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Abenteuer zwischen Okzident und Orient

Eine Einspeisevergütung für Solarstrom gibt es in der Türkei schon lange. Sonderlich attraktiv war diese bisher jedoch nicht. Im Jahr 2005 hatten sich die Verantwortlichen der Regierung in einem Gesetz (Nr. 5346) auf einen einheitlichen Satz von 5,5 Eurocent pro Kilowattstunde für alle Arten von erneuerbaren Energien geeinigt. Seitdem wurde es nicht mehr still in der Gerüchteküche des Landes.Immer wieder hieß es, dass innerhalb der Regierung an einem neuen Fördertarif gearbeitet werde. Und dieser solle um einiges attraktiver ausfallen als der letzte. Und so begaben sich nicht wenige Unternehmen in Lauerstellung. Von einem Einspeisetarif bis zu 25 Eurocent war die Rede. Herausgekommen ist mit dem neuen Gesetz (Nr. 6094) jedoch nur ein Fördertarif von 13,3 US-Cent pro Kilowattstunde, was etwa rund zehn Eurocent entspricht. Der türkische Solarenergieverband Günese machte keinen Hehl daraus, dass er den seit Anfang dieses Jahres geltenden Tarif als zu gering und damit als eine Enttäuschung ansieht.

Zu wenig für den Verband

Ein bedeutender Photovoltaikmarkt entstehe mit diesem Fördersatz nicht, soMehmet Ozer, Präsident des Verbandes. Des Weiteren kritisiert er, dass die Förderung nur für zehn Jahre gültig ist und nicht für 20 wie in den meisten anderen Ländern. „Ein interessantes Detail ist die Begrenzung der gesamten Kapazität der bis Ende 2013 ans Netz gehenden Solarkraftwerke auf 600 Megawatt“, so Ozer. Nach Schätzungen würden sich die Kapazitäten der bisher in der Türkei installierten Photovoltaikanlagen auf etwa 3,5 Megawatt belaufen. „Unter den gegebenen Bedingungen halte ich es für vollkommen illusorisch, diese definierte Grenze auch nur annähernd zu erreichen.“ Er geht davon aus, dass bis 2013 bestenfalls zusätzliche Kapazitäten in der Größenordnung von 50 Megawatt installiert werden. Außerdem sei es nicht hilfreich, dass die Einspeisesätze in US-Cent festgelegt wurden. So sei die Solarförderung in seinem Land den Wechselkursschwankungen der türkischen Lira gegenüber dem US-Dollar unterworfen. „Hinzu kommt, dass die meisten Materialien und Komponenten der installierten Anlagen aus dem Raum der Europäischen Union stammen. So entsteht ein zusätzliches Wechselkursrisiko.“ Insgesamt sorge das Gesetz seit Anfang des Jahres schon für mehr Klarheit. Die moderate Förderung stelle jedoch einen krassen Widerspruch zu dem erklärten Ziel dar, den Anteil von erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung der Türkei erhöhen zu wollen. Ein Aspekt des Gesetzes sei jedoch zu begrüßen, nämlich die Bestimmung, dass die Förderung pro Kilowattstunde um bis zu 3,5 US-Cent erhöht werden könne, falls beim Bau der Anlagen Komponenten zum Einsatz kommen, die in der Türkei hergestellt wurden. Dies werde die lokale Industrie stützen.

Industrie optimistisch

Trotz der nur moderaten Förderung setzen viele Solarunternehmen weiterhin auf die Türkei. Wie zum Beispiel das amerikanische Unternehmen Spire Solar. „Die Türkei ist ein vielversprechender Solarmarkt“, gibt sich Roger G. Little zuversichtlich. Er ist Vorsitzender und Geschäftsführer der Spire Corporation. Ähnlich sieht es bei IBC Solar aus. „Die türkische Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren mit einem durchschnittlichen Wachstum von 7,5 Prozent rasant entwickelt. Entsprechend ist auch die Energienachfrage gestiegen“, sagt Sahin Balkan, Geschäftsführer der neuen türkischenTochtergesellschaft IBC Solar in Istanbul. „Doch die Versorgungsstrukturen sind nicht in gleichem Maße mitgewachsen, der Türkei droht eine Energiekrise, wie eine Studie der Stromverteilungsgesellschaft TEIAS kürzlich gezeigt hat.“ Und so werde der Preis für Strom rasant ansteigen, so dass sich Photovoltaik auch mit dem aktuellen Fördertarif lohne. Reinhard Eckert von Würth Solar bestätigt diese Einschätzung und sagt für die Türkei eine große Nachfrage im Bereich Eigenverbrauch von Solarstrom voraus. „Seit Kurzem können Anlagen mit einer Leistung bis zu 500 Kilowatt an das Netz angeschlossen werden, wobei der Stromanbieter verpflichtet ist, den Strom zu dem aktuellen Fördertarif zu kaufen.“ Für die ganzen kleinen und mittleren Betriebe des Landes sei das ein enormer Anreiz, den eigenen Strom zu produzieren. „Sie wissen, dass der Strompreis immens steigen wird. So können sie unabhängiger vom Stromanbieter werden, der darüber hinaus verpflichtet ist, ihren überschüssigen Strom zu kaufen“, so Eckert. „Und der Wille zur Unabhängigkeit vom Stromanbieter ist bei den türkischen Unternehmen sehr starkausgeprägt.“ So wäre es nicht verwunderlich, wenn in der Türkei viele Aufdachanlagen auf Industriedächern für den Eigenverbrauch entstünden. Ein Unternehmen, das sich ebenfalls bereits letztes Jahr auf die Lauer gelegt hatte, war Mage Solar. Anfang letzten Jahres beschloss das Unternehmen, in der Türkei ein Verbindungsbüro zu eröffnen, um den Vertrieb seiner Module, Inverter und Montagesysteme direkt vor Ort zu regeln. Von dem neuen und moderat ausgefallenen Fördertarif lässt sich das deutsche Unternehmen aber keineswegs abschrecken. Mage Solar werde an seinem Büro in der Türkei festhalten. „Wir erachten die Türkei weiterhin als Photovoltaik-Zukunftsmarkt. Auch wenn die Höhe der Einspeisevergütung unter den Erwartungen geblieben ist, sehen wir als Photovoltaik-Systemanbieter Potenzial für kleine und mittlere Solarstromlösungen. Die Entscheidung für eine Einspeisevergütung ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Markus Feil, Mitglied des Vorstands von Mage Solar. Das Unternehmen werde in der Türkei wie bisher mit einem eigenen Vertrieb präsent sein und seine Geschäftsbeziehungen pflegen und weiter ausbauen.“ Auch die Verantwortlichen beim französischen Modulhersteller Tenesol glauben an einen türkischen Solarmarkt. „Die Sonneneinstrahlung in diesem Land ist so gut, dass sich sogar bei den aktuellen moderaten Fördertarifen eine Investition in Photovoltaikanlagen lohnt“, so Manthos Kallios, Geschäftsführer von Tenesol Greece. Alleine schon das enorme Hinterland der Türkei biete optimale Bedingungen für große, industrielle Freiflächenanlagen. Hinzu komme, dass viele ländliche Gebiete nicht gut an das Stromnetz angeschlossen seien, was natürlich Möglichkeiten im Off-Grid-Bereich eröffne.

Megaprojekt angekündigt

Während sich die meisten Solarunternehmen auf Bekenntnisse zum türkischen Markt beschränken, geht ein amerikanisch-niederländisches Unternehmen einen Riesenschritt weiter. Vor Kurzem verkündete Girasolar, dass es den größten Solarpark Europas errichten wolle, und zwar in der Türkei. Aber damit nicht genug. Außerdem soll in der Türkei eine Produktionslinie für Solarmodule entstehen, die dann in der geplanten Anlage verbaut werden. Im Übrigensoll diese eine jährliche Leistung von 100 Megawatt haben. Die Türkei sei der perfekte Ort für einen Solarpark dieser Größe, erklärte Wieland Koornstra, Geschäftsführer von Girasolar, gegenüber der Tageszeitung The Jerusalem Post. Und das nicht nur aufgrund der guten Sonneneinstrahlung. „Überall in Europa gibt es Begrenzungen bei der Größe. Wie zum Beispiel in Italien, wo es in Zukunft schwer sein wird, Anlagen mit einer Kapazität von mehr als einem Megawatt zu realisieren“, so der Geschäftsführer. Die Zukunft von Großanlagen in Europa liege in Osteuropa, Griechenland und der Türkei. „Die Türkei ist in der Sache noch jungfräulich. Wenn man dort den richtigen Ort für seinen Solarpark findet, ist dieser auch ohne Förderung gewinnbringend.“ Derzeit befinde man sich in der Vorbereitungsphase und spreche gerade mit türkischen Unternehmen, die als Partner für das große Projekt in Frage kommen. Namen will Koornstra momentan noch keine nennen. „Eines ist jedoch ein absolutes Muss. Die Produktion der Module muss in der Türkei stattfinden.“ Denn so könne der Fördertarif noch einmal erhöht werden. Seit 2004 habe Girasolar bereits einige kleine Solarprojekte in der Türkei realisiert. Und jetzt soll der große Schlag folgen. Für das Unternehmen sei die Türkei ein optimaler Standort, von dem aus Girasolar seine Fühler auch in Richtung arabische Märkte und Israel ausstrecken könne.

Wie die Beispiele zeigen, scheint der im europäischen Vergleich geringe Fördertarif für Solarstrom viele Unternehmen vor dem Abenteuer Türkei nicht abzuschrecken. Das Gegenteil ist der Fall. Die Verantwortlichen bei den Solarfirmen sind sich der starken wirtschaftlichen Entwicklung des Landes und des damit einhergehenden Energiehungers bewusst. Und wenn man Wirtschaftsexperten vertraut, ist dieser ökonomische Aufschwung noch lange nicht beendet. Vielmehr steht die Türkei hier noch am Anfang. In den langfristigen Überlegungen der Unternehmen nimmt die geringe Solarförderung daher eine zweitrangige Rolle ein. Diese läuft Ende 2015 ohnehin aus und muss dann erneuert werden. Und zu diesem Zeitpunkt werden in der Türkei die Strompreise um einiges höher sein, während die Systempreise für Solaranlagen vermutlich einen neuen Tiefstand erreichen.

Markus Grunwald

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