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Stahl oder Alu

„Wenn die Einspeisevergütung auf Freiflächen unter 13,5 Cent pro Kilowattstunde sinkt, dann ist es mit dem Aluminium vorbei“, prognostiziert Thomas Hager. Bis vor wenigen Monaten hat der Geschäftsführer des bayerischen Projektentwicklers Sunplan alle Solarparks mit Aluminium-Unterkonstruktionen bauen lassen. Durch den Preisdruck, der jetzt auf deutschen Solarprojekten im Freifeld lastet, dreht Hager nun jeden Cent um – auch bei der Wahl des Montagesystems. In diesem Jahr hat Sunplan schon zwei Solarparks für Investoren in verzinktem Stahl ausgeführt, ein weiterer befindet sich gerade im Bau. Beim selben Anbieter eingekauft, ergebe sich eine Kostendifferenz von rund 40 Euro pro Kilowatt installierter Leistung für Gestell und Montage. „Stahl liegt deutlich unter 200 Euro pro Kilowatt und Aluminium deutlich über 200 Euro“, sagt Hager.

Aluminium oder verzinkter Stahl – die Frage, welches Material geeigneter ist für die Unterkonstruktionen von Photovoltaikmodulen auf ehemaligen Mülldeponien, Militärgeländen und brachliegenden Ackerflächen, war bis dato Geschmackssache. In diesem Jahr erhält die Frage allerdings eine neue Brisanz. Stahl scheint dem Aluminium als Werkstoff den Rang abzulaufen, hauptsächlich, weil es im Einkauf günstiger ist. Auch in der Marktübersicht ab Seite 66 ist das erkennbar: Dieses Jahr sind bereits 15 Systeme als reine Stahlkonstruktionen erhältlich, gegenüber 70 Systemen mit Aluminiumträgern. Mindestens zwei Hersteller arbeiten gerade an einer Umstellung. Insgesamt ist das eine Steigerung um 70 Prozent.

Im letzten Jahr konnten Projektentwickler Unterkonstruktionen für Megawattsolarparks zu Preisen zwischen 150 und 250 Euro einkaufen. Fertig aufgebaut inklusive Rammen und Modulbefestigung kostete das Ganze zwischen 200 und 300 Euro, wenn man als Referenzbedingung den Einsatz von 250-Watt-Modulen in Schnee- und Windlastzone 2 auf einfachem Gelände nimmt. Diese Kosten muss der Investor mit den Einnahmen aus der Einspeisevergütung finanzieren. Bis Anfang des nächsten Jahres schrumpft der Betrag für Freiflächenanlagen ab einem Megawatt unter zwölf Cent. Das ist eine Reduktion im Vergleich zu Anfang 2012 von rund 35 Prozent, im Vergleich zu letztem Jahr sogar um 45 Prozent.

Preisziel 100 Euro

Um diese Degression aufzufangen, müssen nicht nur die Modul- und Wechselrichterpreise, sondern auch die Kosten für Gestell und Montage sinken, soll in Deutschland weiter Freiflächenphotovoltaik installiert werden. Würden die Kosten anteilig sinken, dürften die Systeme nächstes Jahr nur noch zwischen 100 und 160 Euro pro Kilowatt Anlagenleistung kosten, mit Montage zwischen 130 und 200 Euro. Will man Anlagen mit neuen Geschäftsmodellen ohne EEG-Vergütung realisieren und den Strom anderweitig verkaufen, sieht die Situation nicht besser aus. Denn auch dafür dürften die Stromgestehungskosten kaum höher liegen als die Einspeisevergütung.

Mit einer Zielmarke von 100 Euro pro Kilowatt Anlagenleistung für die Unterkonstruktion inklusive Montage hat die Branchenzeitschrift Photon die Preisdiskussion Anfang des Jahres weiter angefacht. Zusammen mit dem Sauerländer Stahlprofilhersteller BKB-Profiltechnik hat Ralf Heuser von Photon Power ein Ost-West-Montagesystem entwickelt, dessen reine Lieferkosten bei 100 Euro liegen sollten. Heusers Idee dabei: Mit einer Satteldachkonstruktion spart man eine Menge Material und Arbeitszeit beim Bau der Unterkonstruktion und kann gleichzeitig auf demselben Gelände mehr Leistung unterbringen. Auf der Grundlage der Geometrie hat BKB alle Stahlbaudetails für die Verbindungen der Schienen entwickelt. „Wir kommen mit 20 Prozent weniger Material aus als einige unserer Mitbewerber, die in Stahl bauen“, sagt Cihan Calik von BKB-Profiltechnik, „im Moment kommen wir trotzdem noch nicht an die 100 Euro heran.“ Inklusive Rammung, Aufbau und Modulmontage bietet BKB das System heute für 170 bis 180 Euro pro Kilowatt installierter Leistung an – unter den oben genannten Referenzbedingungen. Saisonal schwankende Stahlpreise sowie die Größe des Liefervolumens können den Betrag noch in die eine oder andere Richtung beeinflussen. „Obwohl wir weniger Material eingesetzt haben als viele Mitbewerber, ist die Statik immer noch konservativ gerechnet“, sagt Calik. Der Nachteil: Das System kann lediglich Geländeunebenheiten von acht Prozent ausgleichen.

Generell sind zwei Ansätze zur Kostensenkung denkbar. Auf der einen Seite zielen mehrere Hersteller mit ihren neuen Produkten auf den minimalen Preis ab. Wer viel Zeit für die Montage hat oder auf ebenem Gelände mit normalen Wind- und Schneelasten baut,kann heute sehr günstig installieren. Doch was ist, wenn ein Solarpark mit 25 oder 50 Megawatt auf einer Konversionsfläche mit schwierigen Bodenverhältnissen innerhalb von fünf bis sechs Wochen fertig installiert dastehen muss? „Da diskutiert niemand, ob Aluminium oder Stahl“, sagt Hans Urban von Schletter. Aluminium sei schneller zu montieren, da falle die Wahl nicht schwer, möchte man zum Stichtag sicher am Netz sein. Welches die günstigste Lösung ist, hängt also sehr stark von den Projektbedingungen ab. Da werden die Idealpreise ganz schnell über den Haufen geworfen. „Die Bodenverhältnisse spielen eine entscheidende Rolle“, bestätigt Markus Zerer, bei der Solarpraxis verantwortlich für die technische Anlagenplanung, „mit einem schwierigen Boden kann es ganz schnell teuer werden.“ Wie viel Bewegung in den Markt gekommen ist, zeigt jedoch, dass auch der Marktführer und Aluminiumprofi Schletter jetzt auf den Kostendruck reagiert und in diesem Jahr erstmals zwei Stahlsysteme anbietet. Etwa bei der Hälfte der Freilandprojekte entscheiden sich die Kunden für verzinkten Stahl, sagt Urban. „Stahl ist die preisgünstigere Alternative, wir erreichen 30 Prozent Kosteneinsparung im Vergleich zu Aluminium, ohne Abstriche bei der Statik.“ Allerdings vergleicht man dabei nach seinen Worten einen Mercedes mit einem Trabi. In der Ausführung ist das Stahlsystem keinesfalls gleichwertig mit den aufwendig konstruierten Aluminiumbauteilen, die Schletter seit Jahren im Sortiment hat. Außer auf das billigere Material umzustellen, verzichtet Schletter auf eine stufenlose Höhenjustierung. Dadurch könnte eine Montage in hügeligem Gelände deutlich schwieriger ausfallen. Lediglich neun Schraublöcher, die in drei Höhen angebracht sind, stehen in der Verbindungsplatte zwischen Rammpfosten und Hauptträger der Stahlsysteme zur Auswahl. Das muss genügen, um die Tischhöhe und -länge einzustellen. Schafft es der Montagetrupp, die Rammpfosten zentimetergenau zu setzen, muss das kein Nachteil sein. Ob man allerdings darauf vertrauen kann, steht in den Sternen. Carsten Franz, Geschäftsführer vom Montagesystemanbieter CWF aus Niederhall, sieht die Sache kritisch. Nach 200 Megawatt Installationserfahrung im Freiland sagt Franz, dass zentimetergenaues Rammen heute noch nicht Stand der Technik sei und auf alle Fälle höhere Arbeitskosten verursachen würde, weil Genauigkeit Zeit koste.

Anlage soll schön sein

Anders, als man vielleicht erwarten würde, spielt auch die Optik einer Anlage für den Investor eine große Rolle. Höhenversprünge zwischen den Modulen sind unerwünscht, die Modulreihen sollen dem Geländeverlauf möglichst gut folgen. „Die Kunde achten sehr auf die Sauberkeit der Ausführung“, sagt Franz von CWF, „die haben viel Geld investiert und wollen, dass das auch nach etwas aussieht.“ Sieben Zentimeter stufenlose Höhenverstellung muss ein Montagegestell in seinen Augen bieten können, um Ungenauigkeiten, die beim Rammen entstehen, auszugleichen.

Wer über Stahl redet, kommt zwangsläufig auf Korrosion und Verzinkungsgrade zu sprechen. Wird der Stahl bandverzinkt und anschließend geschnitten und gelocht, wie beispielsweise bei den Systemen von BKB und von Schletter, dann laufen zwar die Schnittkanten rot an, halten wird das System deshalb trotzdem. Das ist zumindest einhellige Meinung in der Stahlindustrie. Am Ende zählt die Expertenmeinung nicht sonderlich viel, wenn der Kunde gefühlsmäßig entscheidet. Läuft er nach einem Jahr übers Feld, will er nicht an allen Gestellen Rostspuren herunterlaufen sehen – selbst wenn das statisch unproblematisch ist. „Die Kundschaft schlägt die Hände über dem Kopf zusammen“, berichtet zumindest Carsten Franz. „Rein technisch sehe ich kein Problem für die Stahlträger“, sagt auch Markus Zerer von der Solarpraxis. Allerdings forderten manche Banken Gutachten, die diese Variante ausschließen. In dem Fall müssen die einzelnen Bauteile nach dem Schnitt feuerverzinkt werden, sodass alle Kanten vor Witterungseinflüssen geschützt sind – und das wird wieder teurer.

Alu noch nicht abgeschrieben

Nicht alle Hersteller sehen im Stahl das Allheilmittel gegen hohe Preise. Tobias Müller, Produktmanager bei Wagner & Co., hat sich dagegen entschieden. In diesem Jahr hat Wagner das Freilandsystem Tric FL komplett überarbeitet und konnte mit neuer Tragschienenanordnung und neuen Verbindungsdetails den Preis nach eigenen Aussagen um 20 Prozent reduzieren – ohne vom Aluminium abzurücken. Der Systempreis sinkt um weitere zehn Prozent, wenn das Untergestell als Ost-West-Variante verbaut wird. „Das fragen Kunden immer mehr nach“, sagt Müller. Die volle Belegung einer gepachteten Freifläche senke die Projektkosten. Auf Industriedächern gilt die Ost-West-Montage deshalb bereits seit letztem Jahr als interessante Alternative zur reinen Südausrichtung der Module.

Doch auch hier gilt es, die wahren Kosten im Blick zu behalten und die Investitionssumme den tatsächlichen Erträgen entgegenzustellen. Marco Göbel hält die Preisdebatte um Stahl und Aluminium ebenfalls für verkürzt. „Es ist nicht so, dass die Kombination aus Stahl und Aluminium automatisch teurer ist als eine reine Stahlkonstruktion“, sagt Göbel, technischer Leiter von MKG. Das auf Freilandmontage spezialisierte Unternehmen aus Öhringen bei Heilbronn blickt auf zehn Jahre Erfahrung zurück, seit zwei Jahren bietet es auch eine eigene Unterkonstruktion an. Beim Material Aluminium schätzt Göbel den Spielraum in der Formgebung.

An dem hohen, schlanken Hauptträger des Montagesystems GMS haben die Ingenieure von MKG das Material nach eigenen Angaben genau dort eingesetzt, wo es Kräfte aufnehmen muss. Mit Stahl sei das so nicht möglich. Zwei kleine, schlaue Bauteile machen außerdem den Reiz des GMS aus: eine Scheibe zur stufenlosen Höhenjustierung und eine Art Wippe zur Auflage der Längsträger, die es dem Monteur ermöglicht, die Gestellreihen seitlich fließend um bis zu 15 Grad an die Geländeneigung anzupassen. Vor allem bei schwierigen Böden sei ein System ohne Höhenverstellung selbst für qualifizierte und erfahrene Monteure sehr aufwendig so zu montieren, dass eine optisch einwandfreie und gleichzeitig spannungsfreie Modulbelegung möglich sei.

Ein entscheidender Punkt für die Wahl von Aluminiumbauteilen, den gleich mehrere Hersteller betonen, ist der Zeitfaktor. Beim Stahl besteht die Problematik darin, die riesigen Stückzahlen für einen Solarpark in kurzer Zeit zu bekommen. Schließlich müssen alle Kleinteile auch verzinkt werden. „Durch die guten Bearbeitungsmöglichkeiten von Aluminium können wir extrem schnell auf die unterschiedlichen Erfordernisse reagieren“, sagt Marco Göbel, „das schätzen unsere Kunden sehr.“ Denn in dem Tempo, in dem die Einspeisevergütung gesenkt wird, müssen auch die Großanlagen fertig werden.

Auch in der Montage kann Aluminium Vorteile bieten. Viele mittelständische Hersteller montieren ihre Montagesysteme selbst. Sie sorgen sich um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter. „Aluminiumprofile garantieren auch vor Ort für die Monteure ein einfaches Handling“, sagt Marco Göbel von MKG, „bei Stahlteilen, die ja etwa das Doppelte wiegen, sieht das schon anders aus.“ Die Stahlträger der Schletter-Systeme FS Uno und Duo sind beispielsweise ganze zwölf Meter lang und dementsprechend schwer.

Sparen bei Montage und Logistik

Insgesamt zeigt die Recherche zur Marktübersicht: Um die 120 bis 130 Euro pro Kilowatt Anlagenleistung für eine Unterkonstruktion sind keinesfalls utopisch. In dieser Liga spielen mittlerweile einige Anbieter mit. Und das nicht nur in reiner Stahlbauweise.

Ist damit das Ende der Fahnenstange erreicht? „Die Optimierung beim Materialeinsatz ist weitestgehend ausgereizt“, sagt Hans Urban von Schletter, „Möglichkeiten zur Reduzierung der Kosten bestehen bei den Montageabläufen und in der Logistik.“ Kurze Wege auf dem Baufeld für Handwerker und Transportfahrzeuge sind gefragt. Die Bewegungsabläufe müssen fließen. Cihan Calik von BKB-Profiltechnik möchte die Produktion der Rammpfosten vereinfachen. Marco Göbel von MKG sieht aber auch weiterhin Verbesserungsmöglichkeiten bei den Aluminiumdetails. „Wir haben noch einige Ideen, die Aluminium auch zukünftig zum Werkstoff unserer Wahl machen.“ Geschlagen geben sich die Alu-Verfechter also noch nicht.

Anja Riedel