Firmen“ der zuständigen Lizenzierungsbehörde DGEG vorliegen. Mit von der Partie sind vor allem führende Unternehmen der Windenergie, wie der portugiesische Stromversorger Energias de Portugal (EDP) und die Grupo GENERG. Wann die Ergebnisse der Ausschreibung veröffentlicht werden, war beim DGEG nicht zu erfahren.

Nach der Ankündigung, dass die neue Förderung von Minianlagen bis 250 Kilowatt nach einem ähnlichen Auktionsverfahren vonstattengehen soll, kam massive Kritik auf Seiten der Verbände APESF und APREN auf. Ihr Vorwurf an die Regierung lautet, „sich mit immer höheren Ausschreibungsgebühren auf Kosten der Erneuerbaren sanieren zu wollen“. Angesichts der Unsicherheit im Markt werden zumindest portugiesische mittelständische Modulproduzenten wie die Lobosolar weiterhin ihre Hauptabnehmer in internationalen Märkten suchen.

förderung von mikro- und Minianlagen in Portugal

Der bisherige Gesetzentwurf vom

9. Dezember 2010 sieht Folgendes vor:

Volumen:

Jedes Kalenderjahr werden 50 Megawatt an Einspeiselizenzen vergeben.

Anlagentypen:

Es soll mindestens zwei verschiedene Klassen geben:

• Anlagenleistung bis 20 Kilowatt: fester Tarif von 25 Cent je Kilowattstunde.

• Anlagenleistung > 20 Kilowatt < 250 Kilowatt: Die Vergütung wird über eine Abwärtsauktion ermittelt; das höchste zu berücksichtigende Gebot muss unter 25 Cent je Kilowattstunde liegen.

Die Einspeisevergütung wird 15 Jahre lang garantiert. Die Referenzvergütung erfährt jedes Jahr eine Degression von sieben Prozent.

Cristina de Barros Costa

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