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Stehen oder umfallen

Solon ist pleite. Kurz vor Weihnachten nahm nicht nur die Solarbranche davon Kenntnis. Die Insolvenz des Berliner Unternehmens ging durch die Medien. Denn Solon war der erste namhafte Photovoltaikhersteller, der strauchelte. Und er wird sicher nicht der letzte sein.

Vor der deutschen Photovoltaikbranche liegt eine Durststrecke oder vielleicht sogar der Abgrund. Schon mit dem jetzigen Degressionsschritt zum Jahresanfang wird es schwer. Was passiert, wenn demnächst vielleicht auch noch ein fester Deckel bei einem Gigawatt Zubau (siehe Seite 14) kommt, wie vom wirtschaftspolitischen Flügel der Koalition gewünscht, möchte sich bisher kein Insider en detail ausmalen. „Die Bedrohung ist extrem“, sagt Karl-Heinz Remmers, CEO der Solarpraxis AG und Mitherausgeber der photovoltaik . „Das weiß in der Branchejeder. Ein solcher Einschnitt wäre nicht zu verschmerzen.“ Zum Ende des vergangenen Jahres hat das Geschäft nochmals gebrummt. Zumindest für einige. Die großen Projektierer profitierten in den letzten Monaten von den gefallenen Preisen besonders. „Die hatten ihre Projekte vorher schon durchkalkuliert und brauchten dafür in ihren Pipelines nur die neuen, günstigeren Preise einzusetzen, und schon konnte es losgehen“, beobachtete Dirk Morbitzer, Managing Director von Renewable Analytics. Sie verbauten schnell noch einmal, was der Markt hergab.

Mit der erneuten Absenkung der Einspeisevergütung um 15 Prozent ist das erst einmal vorbei. „Die Luft ist dünn geworden in der Wertschöpfungskette,“ sagt Alexander Kirsch, CEO der Centrosolar Group. Seit auch der Einkaufspreisfür das Ausgangsmaterial Silizium unten ist, können die Preise nicht mehr groß sinken. Bei den jetzigen Renditeerwartungen halten sich Fremdfinanzierer wie Fondsgesellschaften zurück.

An den Installateuren kleiner Dachanlagen war die Konjunktur zum Ende des vergangenen Jahres allerdings vor-beigegangen. Deren Endkunden hatten nämlich von den nochmals günstigen Rahmenbedingungen kaum Notiz genommen, entsprechend verhalten war die Nachfrage. Bei immer noch unablässig fallenden Einkaufspreisen mussten sich die Installateure außerdem selbst zurückhalten. „Wenn die Preise von Woche zu Woche verfallen, ist das Schlimmste, was einem passieren kann, dass man das Lager voll hat, die Nachfrage im Quartal überschätzt und dann den Bestand am Quartalsende um 10oder 15 Prozent abwerten muss“, erklärt Analyst Götz Fischbeck von der BHF-Bank. So waren viele Installateure eher vorsichtig beim Einkauf und sagten lieber mal ein Projekt ab, als auf der Ware sitzen zu bleiben, die dann zu teuer oder unverkäuflich gewesen wäre.

Die Wafer-, Zell- und Modulhersteller weltweit kämpfen mit enormen Überkapazitäten. „Wer bisher schon Probleme mit den Kosten hatte, für den wird es in den nächsten Monaten schwer“, urteilt Remmers und steht mit dieser Meinung nicht allein. Die Konkurrenz aus Asien macht den Produzenten hierzulande zu schaffen. Dennoch ist die hiesige Herstellung nicht von vornherein chancenlos. Viele asiatische Hersteller kristalliner Module produzieren integriert, teilweise vom Rohsilizium über Wafer und Zellen bis zum Modul. Das war vorteilhaft, solange der Siliziumpreis sehr hoch war. Mit seinem Fall wird die voll integrierte Produktion zum Kostenrisiko. Silizium von genau darauf spezialisierten Unternehmen ist jetzt billiger.

„Reife Branchen wie etwa die Computerbranche zeichnen sich durch Spezialisierung aus, sind also nicht integriert“, sagt Kirsch von Centrosolar. Hier könnte für europäische Modulbauer eine Chance bestehen. „Außerdem kommen zu den Transportkosten bei den asiatischen Herstellern die Transportzeiten hinzu. Wenn die Module vier bis sechs Wochen per Schiff unterwegs sind, verlieren sie in dieser Zeit durch den Preisverfall wiederum an Wert.“

Kampf ums Überleben

Wenn der Würgedeckel nicht kommt, die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen also berechenbar bleiben, wird der Zubau in Deutschland mit rund fünf Gigawatt geringer sein als im vergangenen Jahr mit circa sechs Gigawatt, so die Prognose von Henning Wicht von IHS iSuppli. Dann kommen wieder zwei Boomphasen: eine zum Ende des ersten Halbjahres kurz vor der nächsten Absenkung und eine weitere zum Jahresende vor der dann folgenden Degression. Weniger Zubau, weiter sinkende Preise, vielleicht sogar nochmals ein richtiger Preisrutsch im ersten Halbjahr, wie Fischbeck glaubt – unter diesen Bedingungen wird es Verlierer geben.

Kirsch formuliert es deutlicher. „In der Branche geht es jetzt ums Überleben. Wie überstehe ich die nächsten zweiJahre so, dass andere umfallen, bevor ich umfalle?“ Wer überlebt, darf dann auf einen bereinigten Markt hoffen. Neben einem tragfähigen Konzept sind jetzt vor allem finanzielle Reserven gefragt. Und da sieht es bei manch einem Marktteilnehmer aus Deutschland schlecht aus.

AnlagentypEinspeisetarife seit 1.1.2012(Cent/kWh)
Dachanlagen 
< 30 kWp24,43
> 30 kWp bis 100 kWp23,23
> 100 kWp bis 1.000 kWp21,98
> 1.000 kWp18,33
Freiflächenanlagen 
 auf Konversionsflächen 18,76
 auf sonstigen Flächen 17,94
Eigenverbrauchsvergütung
Anlagen < 30 kWp
Eigenverbrauch Anteil bis 30 %8,05
Eigenverbrauch Anteil über 30 %12,43
Anlagen > 30 kWp bis 100 kWp
Eigenverbrauch Anteil bis 30 %6,85
Eigenverbrauch Anteil über 30%11,23
Anlagen > 100 kWp bis 500 kWp 
Eigenverbrauch Anteil bis 30 %5,6
Eigenverbrauch Anteil über 30 % 9,98
Zum 1. Januar 2012 sind die Photovoltaik-Einspeisetarife um 15 Prozent gesunken. Zum 1. Juli 2012 ist eine weitere Kürzung der Vergütung möglich. Je nach Höhe des Zubaus zwischen Oktober 2011 und April 2012 kann sie bis zu 15 Prozent betragen. Dies wird die Bundesnetzagentur ermitteln und bis zum 30. Mai 2012 bekanntgeben.

Außerdem muss der Vertrieb gestärkt werden. Für große Unternehmen bedeutet das, sich weiter zu internationalisieren. Denn es gibt weit attraktivere Märkte als Deutschland.

Morbitzer lebt und arbeitet in Kalifornien. Für sein Haus versucht er derzeit,eine Aufdachanlage unter fünf Dollar pro Watt zu bekommen. Das gestaltet sich schwierig. Für Deutschland rechnet der Analyst dagegen mit einem Systempreis von nur noch 1,60 Euro im ersten Quartal. Aber selbst da ist noch etwas zu holen.

Kleinteilige Zukunft

„Der große Boom ist hier vorbei“, räumt Remmers ein. „Aber es gibt genug Projekte, wo die Dächer nicht optimal sind und die sich trotzdem lohnen.“ Und auch Kirsch sieht die Zukunft für die deutsche Photovoltaik nicht in den großen Parks, sondern bei kleineren Einheiten auf Dächern. „Bei dem stetig steigenden Strompreis spielt der Eigenverbrauch eine immer wichtigere Rolle.“ Noch steckt die Technologie dafür aber in den Kinderschuhen.

Bleibt zu hoffen, dass Kindheit und Jugend der deutschen Photovoltaik nicht abrupt unter den Deckel geraten. Es wird auch so schwer genug.

Maximale Systempreise (Anlagen < 10 kWp)
Rendite4 %6 %
Eigenver-brauchsquoteQ4 2011Q1 2012Q4 2011Q1 2012
0 %0 %10 %40 %70 %0 %0 %10 %40 %70 %900 kWh/kWp
2.230 €1.924 €2.015 €2.330 €2.722 €1.608 €1.371 €1.436 €1.660 €1.940 €1.100 kWh/kWp

Einspeisevergütung, Systempreise und Renditen

Wie bedeutend die Rendite bei der Entscheidung ist, eine kleine Photovoltaikanlage zu bauen, darüber kann man trefflich streiten. Ebenso, wie man sie so berechnet, dass realistische Zahlen dabei herauskommen. Trotzdem hilft es, die ökonomische Seite einer Investition abzuschätzen, wenn man die Renditen vergleicht, die man mit der gleichen Berechnungsmethode für verschiedene Varianten wie zum Beispiel verschiedene Eigenverbrauchsoptionen erzielt (siehe Tabelle Maximale Systempreise).
Ein Vergleich der Renditen im Verlauf der Zeit zeigt außerdem, wo die Branche in puncto Wirtschaftlichkeit steht (siehe Grafik Rentabilität). Kleinanlagen unter zehn Kilowatt Leistung waren im Dezember 2011 mit 4,8 Prozent genauso profitabel wie im Sommer 2010 vor der damaligen Vergütungsabsenkung. Im Januar 2012 sinkt die Rendite unter der Annahme, dass die Systemkosten nicht sofort nachgeben, auf 3,8 Prozent.
Der Renditerechnung liegt ein Verlauf von Systemkosten zugrunde, die EuPD Research regelmäßig in der Mitte eines Quartals bei Installateuren erfragt. Die Auszahlungen der Einspeisevergütung werden zum Beispiel auf einem Tagesgeldkonto zu einem Zinssatz von zwei Prozent wieder angelegt, was für Kleinanleger realistisch ist. Nach 20 Jahren, zuzüglich des Inbetriebnahmejahres 2012, also 2033, erfolgt der Kassensturz. Die Solaranlage hat dann so viel Geld eingespielt, als hätte man die Investitionskosten mit der gleichen Rendite fest angelegt – natürlich nur, wenn die Solaranlage genauso funktioniert wie erwartet und auch die vorgesehenen Wartungskosten nicht überschritten werden.
Geben übrigens die Systemkosten im Lauf des Jahres um 15 Prozent nach, was Veit Otto von EuPD Research bereits im Frühjahr für möglich hält, steigt die Rendite wieder auf den Wert vom Dezember. Die Ausschläge der Kurve sind insgesamt minimal. Seit 2009 lag das Minimum bei 3,5 und das Maximum bei 4,9 Prozent. Ob statistisch betrachtet die Kaufentscheidungen wirklich von dem aktuellen Wert abhängen, der dazu noch mit einer großen Unsicherheit behaftet ist, scheint also wirklich fraglich.
Die Kurve für den Renditeverlauf bei Großanlagen über ein Megawatt Leistung sieht aus wie die für die Kleinanlagen, nur mit stärkeren Ausschlägen. Das ist verständlich, da die grundsätzlichen Rahmenbedingungen ähnlich sind, jedoch diverse Hebel die Auswirkung von sich verändernden Systempreisen oder Einspeisevergütungen verstärken. Zum einen sind die Werte, wie bei großen Investitionen üblich, nach der Methode des internen Zinsfußes berechnet. Dabei gibt es keine Wiederanlage des Geldes wie bei Kleinanlagen. Die so berechnete Rendite gibt vielmehr an, zu welchem Zinssatz das in dem Projekt befindliche Kapital verzinst wird. Zum anderen sind die Anlagen in der Berechnung zu 70 Prozent mit Krediten finanziert. Beides führt zu höheren Werten.
Doch auch wenn die Ausschläge groß sind, stieg die Rendite bei den gewählten Parametern Ende 2011 nicht über elf Prozent. Dieser Wert hängt jedoch sehr davon ab, welche Kosten anfallen. Wenn man die Flächenkosten von 200 Euro weglässt und Wartungskosten nicht berücksichtigt, liegt die Rendite für Anlagen, die Ende 2011 ans Netz gehen, bei 25 Prozent.
Egal wie man rechnet – selbst falls die Systemkosten nicht sinken sollten, liegt die Rendite Anfang 2012 ungefähr auf dem Niveau des zweiten Quartals des letzten Jahres.

Michael Fuhs

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