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Hohes Risiko auf den letzten Metern

Bruch, Verkratzen oder Zerschrammen – diese sogenannten Frequenzschäden entstehen meist bei der Anlieferung beim Installateur oder auf der Baustelle und haben es in sich: Wer sich in dem Irrglauben wähnt, dass sein Lieferant grundsätzlich das gesamte Risiko für Beschädigung oder Verlust der Ware trägt, kann unter Umständen ein böses Erwachen erleben.

Photovoltaikmodule legen immer häufiger eine kleine Weltreise zurück, bevor sie hierzulande aufs Dach montiert werden. Angenommen, ein norddeutscher Großhändler bestellt bei einem chinesischen Hersteller 30 Paletten mit Modulen. Für den ersten Teil des Transports werden sie, in Container verstaut, mit dem Schiff nach Europa transportiert und zum Beispiel im Hafen von Hamburg oder Rotterdam in einem Speditionslager für die Abholung zwischengelagert. Bis hier geht meistens noch alles gut, wie Dieter Schinko, Leiter der Gruppe Transportschäden bei der Württembergischen Versicherung, berichtet: „Beim Transport auf dem Seeweg gibt es in der Regel keine Frequenzschäden.“ Das lässt sich mit der Packweise in den Containern erklären. Solarmodule werden im Umkarton oder durch Kantenschutzecken, Pappe und Wickelfolie geschützt auf Einwegpaletten transportiert, die im Container passgenau neben- und übereinander aufgestellt sind (siehe photovoltaik 09/2010, Seite 90). Wenn das Schiff nicht gerade in einen Sturm gerät, wird die Ware im vollen Container sicher stehend transportiert. Ab hier steigt das Risiko.

Je nach Liefervereinbarung hat der Hersteller vom Hafen aus den Weitertransport organisiert oder der Händler muss selbst einen Spediteur mit der Abholung beauftragen. Der Frachtunternehmer zählt die Paletten durch, gleicht sie mit dem Lieferschein ab und verlädt sie auf seinen Lkw, um sie zum Großhändler zu bringen. Möglicherweise ist der Lkw aber nicht voll bepackt oder es sind noch andere Waren mit anderen Abmessungen darin, zum Beispiel Kisten, Maschinen oder Metallteile. Die Lagerung ist nun instabiler, die Gefahr des Verrutschens oder Umkippens steigt.

Sind die Paletten sicher im Lager des Großhändlers untergebracht, stehen die letzten, riskantesten Transportabschnitte bevor: Bei Verkauf werden die Paletten entweder direkt auf die Baustelle oder zunächst zum Installateur geliefert. Letzteres ist üblich, wenn der Installateur ein eigenes Lager hat und die Module vor der Montage zwischenlagert. Er fährt die Module dann mit dem Lkw, Transporter oder Anhänger auf die Baustelle.

Falsche Transportmittel

Auf diesen letzten Transportwegen treten laut Württembergischer und Mannheimer Versicherung am häufigsten Schäden auf. Manchmal ist es der Fahrer der Spedition, der den Schaden verursacht hat. Diese Erfahrung hat Jörg Tappeser, Geschäftsführer von Solartechnik Tappeser in Schwerte, schon häufiger gemacht. „Der Wareneingang ist kritisch“, sagt er. „Wenn ein Fahrer in einen Karton gefahren ist, versucht er einfach, den mit unterzuschieben.“ Einmal sollte Tappeser sogar einen Karton mit zwei Einstichlöchern von einem Gabelstapler entgegennehmen. Glücklicherweise bemerkte er es rechtzeitig und vermerkte es auf dem Lieferschein.

Solch eine harsche Kritik an ihrer Arbeitsweise wollen renommierte Speditionen natürlich nicht auf sich sitzen lassen. „Es geht auch anders“, betont Daniela Himmel, Sprecherin beim international tätigen Logistikdienstleister Dachser. Ihre Firma war eines der ersten Logistikunternehmen, das Lösungen speziell für die Solarbranche entwickelte. „Bei uns wird die sensible Fracht nach klaren Vorschriften und nur von geschultem Personal verladen. Die Ware wird beim Ein- und Ausgang kontrolliert, und der Zustand der Module ist stets protokolliert“, sagt Himmel. Im Dünnschichtmodulbereich liege die Schadensquote sogar bei nahezu null Prozent.

Es muss nicht die Spedition sein, oft sind es auch die Installateure oder ihre Mitarbeiter selbst, die einen Schaden verursachen. Eine häufige Schadensursache liegt vor, wenn der Installateur ein ungeeignetes Transportmittel verwendet. Dies kann ein Handhubwagen oder Gabelstapler mit den üblichen kurzen Gabeln sein. „Für Euro-Paletten würde der gut ausreichen, nicht aber für die größeren Einwegpaletten, die für Module verwendet werden“, sagt Schinko von der Württembergischen Versicherung. Eine Palette kann dann von den Gabeln fallen. Oder die Spitzen der kurzen Zinken drücken durch den Holzboden der Palette durch und beschädigen das unterste Modul. „Das ist ein photovoltaikspezifischer Transportschaden“, sagt Schinko.

Gefahrübergang prüfen

Kommt es zum Schadensfall, lautet die Frage: Wer trägt das wirtschaftliche Risiko? Dies hängt beispielsweise von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ab, die vereinbart wurden. Der entscheidende Aspekt dabei ist der Gefahrübergang. Er gilt bei Kaufverträgen und betrifft Verkäufer und Käufer.

Der Gefahrübergang bezeichnet den Vorgang, durch den das Risiko des Verlusts oder der Beschädigung einer gekauften Ware vom Verkäufer auf den Käufer übergeht. „Hauptpflicht des Verkäufers ist es, die Sache zu übergeben. Hauptpflicht des Käufers ist es, den Kaufpreis zu zahlen“, erklärt der Münchner Rechtsanwalt Matthias Taplan. „Beschädigt oder zerstört der Käufer die Sache auch nur einen Moment nach Gefahrübergang, so ist er dennoch verpflichtet, den Kaufpreis zu zahlen. Das Schicksal der Module ist nach Übergabe nicht mehr Angelegenheit des Verkäufers, denn er hat seine Pflicht, die Module mangelfrei zu übergeben, erfüllt.“ Für einen Großhändler oder Installateur ist es deshalb wichtig zu wissen, wann das Risiko des Verlustes oder der Beschädigung auf ihn übergeht. Dies erkennt er auf nationaler Ebene an den AGB und international an den sogenannten Incoterms, also den Handelsklauseln. Darin sind bestimmte Konditionen festgelegt, die ausschlaggebend für den Zeitpunkt des Gefahrübergangs sind: Ist EXW (ex work) vereinbart, so geht die Gefahr schon bei der Rampe des Lieferanten auf den Käufer über. FOB (free on board) steht für „ab Reling Abgangshafen“. Ist CIF (cost insurance freight) vereinbart, findet der Gefahrübergang ebenfalls ab Reling Abgangshafen statt. Bei CIF besteht aber zusätzlich eine Versicherungspflicht des Verkäufers für die Seereise. DDP (delivered duty paid) steht für „bis Rampe Empfänger“ beziehungsweise Anlieferung auf der Baustelle.

„Ein Käufer hat die Pflicht, vor Ort eintreffendes Material auf Mängel zu überprüfen“, sagt Rechtsanwalt Taplan und bezieht sich dabei auf Großhändler undInstallateure. Ein Großhändler hat aller Wahrscheinlichkeit nach einen Lageristen, dessen Aufgabe die Kontrolle ist. „Im Wareneingang prüfen wir auf Artikel, Menge und Beschädigungen“, sagt etwa Lars Kirchner, Geschäftsführer der Kirchner Solar Group. „Wir öffnen die Kartons und führen Leistungsmessungen durch.“ Laut Gesetz sind aber auch Installateure zu umfangreichen Kontrollen verpflichtet. „Da es für den Installateur ein Handelsgeschäft ist, gelten verschärfte Untersuchungs- und Rügepflichten“, erklärt Anwalt Taplan. „Die juristischen Anforderungen gehen weit. Ein Installateur sollte eigentlich auch die technische Funktionsfähigkeit von jedem Produkt prüfen.“ Gleichzeitig ist aber bekannt, dass dies in der Praxis kaum möglich ist.„Die Prüfung jedes einzelnen Moduls wäre zeitlich ein Unding“, sagt Rolf Fehrenbach, Geschäftsführer von Fehrenbach Elektrotechnik in Denzlingen. „Dann wäre die ganze Anlage noch einmal um einiges teurer.“ Hinzu kommt, dass die Paletten häufig so verpackt sind, dass sie, einmal geöffnet, nicht wieder transportfähig zusammengeschnürt werden können.

Sichtprüfung ist Pflicht

Und so gibt es bisher laut Jurist Taplan auch „keine gefestigten juristischen Erkenntnisse hinsichtlich des Umfangs der Untersuchungspflicht bei Modulen oder Wechselrichtern“. Er ist der Auffassung, dass ein Gericht schon allein aufgrund des Wertes der Module zumindest eine Sichtprüfung der einzelnen Module auf mechanische Beschädigungen unmittelbar bei Übergabe für erforderlich halten werde. Demnach müssten Installateure also nachsehen, ob etwa Alurahmen verzogen sind oder Glasbruch vorliegt.

„Es ist immer vom Einzelfall abhängig, welche Tiefe und welchen Umfang die Untersuchung haben muss und wann die Anzeige noch unverzüglich ist“, sagt Taplan. Kriterien könnten beispielsweise die Menge und der Wert der Ware sein ebenso wie mögliche Folgeschäden bei der Weiterverarbeitung der Ware. „Ob weitergehende Untersuchungen wie Leistungsmessungen gefordert werden können, ist durch die Rechtsprechung noch nicht geklärt“, sagt er weiter.

Ein Problem, die Untersuchungspflicht zu erfüllen, ergibt sich auch, wenn der Käufer, in dem Fall der Installateur, zum Zeitpunkt der Anlieferung nicht auf der Baustelle ist. Wenn nur ein Subunternehmer oder vielleicht sogar der Endkunde vor Ort ist und den Lieferschein unterschreibt, so hat der Installateur damit unter Umständen die Mangelfreiheit der Module quittiert. „Es ist für den Installateur haftungsrechtlich von großer Brisanz, wenn die Module nicht unverzüglich auf Mängel geprüft werden“, betont Taplan. Stellt ein Käufer Mängel fest, so muss er dies gegenüber dem Verkäufer rügen und auf dem Lieferschein kenntlich machen.

„Es muss plausibel sein“

Auch für Großhändler ist es oftmals nicht möglich, alle Wareneingänge umgehend zu prüfen. Die Konditionen für die Prüf- und Rügepflicht sind jedoch verhandelbar. Taplan erstellt deshalb für einige Großhändler gerade individuelle Liefervereinbarungen, die beispielsweise eine Rügefrist von zwei Wochen vorsehen. „Das weicht vom HGB ab, ist aber praxisnäher“, erklärt der Anwalt.

Auch die Mannheimer Versicherung will nichts Realitätsfernes von ihren Kunden verlangen. „Allgemeine Gepflogenheit ist die äußere Kontrolle“, bestätigt Rainer Kohlenberg, Underwriter bei dem Versicherungsunternehmen. „Der Installateur überprüft, ob von außen alles okay ist. Dann hat er eine Karenzzeit, um die Mängel mitzuteilen.“ Es gibt zudem sogenannte verdeckte Schäden, die nicht sofort sichtbar sind. Auch die werden von einer Versicherung möglicherweise später noch anerkannt. Dafür gibt es allerdings eine Bedingung: „Es muss plausibel und nachvollziehbar sein“, sagt Kohlenberg. Er hat es immer wieder mit Solarhandwerkern zu tun, die nicht ausreichend abgesichert sind. Und so appelliert er an die Errichter von Photovoltaikanlagen, im Vorfeld eine Risikoanalyse zu betreiben und zu überprüfen, ob für alle Wege ein Versicherungsschutz besteht. „Der Installateur sollte auf jeden Fall die AGB und alle anderen Verträge lesen.“ Wegen der unterschiedlichen Handhabungen sei jeder Fall individuell zu betrachten.

Darüber hinaus kann der Installateur dort, wo der Lieferant nicht haftet, für den Fall der Fälle eine Transportversicherung abschließen. Bei erfahrenen Installateuren ist das Usus – so lässt sich das finanzielle Risiko von Frequenzschäden reduzieren.

Ina Röpcke

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